Jüdischer Friedhof Weißensee

Jüdischer Friedhof Weißensee


Der Jüdische Friedhof in Berlin-Weißensee ist der größte jüdische Friedhof Europas. Viele berühmte Ärzte, Schriftsteller, Wissenschaftler sind hier begraben. Auf dem Gelände befinden sich mehrere Gedenksteine, die an die Opfer des Holocausts erinnern.

Geschichte

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wuchs die Jüdische Gemeinde von Berlin kontinuierlich, so dass sie bald einen neuen, größeren Friedhof benötigte. Sie erwarb ein über vierzig Hektar großes Grundstück in Weißensee, damals außerhalb der Stadt, nordöstlich von Berlin gelegen. Ab 1880 konnten Berliner Juden ihre Angehörigen auch hier bestatten lassen. Die Gräber des Friedhofs spiegeln die soziale Entwicklung Berlins zu dieser Zeit wider. Viele wohlhabende Berliner Juden bevorzugten prunkvolle Erb- und Familiengräber. Für jüdische Friedhöfe ungewöhnlich, orientierten sie sich ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert immer häufiger an den pompösen Grabgestaltungen der Wilhelminischen Ära. Die übliche Schlichtheit jüdischer Grabstätten findet sich dagegen in den Teilen des Friedhofs wieder, in dem die Angehörigen der Mittelschicht ihre Toten bestatteten. Um die hohe Zahl der Bestattungen bewältigen zu können wurde 1910 eine zweite Trauerhalle gebaut. Ab 1914 legte die Jüdische Gemeinde einen Ehrenhain für die im Ersten Weltkrieg gefallenen jüdischen Soldaten an.
Nach 1933 ließen sich viele junge Juden, die ihre Auswanderung nach Palästina planten, in der friedhofseigenen Gärtnerei zu Landwirten oder Gärtnern umschulen, um in ihrer neuen Heimat leichter Fuß fassen zu können. Einige Juden fanden auf dem riesigen, unübersichtlichen Areal aber auch Zuflucht vor den Zugriffen der Gestapo. Ein oft genutztes Versteck boten dabei die großangelegten Familiengruften.
1944 zerstörten Bomben hunderte Gräber und die zweite Trauerhalle. Dabei wurde ein Teil der darin versteckten 500 Thorarollen beschädigt. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges war der Friedhof neben einem Krankenhaus die einzige jüdische Einrichtung in Berlin, die noch offiziell im Betrieb war.

Opfergruppen

Mit Beginn der Deportationen aus Berlin stieg die Zahl von Juden, die den Freitod wählten, rapide an. Laut der Friedhofsstatistik wurden zwischen 1941 und 1945 etwa 1.900 Menschen, die Selbstmord begingen, in Weißensee bestattet.
Auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee befindet sich das Grab des jüdisch-kommunistischen Widerstandskämpfers Herbert Baum. Er wurde 1942 von der Gestapo gefasst und schwer misshandelt. Die genauen Umstände seines Todes sind bis heute ungeklärt. In der Folgezeit verhaftete und ermordete die Gestapo 27 weitere Mitglieder der Herbert-Baum-Gruppe.

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Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Die Friedhofsanlage mit der Trauerhalle im Eingangsbereich im Stil der Neorenaissance wurde vom Architekten Hugo Licht entworfen. Das Besondere an der Anlage ist die streng geometrische Aufteilung in einzelne Felder in Form von Rechtecken, Trapezen und Dreiecken.
Der erste öffentliche jüdische Gottesdienst in Berlin nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges fand am 11. Mai 1945 hier statt. In den 1980er Jahren wurde der Friedhof zum nationalen Kulturdenkmal der DDR erklärt. Erst ab dieser Zeit wurden Anstrengungen unternommen, um den voranschreitenden Verfall des Friedhofs aufzuhalten.
In der Nähe des Eingangs steht ein Gedenkstein für die im Holocaust ermordeten Juden. Auf Steinen, die kreisförmig um das Denkmal angeordnet wurden, befinden sich die Namen der großen Konzentrationslager. Am Grab von Herbert Baum wird wiederum an die ermordeten Mitglieder seiner Widerstandsgruppe erinnert. Ein ehemaliges Urnenfeld ließ die Jüdische Gemeinde wiederherstellen und darin 1992 die Asche von in verschiedenen Konzentrationslagern ermordeten Juden bestatten. In einem weiteren Grab befinden sich die bei dem Bombenangriff beschädigten Thorarollen, die nach jüdischem Ritus bestattet wurden.
Das Friedhofsarchiv, das zahlreiche Dokumente von unschätzbarem Wert aufbewahrt, hat die Zeit des Nationalsozialismus unbeschadet überstanden. Es wird heute von der Stiftung »Neue Synagoge - Centrum Judaicum« verwaltet.
Derzeit versucht das Land Berlin zusammen mit der Jüdischen Gemeinde eine Aufnahme des Friedhofs in die UNESCO-Welterbeliste zu erreichen.

Öffnungszeiten

April bis September sonntags bis donnerstags 08.00 bis 17.00, freitags 08.00 bis 15.00
Oktober bis März sonntags bis donnerstags 08.00 bis 16.00, freitags 08.00 bis 15.00

Kontakt

http://www.jewish-cemetery-weissensee.org

info@jewish-cemetery-weissensee.org

+49(0) 30 925 3330

Herbert-Baum-Straße 45/Markus-Reich-Platz 1
13088 Berlin