Internierungslager Le Vernet

Camp du Vernet


In der okzitanischen Gemeinde Le Vernet (Ariège) erinnert eine kleine Gedenkstätte an das Internierungslager, das dort zwischen 1939 und 1944 bestand und in dem die französischen Behörden der Regierung Vichy politische Gegner und Juden unter erbärmlichen Bedingungen gefangen hielten. Hunderte Juden wurden aus Le Vernet in deutsche Konzentrationslager deportiert.

Geschichte

Le Vernet ist eine kleine Gemeinde etwa 40 km südlich von Toulouse in der Region Okzitanien. Hier richtete die Armee 1918 ein Lager für Soldaten aus dem Senegal ein. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde es für kurze Zeit als Lager für Kriegsgefangene aus Deutschland und Österreich-Ungarn genutzt.
Als im spanischen Bürgerkrieg die Republikaner immer mehr in die Defensive gerieten, flüchteten Tausende Kämpfer über die Pyrenäen nach Frankreich, darunter viele Mitglieder der sogenannten internationalen Brigaden. Die französische Regierung hielt die Flüchtlinge in Internierungslagern fest, vor allem, weil sie ein Erstarken der Linken im Land befürchtete. Eines der größten dieser Lager wurde im Februar 1939 in Le Vernet eingerichtet.
Ab September 1939 befand sich Frankreich im Krieg mit Deutschland. Die Regierung ließ »unerwünschte« Ausländer und als »verdächtig« eingestufte Franzosen verhaften und in Lager bringen, so auch nach Le Vernet. Darunter waren viele Kommunisten und Linke, aber auch Rechtsradikale sowie hunderte ausländische Juden. Im Februar 1940 hatte das Lager 2.000 Insassen, darunter 800 Juden.
Nach der Kapitulation Frankreichs im Sommer 1940 verdoppelte sich die Zahl der Häftlinge. Unter den neuen Häftlingen waren auch viele deutsche Kommunisten. Das Lager befand sich im nicht besetzten Teil Frankreichs und wurde von den Behörden der Kollaborationsregierung in Vichy verwaltet. Die Bedingungen im überfüllten Lager waren katastrophal. Die Häftlinge, die sinnlose und oft erniedrigende Arbeiten erledigen mussten, litten an Hunger, Gewalt und Kälte.
Von September 1942 bis Mai 1944 wurden Juden aus Le Vernet nach Dachau und Auschwitz deportiert. Auch jüdische Frauen und Kinder aus der Region wurden durch das Lager geschleust. Am 15. Juni 1944 übernahmen die Deutschen das Lager und lösten es auf. Am 30. Juni 1944 wurden die letzten 400 Häftlinge in einen Zug gepfercht und in Richtung Dachau geschickt, wo er erst am 28. August mit nur noch 291 Personen an Bord ankam.

Opfergruppen

Insgesamt etwa 40.000 Personen aus mehr als 50 Ländern durchliefen das Lager zwischen Februar 1939 und Juni 1944. Unter den Häftlingen waren zahlreiche bekannte Kommunisten, Antifaschisten und Künstler, wie etwa der deutsche Kommunist Friedrich Wolf (1888–1953), der Schriftsteller Arthur Koestler (1905–1983) oder der später in seiner Heimat nach einem stalinistischen Schauprozess hingerichtete ungarische Kommunist László Rajk (1909–1949).
Zwischen Sommer 1942 und dem Mai 1944 wurden insgesamt 1.200 jüdische Kinder, Frauen und Männer von Le Vernet aus in die Konzentrationslager Dachau und Auschwitz deportiert. Unter den Deportierten waren nicht nur politische Häftlinge, sondern auch Juden aus der Region, die vor ihrer Deportation in Le Vernet gesammelt wurden.

Erfahre mehr über Frankreich

Frankreich geriet nach der Niederlage seiner Armee im Juni 1940 unter deutschen Einfluss. Der Norden fiel unter deutsche Militärverwaltung, der Süden blieb zunächst unbesetzt. Im südfranzösischen Kurort Vichy wurde eine von Deutschland abhängige Regierung gebildet. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs lebten etwa 300.000 Juden in Frankreich. Ihre genaue Zahl ist nicht bekannt, da die Religionszugehörigkeit in Frankreich nicht registriert wurde. Ende 1940 wurden im Norden die ersten antijüdischen Verordnungen erlassen. Der Politik der Zwangsregistrierung, Ausgrenzung und Beraubung folgten systematische Festnahmen durch die französische Gendarmerie. Vor allem Juden ohne französischen Pass gerieten ins Visier des deutschen SS- und Polizeiapparates sowie der einheimischen Behörden. Mit dem Anwachsen des französischen Widerstandes ging der deutsche Militärbefehlshaber General Otto von Stülpnagel (1878–1948) dazu über, als Abschreckung Unbeteiligte erschießen und insbesondere Juden festnehmen zu lassen. Diese Verhafteten gehörten zu den ersten, die ab März 1942 in die Vernichtungslager im besetzten Polen verschleppt wurden. Etwa 75.000 Menschen wurden in über siebzig Transporten verschleppt und ermordet. Die Mehrzahl der französischen Juden überlebte, zumeist in Verstecken im südlichen Landesteil. Krieg und Verfolgung fielen in Frankreich etwa 600.000 Menschen zum Opfer, unter ihnen 270.000 Zivilisten. Während andere Opfergruppen bis heute wenig differenziert behandelt werden, hat sich seit Ende der 1980er Jahre die Forschung zu Patienten, die in Heimen und Kliniken zu Tode kamen, verstärkt. Heute wird von bis zu 50.000 Opfern ausgegangen. In beiden Landesteilen hatte es während der Besetzung Verfolgung, Kollaboration und Widerstand gegeben. Insbesondere die Erinnerung an den Kampf der »Résistance« als Ausdruck französischer Vaterlandsliebe und das Leid der »Deportation« boten nach dem Krieg die Möglichkeit, Gegensätze zwischen Konservativen (Gaullisten) und nach Moskau ausgerichteten Kommunisten zu überbrücken. Dem entsprechen die Widmungen zahlreicher Museen und Gedenkstätten – wie das »Mémorial des Martyrs de la Déportation« (Denkmal für die Märtyrer der Deportation) in Paris aus dem Jahr 1956 und das 2005 in der KZ-Gedenkstätte Natzweiler eröffnete »Centre Européen du Résistant Déporté« (Europäisches Zentrum des deportierten Widerstandskämpfers). Ab Anfang der 1990er Jahre entstanden Einrichtungen wie das Maison d’Izieu (Haus von Izieu) bei Lyon, wo an 44 verschleppte jüdische Kinder erinnert wird, die Nationale Gedenkstätte im ehemaligen Lager Gurs sowie ein Erinnerungszentrum in Oradour sur Glane – einer Ortschaft, die die SS 1944 zerstört hatte. Die zentrale Gedenkstätte für die Opfer des Holocaust ist die 2005 eröffnete »Mémorial de la Shoah« im Zentrum der Hauptstadt. Mittlerweile haben mehrere französische Staatspräsidenten die Mitverantwortung des Landes für den Holocaust in Frankreich anerkannt. Die 1988 eröffnete und 2002 erweiterte Gedenkstätte in Caen, die an die Landung der Westalliierten in der Normandie 1944 erinnert, ist die meistbesuchte Gedenkstätte außerhalb von Paris. Hier finden die jährlichen nationalen Gedenkfeiern an den Sieg über das nationalsozialistische Deutschland statt. Zudem gibt es zahlreiche regionale Museen, in denen die Auseinandersetzung mit Verfolgung, Widerstand und Deportation im Mittelpunkt steht.

Erinnerung

Nach dem Krieg erinnerte lange Zeit nur wenig an das ehemalige Internierungslager, das auf Französisch offiziell Konzentrationslager (»camp de concentration«) hieß. Von den Gebäuden blieben nur wenige Reste übrig, darunter die beiden Tragesäulen des ehemaligen Lagertors. Der Lagerfriedhof blieb erhalten, genauso wie der ehemalige Bahnhof des Lagers. In der Gemeinde Le Vernet wurde ein kleines Museum über die Geschichte des Lagers eingerichtet.
1973 gründeten ehemalige Häftlinge einen Verein (»Amicale«), um die Erinnerung an das Lager aufrechtzuerhalten. Der Verein ist bis heute aktiv und organisiert unter anderem eine jährliche Gedenkveranstaltung am 1. November. 1996 kaufte der Verein einen Güterwaggon desselben Typs, in dem die Häftlinge in deutsche Konzentrationslager deportiert worden waren. Dieser Waggon steht neben dem ehemaligen Bahnhof.
Der Schriftsteller Arthur Koestler beschrieb seine Haftzeit in Le Vernet in seinem Buch »Abschaum der Erde« (englisch: Scum of the Earth«), das zuerst 1941 in England erschien.

Angebote

Ausstellung, jährliche Gedenkveranstaltung am 1. November

Öffnungszeiten

Das ehemalige Lagergelände, die Installation des Waggons und der Lagerfriedhof sind jederzeit zugänglich. Das Museum ist nur auf Anfrage im Gemeinderathaus zugänglich.

Kontakt

http://www.campduvernet.eu/

amicale@campduvernet.eu