Memorium Nürnberger Prozesse

Memorium Nürnberger Prozesse


Vom 20. November 1945 bis zum 1. Oktober 1946 mussten sich führende Vertreter des nationalsozialistischen Regimes im Schwurgerichtssaal 600 des Nürnberger Justizpalastes vor dem Internationalen Militärgerichtshof verantworten. Das »Memorium Nürnberger Prozesse« informiert am historischen Ort über das Gerichtsverfahren, erweitert den Fokus aber auch auf die 1946-49 durchgeführten »Nürnberger Nachfolgeprozesse« und deren Auswirkungen auf die Entwicklung des Völkerstrafrechts.

Geschichte

Anfang August 1945 errichteten die Alliierten einen Internationalen Militärgerichtshof zur Verurteilung von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verbrechen gegen den Frieden. Der Militärgerichtshof sollte zunächst in Berlin tagen, wurde aber auf Drängen der USA in deren Besatzungszone nach Nürnberg verlegt. Die Nürnberger Prozesse gelten als wichtigster Teil des alliierten Bestrafungsprogramms gegen führende Vertreter des NS-Regimes. Sie fanden vom 20. November 1945 bis zum 14. April 1949 statt und umfassten den Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher sowie mehrere sogenannte Nürnberger Nachfolgeprozesse.

Nach fast einjähriger Verhandlungsdauer wurden am 30. September und 1. Oktober 1946 die Urteile gegen 22 Angeklagte im Hauptkriegsverbrecherprozess verkündet: Zwölf Angeklagte wurden zum Tode verurteilt, sieben erhielten langjährige oder lebenslange Haftstrafen, drei wurden freigesprochen. Zehn der zwölf Todesurteile wurden am 16. Oktober vollstreckt. Unter den zum Tode Verurteilten befanden sich der ehemalige Außenminister Joachim von Ribbentrop und der NS-Chefideologe Alfred Rosenberg. Hermann Göring entzog sich dem Urteil durch Selbstmord.

Bis 1949 fanden in Nürnberg vor amerikanischen Militärgerichten zwölf weitere Prozesse gegen deutsche Ärzte, Juristen, Industrielle, SS- und Polizeiführer, Militärs, Minister, Beamte und Diplomaten statt. Bei 185 Anklagen wurden 177 Urteile gefällt, davon 142 Haftstrafen oder Todesurteile. Vier Personen begingen Selbstmord, vier wurden wegen Krankheit für verhandlungsunfähig erklärt. Neben den Nürnberger Prozessen fanden in allen vier Besatzungszonen weitere Prozesse gegen Kriegsverbrecher statt.

Opfergruppen

Die Terrorherrschaft des Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg brachten Leid und Zerstörung über Europa und die Welt. Die Nationalsozialisten begingen unzählige Kriegsverbrechen und ermordeten sechs Millionen Juden sowie Hunderttausende Sinti und Roma. Auch andere gesellschaftliche Gruppen wurden Opfer von Verfolgung und Ermordung, darunter Menschen mit Behinderung, Homosexuelle, Zeugen Jehovas und politisch Oppositionelle. Über 50 Millionen Menschen – Soldaten wie Zivilisten – verloren während des Zweiten Weltkriegs durch Kriegshandlungen und deren Folgen ihr Leben.

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Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Die Nürnberger Prozesse nehmen nicht nur eine herausragende Stellung in der Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Nationalsozialismus ein, sondern markieren auch einen Meilenstein in der internationalen Rechtsprechung. Die Tatsache, dass erstmals der Straftatbestand des »Verbrechens gegen die Menschlichkeit« vor einem internationalen Gericht verhandelt wurde, hat die völkerstrafrechtliche Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen in den folgenden Jahrzehnten maßgeblich beeinflusst. 1948 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte sowie eine Konvention über die Verhütung und Bestrafung von Völkermord.

Der Justizpalast beherbergt heute das Oberlandesgericht Nürnberg, das Landgericht Nürnberg-Fürth, das Amtsgericht Nürnberg und die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth. Im Mai 2000 boten die Museen der Stadt Nürnberg erstmals an den Wochenenden öffentliche Führungen durch den historischen Saal 600 an. Diese erfreuten sich von Jahr zu Jahr steigender Besucherzahlen. Insbesondere im Zusammenhang mit den zahlreichen Veranstaltungen zum 60. Jahrestag des Prozessbeginns wurde deutlich, wie stark der Saal 600 als Ort der Rechtsprechung über unermessliches Unrecht im internationalen kulturellen Gedächtnis verankert ist.

Im Oktober 2005 stellte das Kuratorium des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände das Projekt »Memorium Nürnberger Prozesse« erstmals der Öffentlichkeit vor. Im Dezember 2008 wurde der gesamte Ostbau des Nürnberger Justizpalastes geräumt, im Januar 2009 begannen die ersten Abbrucharbeiten. Im März begannen die Bauarbeiten für das Memorium. Anschließend erfolgte der Aufbau der Ausstellung, die am 21. November 2010 im Rahmen eines Festaktes mit nationaler und internationaler politischer Beteiligung eröffnet wurde.

Angebote

Dauerausstellung und Wechselausstellungen, öffentliche Führungen, Bildungsangebote für Schulklassen und Gruppen, regelmäßige Veranstaltungen, Publikationen, digitale Angebote

Öffnungszeiten

Montag und Mittwoch bis Freitag 9.00 bis 18.00
Samstag und Sonntag 10.00 bis 18.00
Dienstag geschlossen

Kontakt

https://museen.nuernberg.de/memorium-nuernberger-prozesse

memorium@stadt.nuernberg.de

+49 (0)911 231 - 28 614

Bärenschanzstraße 72
90429 Nürnberg