Die Synagoge in der bulgarischen Hauptstadt Sofia beherbergt seit 1992 das Jüdische Historische Museum, das die Geschichte der bulgarischen Juden unter anderem während des Zweiten Weltkriegs darstellt.
Juden lebten seit der Antike ununterbrochen auf dem Gebiet des heutigen Bulgarien. Sie kamen in mehreren Wellen und pflegten unterschiedliche Traditionen; unter ihnen waren Romanioten, aschkenasiche und sephardische Juden.
Im September 1939 verwies die bulgarische Regierung alle ausländischen Juden des Landes. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes »zum Schutz der Nation« im Januar 1941 begann die Ausgrenzung der bulgarischen Juden, die seit der Unabhängigkeit des modernen Bulgarien vom Osmanischen Reich 1878 gleichberechtigte Bürger gewesen waren. Sie mussten einen Gelben Stern als Kennzeichnung tragen, wurden enteignet und aus den Städten verbannt. Tausende jüdische Männer leisteten unter schwersten Bedingungen Zwangsarbeit in Lagern. Außerdem stimmte Bulgarien der Deportation jüdischer Staatsbürger im Ausland nach Auschwitz zu.
Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Jugoslawien und Griechenland im Frühjahr 1941 besetzte Bulgarien die griechische Region Thrakien, Teile Mazedoniens und Serbiens. Bulgarische Behörden nahmen in diesen Gebieten fast 11.500 Juden fest und übergaben sie der SS, die sie im Vernichtungslager Treblinka im besetzten Polen ermordete.
Auch im bulgarischen Kernland, wo etwa 50.000 Juden lebten, wurden Verhaftungen durchgeführt. »Judenkommissar« Belev plante, 25.000 Juden aus Sofia und 23.000 aus der Provinz bis zum September 1943 auf Donauschiffen in das deutsch besetzte Polen zu verschleppen. Als erster Schritt diente die Aussiedlung von fast 20.000 Sofioter Juden in verschiedene Provinzen innerhalb von zwölf Tagen. Dort durften sie nur in ausgewählten Häusern wohnen und bestimmte Geschäfte, Kinos und Cafés nicht betreten. Wert- und Gebrauchsgegenstände wurden vom Staat beschlagnahmt. Ende Mai fand eine Demonstration von etwa 10.000 Menschen gegen diese Aussiedlung statt, die von der Polizei aufgelöst wurde. Proteste seitens der Politik und der Kirche verhinderten schließlich die geplante Deportation der Juden aus dem bulgarischen Kernland.
Knapp 12.000 Juden aus bulgarisch besetzten Gebieten wurden deportiert und im Vernichtungslager Treblinka ermordet: ca. 7.100 aus Mazedonien, 4.200 aus Thrakien und etwa 700 aus Südserbien. Die bulgarischen Juden wurden aus den Städten vertrieben und mussten Zwangsarbeit leisten.
Erfahre mehr über Bulgarien
Nach dem Krieg sahen sich die meisten Juden in Bulgarien gezwungen, das nunmehr kommunistische Land zu verlassen und nach Palästina auszuwandern.
Die Zentrale Synagoge in Sofia, die größte sephardische Synagoge in Europa, wurde 1909 eröffnet. Sepharden waren Nachkommen von Juden, die um 1500 von der iberischen Halbinsel vertrieben worden waren. 1944 führten anglo-amerikanische Bombenangriffe zu Beschädigungen, die Bibliothek mit ihren wertvollen Beständen brannte aus. Bis 1989 wurden nur kleinere Reparaturen durchgeführt.
Seit Mitte der 1990er Jahre wurde die Synagoge nach und nach mit Spendengeldern und der Unterstützung der »Doron Foundation of Israel« restauriert und vor allem als Synagoge genutzt. In zwei Räumen befindet sich das Jüdische Historische Museum der Organisation der Juden in Bulgarien »Schalom« mit einer Bibliothek.
Seit 8. Mai 1992 gibt es in der Synagoge eine Ausstellung über jüdisches Leben in Bulgarien. Sie greift folgende Themen auf: Geschichte und Alltag der jüdischen Gemeinschaft in Bulgarien, Verfolgung und Rettung der bulgarischen Juden während des Zweiten Weltkrieges, darunter die Vertreibung der Juden aus Sofia 1943/44, sowie die erzwungene Auswanderung nach Israel 1948/49.
Führungen auf Bulgarisch, Englisch und Hebräisch nach Anmeldung, Museumsladen, Dauerausstellung, Sonder- und Wanderausstellungen, Projekttage
täglich außer Freitagnachmittag und Samstag: 8.30-12.30 und 13.00 - 16.30
jewishmuseum@shalom.bg
+359 2 983 14 40
Ekzarh Josif 16
1000 Sofia