Seit 2004 erinnert ein Denkmal im Hof der Synagoge an die Opfer des Holocaust aus Groß-Kanizsa und Umgebung.
Groß-Kanizsa (ungarisch: Nagykanizsa) liegt im Südwesten Ungarns in der Nähe der kroatischen und der slowenischen Grenze. Dank der toleranten Einstellung der in der Region einflussreichen Familie Batthyány lebten Juden seit dem frühen 18. Jahrhundert in der Stadt. Seit 1776 hatte die Gemeinde einen eigenen Rabbi, 1821 wurde die klassizistische Synagoge eingeweiht. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts hatte Groß-Kanizsa die größte jüdische Gemeinde im Komitat Zala, 1920 hatte sie sogar 3.360 Mitglieder. In der Zwischenkriegszeit gingen jedoch viele Juden aus der Stadt fort, die nun viel von ihrer einstigen Bedeutung einbüßte: Die neue Grenze zu Jugoslawien befand sich in unmittelbarer Nähe, so dass die Stadt ihr wirtschaftliches Hinterland verlor. 1941 lebten nur noch 2.091 Juden in der Stadt, etwa 6 Prozent der Gesamtbevölkerung. Im selben Jahr berief die Armee viele jüdische Männer zum Arbeitsdienst: Ein großer Teil von ihnen kam an die Ostfront, während ein kleinerer Teil in die Kupferberge bei der serbischen Stadt Bor verschleppt wurde.
Nach der Besetzung Ungarns durch die deutsche Wehrmacht im März 1944 ging die Ghettoisierung und Deportation der Juden in Groß-Kanizsa noch schneller voran als anderswo in Ungarn. Als Vorwand für den schnellen Abtransport der Juden diente, dass die Stadt wegen ihrer Grenznähe zum Militärgebiet erklärt worden war. Am 26. April mussten die Juden aus Groß-Kanizsa und Umgebung in Ghettos umziehen; eines davon wurde in der Synagoge und den umliegenden Gebäuden eingerichtet. Die Ghettoisierung wickelten ungarische Sicherheitskräfte ab. Bereits zwei Tage später, am 28. April 1944, fuhr aus Groß-Kanizsa ein Deportationszug mit jüdischen Männern im Alter zwischen 16 und 60 nach Auschwitz. Dies war die erste Deportation von Juden aus dem ungarischen Kernland überhaupt. Beim zweiten Transport am 18. Mai 1944 wurden alle anderen, noch in den Ghettos lebenden Juden nach Auschwitz verschleppt. Der Zug war sechs Tage dorthin unterwegs.
Es ist nicht mehr genau festzustellen, wie viele Juden aus Groß-Kanizsa deportiert wurden. Historiker gehen von etwa 2.000 aus, andere Quellen sprechen von 3.000 Deportierten, von denen 2.700 nicht zurückgekehrt seien. Die genaue Zahl der Ermordeten ist damit ebenfalls unklar.
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Nach dem Krieg gründete sich die jüdische Gemeinde neu, 1949 hatte sie fast 300 Mitglieder. Sie wählte einen Rabbi und gründete ein Altersheim, das betagte Juden aus dem ganzen Land anzog. Unter der kommunistischen Diktatur zogen viele Juden jedoch wieder fort, so dass die Gemeinde heute nur noch eine Handvoll aktive Mitglieder hat.
Die Synagoge hat den Krieg überstanden. An ihrer Mauer wurde bereits 1946 eine Tafel angebracht mit der Inschrift: »Hier wurden vom 26. bis 28. April 1944 3.000 jüdische Einwohner Groß-Kanizsas und Umgebung eingesammelt, um sie nach Deutschland zu verschleppen und zu ermorden. Von den 3.000 kamen 2.700 um.« 1960 entstand ein weiteres Gedenkzeichen: Auf dem jüdischen Friedhof wurde eine Urne mit Asche aus Auschwitz aufgestellt.
Sechzig Jahre nach den Deportationen, im Sommer 2004, weihte die jüdische Gemeinde ein Holocaustdenkmal vor dem Gebäude der inzwischen stark baufällig gewordenen Synagoge ein. Da sich die Synagoge auf einem Innenhof zwischen mehreren Gebäuden befindet, ist auch das Denkmal nur zugänglich, wenn der Hof zur Synagoge aufgeschlossen wird. Das von den Bildhauern Sándor Rétfalvi und István Fáskerti gestaltete Denkmal besteht aus einer Menora und einer sich dahinter befindenden Gedenkwand. An der Wand, durch die ein Bruch geht, sind die Namen aller namentlich bekannten Holocaustopfer der Region eingraviert. Die kleine jüdische Gemeinde organisiert regelmäßig Gedenkveranstaltungen. Bei diesen erscheinen nicht selten Gäste aus dem Ausland, die ihre Familienwurzeln in Groß-Kanizsa haben.
Lesen Sie dazu die Biografie eines jüdischen Jugendlichen aus Groß-Kanizsa auf unserer Jugendwebseite:
http://www.dubistanders.de/Sandor-Hoffmann
Innenhof der Synagoge: sonntags bis donnerstags von 14.00 bis 20.00
levaip@chello.hu
+36 (0)30 385 250-3