Erinnerung an die Vernichtungsstätte Bronnaja Gora

Место массовых убийств Бронная Гора / Месца масавых забойстваў Бронная Гара


In dem belarussischen Dorf Bronnaja Gora erinnern zwei Denkmäler an die etwa 50.000 Menschen, die hier 1942 ermordet wurden.

Geschichte

Das Dorf Bronnaja Gora (belarussisch: Bronnaja Hara, polnisch: Bronna Góra) etwa 120 km nordöstlich von Brest (deutsch auch: Brest-Litowsk) auf dem Weg nach Minsk gelegen, gehörte vor 1939 zu Polen. Im September 1939 wurde die Region aufgrund des Hitler-Stalin-Pakts der Sowjetunion angegliedert, bis sie nach dem deutschen Angriff im Juni 1941 innerhalb von wenigen Tagen von der Wehrmacht erobert wurde.
Nachdem deutsche Einheiten im Sommer 1941 bereits viele tausende Juden in der Region ermordet hatten, richteten die Besatzungsbehörden gegen Ende 1941 in vielen größeren Städten Ghettos ein, so auch in Brest. Im Frühjahr 1942 gingen sie dazu über, die Bewohner der Ghettos durch Massenerschießungen zu ermorden.
Vermutlich im Mai und Juni 1942 wurde in Bronnaja Gora eine Vernichtungsstätte in der Nähe der Eisenbahnlinie Brest–Minsk eingerichtet. Hunderte Zivilisten aus der Umgebung wurden zwangsverpflichtet, acht über 60 Meter lange, bis zu sechs Meter breite und etwa vier Meter tiefe Gruben auszuheben.
Zwischen Juni und November 1942 kamen in Bronnaja Gora regelmäßig Züge an, deren Insassen ermordet wurden. Genaue Daten über die Anzahl der Ermordeten und deren Herkunft sind nicht überliefert. Als gesichert gilt, dass viele Züge mit mehreren Tausend Opfern direkt aus Brest ankamen, so mindestens 15.000 Juden am 15./16. Oktober 1942. Andere Opfer stammten vermutlich aus Städten wie Pinsk oder dem nahegelegenen Bereza. In der überwiegenden Mehrzahl waren die Ermordeten Juden. Die Täter waren Angehörige der KdS-Dienststelle Brest, diverse Gendarmerie- und Polizeieinheiten sowie wahrscheinlich Kollaborateure anderer Nationalitäten.
Als sich die Niederlage im Krieg abzeichnete, gingen die Deutschen dazu über, ihre Spuren zu verwischen. Im März 1944 wurden etwa 100 Personen gezwungen, die Massengräber zu öffnen und die bereits stark verwesten Leichen zu verbrennen. Anschließend wurden diese Zwangsarbeiter ebenfalls ermordet und ihre Leichen verbrannt.

Opfergruppen

Da so gut wie keine Dokumente zur Vernichtungsstätte Bronnaja Gora überliefert sind, können Historiker die Anzahl der Opfer nur annähernd bestimmen. Aufgrund der Größe der Gruben und der nach Zeugenaussagen geschätzten Anzahl der Züge ist es wahrscheinlich, dass über 50.000 Kinder, Frauen und Männer in Bronnaja Gora ermordet wurden, in ihrer Mehrzahl Juden. Mindestens 15.000 von ihnen stammten aus dem Ghetto Brest, sie wurden am 15. und 16. Oktober 1942 ermordet. Ob auch Juden aus anderen Ländern oder auch andere Opfergruppen wie Kriegsgefangene, Partisanen oder politische Gefangene unter den Opfern waren, ist nicht geklärt.

Erfahre mehr über Belarus

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 und dem Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen kam der Nordosten des Landes zu Belarus als Teil der Sowjetunion. Im Sommer 1941 wurde dann ganz Belarus von deutschen Truppen erobert. Während der folgenden drei Jahre kam jeder vierte oder gar jeder dritte Einwohner gewaltsam ums Leben. Fast alle Städte des Landes wurden völlig zerstört. Wehrmacht oder SS brannten etwa 620 Dörfer, darunter Chatyn, systematisch samt ihren Einwohnern nieder. Malyj Trostenez, nahe der belarussichen Hauptstadt Minsk, war die größte Vernichtungsstätte auf dem Gebiet der besetzten Sowjetunion. Heute nimmt man an, dass mindestens 60.000 deutsche und einheimische Juden dort ermordet wurden. Für Minsk wird die Zahl der getöteten Juden auf bis zu 85.000 geschätzt, für das gesamte Gebiet auf 230.000. Belarus bildete von 1941 an mit über tausend aktiven Gruppen ein Hauptgebiet des sowjetischen Partisanenkampfes gegen die deutschen Besatzer. Ab Ende 1943 wurde das Land von der Roten Armee zurückerobert und galt im Sommer 1944 als vollständig von der deutschen Besatzung befreit. Das Land war weitestgehend verwüstet, das gesellschaftliche Gefüge erschüttert und die Menschen traumatisiert. Belarus gehörte ab 1944 wieder zur Sowjetunion. Ein großer Teil der 1939 einverleibten polnischen Gebiete blieben Teil des Landes. In der staatlichen Erinnerungs- und Denkmalkultur des Landes dominierten nach Kriegsende der Tag der Befreiung des Landes am 3. Juli 1944 und der Tag des Sieges am 9. Mai 1945 als Ende eines »heldenhaften« Kampfes im Großen Vaterländischen Krieg. Von zentraler Bedeutung war stets auch die Erinnerung an den Partisanenkrieg. Im sowjetischen Staatsverband verzichtete man auf eine eigenständige Nennung des Massenmords an den Juden. Daher stellt ein Obelisk in der Erschießungsgrube am ehemaligen Minsker Ghetto, der »Jama«, eine Besonderheit auf dem Gebiet der damaligen Sowjetunion dar. Er wurde bereits 1946 errichtet und blieb für Jahrzehnte das einzige Denkmal mit einer jiddischen Aufschrift und direkter Nennung der ermordeten Juden. Ungewöhnlich ist auch die Erinnerungsstätte in Chatyn, wo im März 1943 153 Menschen bei lebendigem Leib verbrannt worden waren. 1969 entstanden, zeichnet sie sich durch Schlichtheit aus und verzichtet auf die sonst übliche Monumentalität, es stehen die menschliche Dimension des Grauens und das Leid der Opfer im Vordergrund. Mit der Schaffung eines unabhängigen belarussischen Staates 1991 begann die Suche nach einer eigenen nationalen Identität. Hierbei spielen die Opferzahlen – insbesondere während des Zweiten Weltkrieges – eine entscheidende Rolle. Bewusst wird allerdings eine Unterscheidung zwischen dem Gebietstand vor und nach 1939 vermieden. Die Verbrechen der Stalinzeit, aber auch der Holocaust rückten ebenso in das Blickfeld, wurden aber aufgrund der vorhandenen Regierungsform nicht weitergehend öffentlich gemacht. Das staatliche Gedenken, das seinen Ausdruck auch im 2014 eröffneten, monumentalen Neubau des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges findet, bleibt vom Kampf in den Jahren 1941 bis 1944 geprägt. Zugleich hat jedoch der Verband der jüdischen Gemeinden in Belarus inzwischen eine Reihe von Denkmälern für die Opfer des Massenmordes errichten lassen. Seit Anfang der 1990er Jahre haben mehrere deutsche Städte Stelen im Gedenken an die dorthin deportierten und getöteten Juden in Minsk errichtet; das Berliner Erinnerungszeichen wurde – vom Land Berlin und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas finanziert – am 25. Juni 2009 feierlich eingeweiht. Auch eine würdige Gestaltung des Areals von Malyj Trostenez geht voran: seit 2015 erinnert eine Gedenkanlage an die Opfer. Ein zweiter Bauabschnitt wurde 2018 im Beisein der Staatspräsidenten Deutschlands, Österreichs und von Belarus eröffnet. An der Realisierung beteiligte sich auch die Bundesrepublik finanziell, wie auch an der Renovierung der Geschichtswerkstatt, die sich in einem historischen Gebäude auf dem Gebiet des ehemaligen Minsker Ghettos um die Dokumentation von Opferschicksalen kümmert.

Erinnerung

Die Rote Armee befreite das Gebiet um Bronnaja Gora im Sommer 1944. Bald darauf untersuchte eine sowjetische Sonderkommission die ehemalige Mordstätte. Sie befragte Anwohner und führte Ausgrabungen durch, bei der massenweise menschliche Überreste gefunden wurden.
Danach geriet die Vernichtungsstätte Bronnaja Gora in Vergessenheit. Obwohl es sich bei ihr um eine zentrale Mordstätte gehandelt hatte, wurden nach dem Krieg weder die Massengräber umzäunt noch ein Gedenkort geschaffen. Lediglich überlebende Juden aus Brest interessierten sich für den Ort und besuchten ihn gelegentlich.
Erst gegen Ende der 1980er Jahre fanden sich einige jüdische und nichtjüdische Aktivisten, die für die Errichtung eines Erinnerungszeichens eintraten. Sie wurden von Angehörigen aus Israel unterstützt, vor allem nach der Auflösung der Sowjetunion 1991.
Ein erster Gedenkstein wurde 1992 eingeweiht. Er befindet sich neben dem stillgelegten Nebengleis, bei dem sich die Massengräber befinden. Auf der Tafel ist von »50.000 von Hitler-Faschisten ermordeten Sowjetbürgern« die Rede. Um 2007 wurde dieser Gedenkstein um eine Tafel ergänzt, die erstmals ausdrücklich auf jüdische Opfer hinwies.
Etwa 100 Meter weiter wurde 1994 ein weiteres, größeres Denkmal eingeweiht. In fünf Meter Höhe ist eine Glocke zwischen Metallsäulen angebracht, die an Eisenbahnschienen erinnern. Die Inschrift der Gedenktafel in belarussischer, hebräischer, jiddischer und englischer Sprache lautet: »In Erinnerung an die 50.000 Bürger jüdischer Nationalität aus der Sowjetunion und Westeuropa, die in der Zeit des Holocaust während des Großen Vaterländischen Krieges 1941–1945 durch die Nazis ermordet wurden.«

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