Holocaust-Gedenkzentrum Budapest

Holokauszt Emlékközpont


Seit seiner Eröffnung 2004 ist das staatliche Holocaust-Gedenkzentrum die zentrale Holocaust-Gedenkstätte Ungarns.

Geschichte

In Ungarn, einem nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg traumatisierten Land, etablierte sich nach 1919 ein national-konservatives Regime mit Miklós Horthy an der Spitze. Obwohl das ungarische Judentum seit Jahrzehnten mehrheitlich sehr gut integriert war, nahm der Antisemitismus deutlich zu. Bereits 1920 wurde die Zahl jüdischer Studenten an den Hochschulen per Gesetz beschränkt.
In der Hoffnung, verlorene Gebiete wiederzugewinnen, lehnte sich Ungarn gegen Ende der 1930er Jahre immer stärker an das nationalsozialistische Deutschland an. Zwischen 1938 und 1941 wurden drei »Judengesetze« erlassen, die Juden nach und nach aus dem wirtschaftlichen und öffentlichen Leben ausgrenzten und sie schließlich nach rassischen Kriterien definierten.
1941 nahm Ungarn an den Angriffskriegen gegen Jugoslawien und die Sowjetunion teil. Die Armee berief jüdische Männer zum Arbeitsdienst ein, was Zwangsarbeit, Kennzeichnungspflicht und meistens Lebensgefahr bedeutete. Im Sommer 1941 trieben ungarische Behörden massenhaft Juden ohne ungarische Staatsbürgerschaft über die Karpaten in einen deutsch besetzten Teil der Ukraine, wo die SS 16.000 von ihnen bei Kamenez-Podolsk erschoss. Im Januar 1942 ermordeten ungarische Einheiten hunderte Juden bei einem Massaker in der Stadt Neusatz (serbisch: Novi Sad), die seit 1941 zu Ungarn gehörte. Die Mehrzahl der ungarischen Juden wog sich dennoch lange in Sicherheit, da sich die Regierung in Budapest trotz des Bündnisses weigerte, sie an Deutschland auszuliefern.
Am 19. März 1944 besetzte die deutsche Wehrmacht Ungarn. Innerhalb weniger Monate gelang es dem »Judenreferenten« des Reichssicherheitshauptamts, Adolf Eichmann, mit tatkräftiger Unterstützung der ungarischen Behörden die Juden in Ghettos zu sperren, zu berauben und schließlich deportieren zu lassen. Anfang Juli 1944 ließ Horthy zwar die Deportationen stoppen, aber auf Todesmärschen und im Budapester Ghetto ging das Morden bis zum Ende des Krieges weiter.

Opfergruppen

Etwa 490.000 Juden lebten vor dem Krieg in Ungarn, davon fast 250.000 in der Hauptstadt Budapest. Nach den Gebietszuwächsen der Jahre 1938-1941 stieg die Zahl der Juden auf 825.000 an.
Etwa 570.000 von ihnen kamen während des Holocaust um: Fast eine halbe Million ermordete die SS durch Giftgas im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, dem Zielort der Deportationen im Frühjahr und Sommer 1944. Zehntausende kamen als Arbeitsdienstleistende um, andere wurden gegen Ende des Krieges bei Todesmärschen oder im Budapester Ghetto willkürlich ermordet. Weitere Tausende starben an den Folgen der unmenschlichen Bedingungen im Budapester Ghetto während des Kriegswinters 1944/45.
Nimmt man Ungarn in den Grenzen von 1937 zur Grundlage, beträgt die Zahl der ermordeten Juden aus diesem Gebiet etwa 270.000.

Erfahre mehr über Ungarn

Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und dem Zerfall der Österreichisch-Ungarischen Doppelmonarchie musste Ungarn 1920 zwei Drittel seines Staatsgebietes und sechzig Prozent seiner Bevölkerung an seine Nachbarstaaten abtreten. Diese Verluste traumatisierten das Land und führten dazu, dass sich Ungarn unter seinem Staatschef Nikolaus von (Miklós) Horthy (1868–1957) ab 1937 allmählich dem nationalsozialistischen Deutschen Reich annäherte. Es gelang Ungarn in mehreren Schritten, sein Staatsgebiet zwischen 1938 und 1941 fast zu verdoppeln. Im März 1944 war das Land angesichts der vorrückenden Roten Armee kurz davor, sich von Deutschland abzuwenden und wurde deshalb von der Wehrmacht besetzt. Horthy blieb zunächst Staatsoberhaupt. Unter Mithilfe der ungarischen Verwaltung begann die SS beinahe sofort mit Deportationen von Juden in das Vernichtungslager Auschwitz, die Ungarn trotz antijüdischer Gesetze zuvor noch verweigert hatte. Von den etwa 825.000 Juden aus »Groß-Ungarn« wurden weit über eine halbe Million Menschen dort ermordet, allein bis zu 300.000 kamen aus den Regionen des heutigen Ungarn. Darüber hinaus fanden um die 140.000 Soldaten sowie etwa 170.000 nichtjüdische Zivilisten den Tod. Nach 1945 war Ungarn Teil der sowjetischen Einflusssphäre. Bis 1989 erinnerte das offizielle Ungarn nicht an den Krieg, sondern an sein Ende – als »Befreiung vom Faschismus«. Die Mehrheit der Bevölkerung dagegen empfand das Jahr 1945 als Beginn einer langen Unterdrückung. Der niedergeschlagene Volksaufstand von 1956 hat die Erinnerungen vieler Ungarn an den Zweiten Weltkrieg überdeckt. Der Krieg galt fortan als unrühmliche Vorgeschichte zum Leiden unter kommunistischer Herrschaft. Unterdessen zelebrierten zahlreiche staatliche Denkmäler die »ungarisch-sowjetische Freundschaft«. Zu kommunistischer Zeit wurde offiziell kaum an die Menschen erinnert, die während des Krieges an der Front, in der Heimat und während des Völkermordes umgekommen waren. Orte des Gedenkens an den Holocaust existierten außerhalb von jüdischen Institutionen nicht; allein das 1932 eingeweihte Jüdische Museum Budapest wurde bereits 1947 wiedereröffnet. 1985 richtete die jüdische Gemeinde Budapest neben der großen, am Rande des ehemaligen Ghettos stehenden Synagoge einen »Raoul-Wallenberg-Gedenkpark« ein. 1987, in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Reise des kommunistischen Staatschefs János Kádár (1912–1989) nach Schweden, entstand schließlich ein staatliches Denkmal für Wallenberg (*1912–?), der als schwedischer Gesandter Tausenden Budapester Juden das Leben rettete, 1945 von der sowjetischen Besatzungsmacht verschleppt wurde und seither verschollen ist. Dieses Denkmal markierte einen Wendepunkt nach einem jahrzehntelangen Verschweigen des Holocaust. Erst zur Jahrtausendwende entstanden in ganz Ungarn zahlreiche Holocaustdenkmäler und -gedenkstätten. Hierzu gehört das Denkmal »Schuhe am Donauufer« in Budapest, das am 16. April 2005 – dem 2000 eingeführten ungarischen Holocaustgedenktag – eingeweiht wurde. Es erinnert an die Ermordung von bis zu 20.000 Juden aus dem Budapester Ghetto im Januar 1945 durch »Pfeilkreuzler«, Angehörige einer rechtsradikalen Partei, die am 15. Oktober 1944 die Macht in Ungarn übernommen hatte. Ein nationales Holocaustmuseum wurde 2004 in der Hauptstadt eröffnet. Erinnerungszeichen für andere Opfer gibt es bislang allerdings kaum. Sinnbildhaft für den Umgang des postkommunistischen Ungarn mit seiner Vergangenheit im 20. Jahrhundert ist das viel diskutierte »Haus des Terrors«, das – 2002 im Zentrum Budapests eröffnet – die Geschichte »beider totalitärer Diktaturen« behandelt. Die Mitwirkung von Ungarn bei der Deportation ihrer jüdischen Mitbürger tritt dabei oft in den Hintergrund.

Erinnerung

Auf eine private Initiative hin wurde in Budapest 1990 die Auschwitz-Stiftung gegründet, deren Ziele die Dokumentation des Holocaust in Ungarn und die Errichtung einer zentralen Gedenkstätte für die Opfer waren. 1999 beschloss die ungarische Regierung die Einrichtung eines solchen Gedenkzentrums. 2002 ging die Auschwitz-Stiftung in der staatlich getragenen »Stiftung Holocaust Dokumentationszentrum und Gedenksammlung« auf, die seitdem die Einrichtung trägt. Im selben Jahr begannen die Bauarbeiten, 2004 konnte das Zentrum feierlich eröffnet werden.
Das Zentrum steht nicht im traditionellen jüdischen Viertel Budapests, wo sich auch das Ghetto befand, sondern etwas außerhalb des Stadtzentrums. Das Ensemble besteht aus dem Gebäude einer restaurierten Synagoge von 1923 und einem modernen Neubau.
Herzstück des Gedenkzentrums ist die mit vielen multimedialen Elementen ausgestattete Dauerausstellung über den Holocaust in Ungarn und seine Ursachen. Auch auf die Verfolgung der Roma geht die Ausstellung ein. Der Innenraum der ehemaligen Synagoge ist Gedenkort – leere Stühle stehen symbolisch für ungarische Opfer des Holocaust. Im Hof befindet sich die Gedenkwand, auf der über 140.000 Namen von einzelnen Opfern zu lesen sind. Neben der Forschung und der pädagogischen Arbeit besteht eine der Hauptaufgaben des Gedenkzentrums darin, die Suche nach Namen ungarischer Holocaustopfer fortzusetzen.

Angebote

Ständige Ausstellung über den Holocaust in Ungarn, Datenbank mit den Namen der ungarischen Opfer, Veranstaltungen, Führungen, Workshops für Schüler, Weiterbildung für Lehrer

Öffnungszeiten

Dienstags bis sonntags 10.00 bis 18.00

Kontakt

http://www.hdke.hu

info@hdke.hu

+36 (0)1 455 33 33

Páva utca 39
H-1094 Budapest