Gedenkstätte von Distomo

Mnimio Sfaghis Distomou


An das am 10. Juni 1944 verübte Massaker von Distomo erinnert eine Gedenkstätte auf einem Hügel über dem Dorf. Angehörige einer SS-Kompanie brachten an diesem Tag beinahe alle Einwohner des Dorfes bei einer »Vergeltungsmaßnahme« um.

Geschichte

Ab April 1941 stand die Region Böotien in Mittelgriechenland unter deutscher Besatzung. Ab 1944 häuften sich die Übergriffe durch Partisanen der ELAS, der griechischen Volksbefreiungsarmee, auf deutsche Truppen in dieser Region. Die deutschen Streitkräfte reagierten mit Repressalien gegenüber der Zivilbevölkerung. Für jeden getöteten Soldaten richteten sie griechische Geiseln hin, ganze Ortschaften wurden niedergebrannt. Am 10. Juni 1944 geriet ein Erkundungstrupp der 4. SS-Polizei-Panzergrenadierdivision in der Nähe des Dorfes Distomo in einen Hinterhalt der Partisanen. Mehrere Soldaten wurden dabei getötet oder verletzt. Am gleichen Tag befahl der Kommandeur der Kompanie, SS-Hauptsturmführer Fritz Lautenbach, eigenmächtig und ohne die Befugnis für einen solchen Befehl zu haben, eine »Sühnemaßnahme« gegen Distomo. Gegen Abend rückte die Kompanie in das Dorf ein und richtete ein Massaker unter den Bewohnern an. Die Soldaten gingen dabei besonders rücksichtslos und brutal vor. Im Anschluss setzten sie die Häuser in Brand. In einem Bericht an seine Vorgesetzten rechtfertigte Lautenbach die willkürliche »Vergeltungsmaßnahme«. Er sagte aus, von Dorfbewohnern mit Maschinengewehren und Granatwerfern beschossen worden zu sein.

Opfergruppen

218 Einwohner aus Distomo starben bei dem Massaker am 10. Juni 1944. Unter den Opfern befanden sich vor allem viele Frauen, Kinder und Alte.

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Im April 1941 marschierte die Wehrmacht in das Königreich Griechenland ein. Das Land wurde zwischen dem Deutschen Reich und seinen Verbündeten Italien und Bulgarien aufgeteilt. Die anschließende Plünderung der Landwirtschaft und der wenigen industriellen Anlagen des Landes verursachte im Winter 1941/42 eine Hungersnot, die vermutlich über 100.000 Griechen das Leben kostete. In der deutschen Besatzungszone bestimmten Raub, öffentliche Misshandlungen, Verhaftungen, Mord und Zwangsarbeit den Alltag der Juden. Zwischen dem 15. März und Mitte August 1943 organisierte ein SS-Sonderkommando – von den örtlichen Militärverwaltungen unterstützt – 19 Transporte mit etwa 46.000 Juden von Saloniki in die Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und Treblinka. Bereits Anfang März hatten die Behörden im bulgarischen Besatzungsgebiet, der griechischen Provinz Thrakien, über 4.000 Juden verhaftet, die die SS daraufhin nach Treblinka verschleppte. Im Herbst 1943 – nach der Kapitulation Italiens – rückte die Wehrmacht in die italienisch besetzte Zone Griechenlands ein. Im März 1944 deportierte die SS auch die dort ansässigen über 8.500 Juden – aus Athen, Ioannina oder von der Insel Rhodos – nach Auschwitz-Birkenau, deren Auslieferung Italien verweigert hatte. Die Zahl der ermordeten griechischen Juden liegt bei etwa 59.000. Das deutsche Besatzungsregime führte zu einer immer stärkeren griechischen Widerstandsbewegung, die 1943/44 von der Wehrmacht durch zahlreiche, brutale Übergriffe, Vergeltungsaktionen und Massenerschießungen bekämpft wurde. Ganze Dörfer, wie zum Beispiel Kalavrita und Distimo, wurden ausgelöscht. Insgesamt fanden wahrscheinlich über 100.000 griechische Zivilisten den Tod. Bereits während der deutschen Besatzung, ab 1944, hatten sich rechte, königstreue und linke, kommunistische Gruppierungen in Griechenland bekämpft. Diese Auseinandersetzung wurde von 1946 bis 1949 in einem Bürgerkrieg fortgeführt. Die siegreiche – von Großbritannien und den USA unterstützte – Rechte verfolgte einen strikt antikommunistischen Kurs. Um einem drohenden Wahlsieg der Linken zuvorzukommen, putschte sich 1967 das Militär an die Macht und regierte das Land in den folgenden sieben Jahren. Erst nach der Aufnahme Griechenlands in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft 1981 kam es zur Anerkennung auch des linken Widerstandes im Zweiten Weltkrieg und nach dem Zusammenbruch des Ostblocks 1990/91 schließlich zur Überwindung des gespaltenen Gedenkens und zu einer Aufarbeitung des Bürgerkriegs 1946–1949. Die griechische Gedenkkultur ist heute in weiten Teilen noch immer durch das Gedenken an den Widerstand gegen die Deutschen dominiert. Inschriften beziehen die Bezeichnung »Holocaust« nicht selten auf den Mord an der Zivilbevölkerung, beispielsweise als »Holocaust von Kalavrita«. Das Gedenken an die Ermordung von 85 Prozent der griechischen Juden blieb lange Zeit den jüdischen Gemeinden überlassen. In Saloniki, der Stadt mit der früher größten Gemeinde, stand bis 1997 auf dem jüdischen Friedhof das einzige Denkmal zur Erinnerung an den Holocaust. Mit den Feierlichkeiten anlässlich der Ernennung zur Europäischen Kulturhauptstadt 1997 errichtete die Stadt an zentraler Stelle ein Holocaustdenkmal, das 2005 an eine andere Stelle umgesetzt wurde. 2010 wurde auch in Athen ein neues Holocaustdenkmal enthüllt. Ein Holocaustmuseum in Saloniki, an dem sich auch die Bundesrepublik Deutschland mit zehn Millionen Euro beteiligt, ist im Bau.

Erinnerung

Die Gedenkstätte wurde in den 1980er Jahren auf einem Hügel oberhalb Distomos errichtet. In den Gedenkort ist eine kleine Kapelle mit einem Beinhaus integriert, in dem die Schädel der Opfer aufbewahrt werden. Auf einer Wand aus Marmor sind die Namen und das Alter der Opfer aufgelistet. Jedes Jahr am 10. Juni findet hier eine Gedenkfeier statt an der regelmäßig auch der deutsche Botschafter in Griechenland teilnimmt.
Etwa 10 Kilometer weiter östlich, an der Straße in Richtung Athen, befindet sich ein weiteres Denkmal, das an das Massaker erinnert. Es wurde von der Bildhauerin Aggelika Korovessi geschaffen.
Der Streit um die juristische Aufarbeitung des Massakers von Distomo erregte internationales Aufsehen. Überlebende und Hinterbliebene des Massakers klagten in den 1990er Jahren bei griechischen Gerichten, um von der Bundesrepublik Deutschland Entschädigungszahlungen zu erhalten. Trotz eines rechtskräftigen Urteils des obersten griechischen Gerichts weigert sich Deutschland mit Hinweis auf die Staatenimmunität, das Urteil anzuerkennen.

Kontakt

dimuseum1944@gmail.com

+30 (0)22670 22 492


320 05 Distomo