In der kleinen Stadt Diakowar (kroatisch: Đakovo) sind 569 Opfer der Ustascha, größtenteils Frauen und Kinder, auf einem Lagerfriedhof bestattet. Von 1941 bis 1942 wurden mehrere tausend Frauen und Kinder von Angehörigen der Ustascha im Lager Diakowar gefangen gehalten und anschließend deportiert.
Geschichte
Die kleine Stadt Diakowar (kroatisch: Đakovo) liegt im Norden Kroatiens, in der historischen Region Slawonien. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen und ihrer Verbündeten im Frühjahr 1941 in Jugoslawien, teilten die Besatzer das Land auf: Auf dem Gebiet der heutigen Staaten Kroatien und Bosnien-Herzegowina rief die faschistische Ustascha-Bewegung (kroatisch: Ustaša) den Unabhängigen Staat Kroatien aus (USK, kroatisch: Nezavisna Država Hrvatska). Bald errichtete die Ustascha im ganzen Land Lager, wo sie vor allem Serben, Juden und Roma gefangen hielt. Viele dieser Häftlinge wurden später ermordet.
In Diakowar ließ die Ustascha im Dezember 1941 ein Lager für Frauen und Kinder auf dem Gelände einer Mühle errichten: Die jüdische Gemeinde von Esseg (kroatisch: Osijek) musste sich um die Lagergebäude kümmern und war auch für die Leitung und Versorgung des Lagers zuständig. Bis zum März 1942 blieb die Situation der Frauen erträglich: Einige durften das Lager verlassen, um Verwandte zu besuchen oder Besorgungen zu machen. Es gab ausreichend Nahrungsmittel. Im März 1942 beschloss die Ustascha jedoch, mehr als 1.100 typhuskranke Frauen aus dem Lager Stara Gradiška nach Diakowar zu deportieren. Im gleichen Monat übernahm die Ustascha die Leitung des Lagers. Krankheiten breiteten sich rasend schnell aus, während die Zahl der inhaftierten Frauen auf etwa 3.000 anstieg. Angehörige der Ustascha-Wachmannschaften folterten und misshandelten die Frauen. Ab Mitte Juni wurde das Lager wegen der vielen Kranken aufgelöst. Die etwa 3.000 Frauen und Kinder wurden in das Vernichtungslager Jasenovac verschleppt.
Opfergruppen
Im Lager Diakowar hielt die Ustascha vor allem jüdische Frauen und Kinder gefangen. Wie viele Menschen das Lager durchliefen ist nicht bekannt. Etwa 3.000 Frauen und Kinder deportierte die Ustascha nach Auflösung des Lagers in das Vernichtungslager Jasenovac. Ihr weiteres Schicksal ist nicht bekannt – sie wurden wahrscheinlich ermordet. Auch in Diakowar gab es Todesopfer: Die Namen von 569 Frauen und Kindern, die an Hunger, Krankheiten und Misshandlungen starben sind bekannt. Sie wurden vor Ort bestattet. Die tatsächliche Zahl der Opfer in Diakowar könnte allerdings noch höher liegen.
Erfahre mehr über
Kroatien
Nach dem Ersten Weltkrieg war Kroatien Bestandteil des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen, das 1929 von König Alexander I. (1888–1934) in eine – meist von serbischen Offizieren gestützte – Diktatur umgewandelt wurde und den Namen Jugoslawien erhielt. Der kroatische Nationalist Ante Pavelić (1889–1959) verließ das Land und bekämpfte die Königsdiktatur mit seiner terroristischen Untergrundorganisation »Ustascha« vom faschistischen Italien aus. Im April 1941 wurde Jugoslawien von deutschen Truppen und ihren italienischen, ungarischen und bulgarischen Verbündeten erobert und der Staat in einzelne annektierte, besetzte und scheinsouveräne Gebiete zerschlagen. Auf diese Weise entstand der »Unabhängige Staat Kroatien«, der tatsächlich ein vom Deutschen Reich abhängiger Staat unter dem Terrorregime der kroatischen Ustascha mit ihrem »Poglavnik« (Führer) Pavelić war. Deren Verfolgungs- und Vernichtungspolitik richtete sich gegen die große serbische Minderheit, gegen Juden, Roma sowie religiöse und weltanschauliche Systemgegner. Im Sommer 1941 errichteten die Machthaber in Jasenovac das größte Konzentrationslager auf dem Balkan. Mehr als 80.000 Personen kamen hier gewaltsam zu Tode, unter ihnen waren etwa 48.000 Serben, 13.000 Juden, 16.000 Roma und mehr als 4.000 Kroaten.
Ebenfalls im Sommer 1941 begann der bewaffnete Kampf der kommunistischen Partisanen unter Führung von Marschall Josip Broz Tito (1892–1980). Bereits 1942/43 brachten Titos Truppen einen großen Teil Kroatiens unter ihre Kontrolle und nahmen 1944/45 ganz Jugoslawien ein. Pavelić floh, Tito wurde Staatschef und ließ Zehntausende früherer Gegner und Zivilisten – darunter viele aus Kroatien – verfolgen und ermorden.
Bis zum Zerfall Jugoslawiens 1991 gab es in der Kroatischen Teilrepublik ca. 6.000 sehr unterschiedliche Gedenkorte, die die Erinnerung an die »Opfer des Faschismus« und an den Widerstandskampf wachhalten sollten. Gemeint waren Opfer des Terrors der kroatischen Ustascha, der deutschen und italienischen Besatzung, aber auch der königstreuen serbischen Milizen (Tschetniks), derer verallgemeinert als »Patrioten« gedacht wurde. Alle Opfer, so die staatliche Lesart, waren von »verräterischen Faschisten« verfolgt und umgebracht worden. Gleichzeitig wurde an die gefallenen oder ermordeten Widerstandskämpfer, zumeist führende Partisanen sowie Mitglieder der Kommunistischen Parteien Kroatiens und Jugoslawiens, erinnert.
Nach der Erklärung der Unabhängigkeit im Sommer 1991 begann die serbisch dominierte Jugoslawische Volksarmee einen Krieg gegen Kroatien, der bis Ende 1995 andauerte. Dabei wurde auch die Gedenkstätte Jasenovac von Serben besetzt und stark beschädigt, das Museum geplündert. Nachdem der Ort wieder Teil Kroatiens geworden war, wollte Präsident Franjo Tudjman (1922–1999) hier eine Stätte des Gedenkens an alle kroatischen Opfer des Zweiten Weltkrieges und des Krieges 1991–1995 einrichten. Erst 2006 konnten eine Dauerausstellung zur Geschichte des Lagers und ein Bildungszentrum eröffnet werden. Der Umgang mit der Weltkriegsvergangenheit in Kroatien ist seit 1991 gespalten. Bis zum Jahr 2000 wurden mehr als 3.000 Gedenkorte, auch Gräber, beschädigt und auf unterschiedliche Art und Weise aus der Öffentlichkeit entfernt. In anderen Landesteilen wird das Erbe des »antifaschistischen Volksbefreiungskampfes« gepflegt.
Die wichtigste Gedenkstätte des Landes ist nach wie vor Jasenovac, wo es jahrzehntelang Kontroversen um die genaue Zahl und ethnische Zusammensetzung der Opfer gab. Mittlerweile haben sich führende Politiker des Landes am historischen Ort zur Verantwortung Kroatiens an den Verbrechen der Ustascha bekannt.
2022 wurde in Zagreb ein Holocaustdenkmal eingeweiht, das vor allem an die aus der Hauptstadt deportierten Juden erinnert.
Erinnerung
Die sterblichen Überreste der Opfer des Lagers Diakowar sind auf dem jüdischen Friedhof der Stadt bestattet. Sie wurden bereits 1942 in einzelnen Gräbern beerdigt. Jedes der 569 Gräber trägt ein Metallschild mit dem Namen des Toten.
1952 errichtete die jüdische Gemeinde ein Denkmal für die Opfer des Lagers in der Aussegnungshalle am Friedhof. Dieser Raum ist heute verschlossen. Eine 1961 auf dem ehemaligen Lagergelände errichtete Gedenkplatte wurde 1990 entfernt. Sie wurde später wieder aufgestellt.
Öffnungszeiten
Der Friedhof ist von 8:00 bis 18:00 Uhr geöffnet. Die Gedenktafel ist jederzeit zugänglich.