In Charleroi erinnern in der jüdischen Parzelle des Friedhofs im Stadtteil Marcinelle zwei Denkmale an die Juden, die im Holocaust ermordet wurden.
Geschichte
Charleroi ist die größte Stadt der wallonischen Region und liegt mitten im »Pays Noir« (deutsch: Schwarzes Land), dem belgischen Kohlenbecken. Vor dem zweiten Weltkrieg lebten dort etwa 600 jüdische Familien, wobei Charleroi die Heimat der viertgrößten jüdischen Gemeinde des Landes - nach Brüssel, Antwerpen und Lüttich – war. Die Mehrheit von ihnen kam nach dem Ersten Weltkrieg aus Osteuropa. Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht sorgten in Charleroi, wie überall in Belgien, die immer zahlreicheren Erlasse der deutschen Militärverwaltung dafür, dass die Juden unterdrückt und aus der Gesellschaft ausgegrenzt wurden. Vom Oktober 1940 bis zum September 1943 gaben die Besatzer achtzehn antijüdische Erlasse heraus, mit dem Ziel, die Juden aus dem öffentlichen Leben auszuschließen, sie zu enteignen und ihre spätere Deportation und Vernichtung vorzubereiten.
Charleroi war eine von vier Städten, in denen Juden während der Besatzung wohnen durften. Ab August 1942 deportierte die SS belgische Juden aus dem Sammellager Mechelen in Richtung Auschwitz und andere Konzentrationslager im Osten. Insgesamt wurden 446 Juden aus der Region von Charleroi Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik. Nur noch etwa 40 Juden leben heute in Charleroi.
Opfergruppen
Vermutlich 446 Juden aus der Region Charleroi wurden im Holocaust ermordet.
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Belgien
Das neutrale Belgien wurde im Mai 1940 angegriffen und stand fortan unter deutscher Militärverwaltung. Das deutschsprachige Gebiet um Eupen-Malmedy im Osten Belgiens wurde Teil des Deutschen Reiches. Damals lebten etwa 90.000 Juden im Land, darunter viele Flüchtlinge. Im Oktober 1940 wurden die ersten antijüdischen Verordnungen erlassen. Die Verfolgungs- und Beraubungspolitik der Besatzungsmacht mündete 1942 in die Vorbereitung systematischer Deportationen. Nachdem nur wenige Juden den Aufrufen zu angeblichen Zwangsarbeitseinsätzen folgten, führte der SS- und Polizeiapparat Razzien durch. Nach einem Aufenthalt im Zwischenlager Mechelen wurden die Verhafteten in das Vernichtungslager Auschwitz verschleppt und dort sofort ermordet. Insgesamt fielen etwa 25.000 Juden und mehr als 350 Roma aus Belgien den Deportationen zum Opfer.
Die Festung Breendonk bei Antwerpen diente ab September 1940 als Gefängnis, Auffang- und Durchgangslager, von wo vor allem politische Gegner der nationalsozialistischen Besatzer in deutsche Konzentrationslager transportiert wurden. Ende 1944 kam es im Rahmen der Ardennenoffensive im Südosten des Landes – in Lüttich und der Gegend um Malmedy – zu weitreichenden Zerstörungen mit zahlreichen zivilen Opfern, als deutsche Truppen erfolglos versuchten, die bereits bis Aachen vorgerückten Alliierten aufzuhalten. Etwa 90.000 Belgier wurden Opfer von Krieg und Besatzung. Die Mehrzahl der jüdischen Bevölkerung konnte dank der Hilfe nichtjüdischer Belgier überleben.
Die belgische Gedenkkultur war und ist – entsprechend der politischen Struktur des Landes – mehrfach gespalten: Im französischsprachigen, wallonischen Landesteil ging lange eine verbreitete Überbewertung des Widerstandes mit der einseitigen Wahrnehmung Flanderns als »schwarz«. Dort wiederum beschönigten viele die Zusammenarbeit mit den deutschen Besatzern als Kampf für die vom belgischen Staat verfolgte flämische Nation.
Die Verfolgung der Juden wurde verdrängt, ein Gedenken lediglich von der jüdischen Gemeinschaft aufrechterhalten. Seit den 1980er Jahren setzten sich an belgischen Gedenkorten jene Darstellungen durch, die nicht nur die flämische, sondern auch die wallonische Kollaboration zeigten und sowohl Widerstand als auch Unterdrückung zum Thema machten. Bei der Eröffnung des jüdischen Deportations- und Widerstandsmuseums im flandrischen Mechelen im Jahr 1995 wurde deutlich, dass die von jüdischen und nichtjüdischen Belgiern geteilte Lagererfahrung eine Brücke zwischen den unterschiedlichen Erinnerungen schafft. Die gleichberechtigte Existenz verschiedener Gedenkstätten wie zum Beispiel der Stätte des nationalen Widerstands in Breendonk und des Museums in Mechelen scheint inzwischen selbstverständlich zu sein.
Erinnerung
In der jüdischen Parzelle des Friedhofes Marcinelle in Charleroi befinden sich zwei Denkmale. Das erste entstand auf Initiative der israelitischen Gemeinde von Charleroi und der »Union des déportés et résistants juifs de Charleroi« (deutsch: Verein der jüdischen Deportierten und Widerstandskämpfer von Charleroi) und wurde am 19. April 1964 enthüllt. Es erinnert an die 446 Juden aus der Region Charleroi, die in Konzentrationslager im Osten verschleppt und dort ermordet wurden. Das zweite Denkmal wurde 1993 aufgestellt und ist allen sechs Millionen Opfern des Holocausts gewidmet.