Jüdisches Zwangsaltersheim Herrlingen

Jüdisches Zwangsaltersheim Herrlingen


Vermutlich auf Betreiben der Gestapo wurde 1939 in einem ehemaligen Landschulheim ein jüdisches Altersheim eingerichtet. Nach seiner Schließung im Jahr 1942 wurden die jüdischen Heimbewohner und Angestellten nach Theresienstadt deportiert. 2000 wurde auf Initiative des Vereins »Haus unterm Regenbogen« eine Tafel an dem ehemaligen Altersheim angebracht, die an das Schicksal der Deportierten erinnert.

Geschichte

Bis 1939 befand sich in Herrlingen ein jüdisches Landschulheim. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte es sich zu einem Zentrum jüdischen Lebens in Süddeutschland entwickelt. Zeitweise wurde es von über hundert Schülern besucht. Anfang 1939 wurden das Heim und die Schule nach Repressalien von Nationalsozialisten vor Ort aufgelöst. Am 3. Februar 1939 stellte der israelitische Oberrat bei der Gestapoleitung Stuttgart den Antrag, in den Gebäuden des Landschulheims ein jüdisches Altersheim einrichten zu dürfen. Vermutlich wurde die Antragstellung auf Druck der Gestapo betrieben mit dem Ziel, die jüdischen Bewohner Württembergs aus den Städten und Dörfern zu verdrängen und an einem Ort zu sammeln. Der Einzug der neuen Bewohner in das ehemalige Landschulheim geschah meist zwangsweise. Die jüdischen Rentner mussten ihre bisherigen Wohnungen und Heimunterkünfte auf Drängen der Behörden verlassen und in das Altersheim Herrlingen umziehen. Seit Ende 1940 verschlechterten sich die dortigen Bedingungen immer mehr, zugleich untersagte die Heimleitung private Besorgungen der jüdischen Bewohner. Einige Angehörige des Herrlinger Altersheims wurden auf Anweisung der Gestapo in »Heil- und Pflegeanstalten« eingewiesen, wo sie im Rahmen der »Euthanasie«-Aktion ermordet wurden. Von der Gründung bis zur Auflösung lebten insgesamt 151 Personen im Altersheim Herrlingen. Im August 1942 wurden seine Bewohner sowie acht Mitarbeiter nach Oberstotzingen verlegt. Kurz darauf wurden sie nach Theresienstadt und weiter in die Vernichtungslager im besetzten Polen deportiert. Zuvor waren bereits neun Insassen und Angestellte des Altersheims direkt in Vernichtungslager deportiert worden.

Opfergruppen

120 Bewohner des jüdischen Altersheims wurden Opfer der nationalsozialistischer Judenverfolgung. Der größte Teil der Heimbewohner und Angestellten wurde nach Theresienstadt deportiert. Viele starben dort an Unterernährung und wegen fehlender medizinischer Betreuung. Ein anderer Teil wurde von Theresienstadt aus in die Vernichtungslager verschleppt und dort ermordet. Von den insgesamt 96 nach Theresienstadt deportierten erlebten nur vier Menschen das Kriegsende. Mindestens 15 ehemalige Schüler des jüdischen Landschulheimes wurden ebenfalls Opfer nationalsozialistischer Verfolgung.

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Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

1985 gründete sich in dem ehemaligen Heimgebäude der Verein »Haus Unterm Regenbogen«. Der »Arbeitskreis Landschulheim« dieses Vereins beschäftigt sich seitdem mit der Aufarbeitung der Geschichte des Hauses. In den 1990er Jahren pflanzte der Verein einen »Baum der Erinnerung« vor dem ehemaligen Landschul- und Altersheim. 2000 wurde eine Erinnerungstafel an das Jüdische Altersheim in Herrlingen eingeweiht.

Angebote

Regelmäßige Vorträge, Konzerte und Lesungen, Führungen für Schulklassen

Kontakt

http://www.haus-unterm-regenbogen.de

kgiebeler@aol.com

+49 (0)7304 588 1

Erwin-Rommel-Steige 50
89134 Herrlingen