Große Synagoge / Ungarisches Jüdisches Museum

Nagy Zsinagóga / Magyar Zsidó Múzeum


Das Ensemble, das die 1859 erbaute Große Synagoge zusammen mit dem Jüdischen Museum und dem Tempel der Helden bildet, zeugt in vielfältiger Weise von Geschichte und Gegenwart des Budapester Judentums.

Geschichte

Mitte des 19. Jahrhunderts lebten etwa 40.000 Juden in Pest. In der Mehrheit waren sie reformorientiert, statt Abschottung zogen sie eine Hinwendung zur Mehrheitsgesellschaft vor. Unter diesen Vorzeichen wurde im jüdischen Viertel 1859 die Große Synagoge eröffnet. Jahrzehntelang galt sie für die Mehrheit der Pester Juden als Symbol ihrer Zugehörigkeit zur ungarischen Nation.
Zwischen den Weltkriegen, in einer Zeit, in der die Räume jüdischen Lebens in Ungarn immer weiter eingeengt wurden, entstanden weitere Bauten um die Synagoge herum. 1931 wurde der Tempel der Helden eingeweiht. Diese Synagoge entstand als Andenken an die etwa 10.000 ungarischen Juden, die im Ersten Weltkrieg an der Front gefallen waren. 1932 eröffnete das Jüdische Museum, dessen Sammlung bis dahin in privaten Räumen gezeigt worden war, in einem Neubau, der mit der Großen Synagoge eine stilistische Einheit bildet.
Im Sommer 1944, nach der Besetzung Ungarns durch die deutsche Wehrmacht wurde die Synagoge als Sammellager für Juden benutzt, die deportiert werden sollten. Gleichzeitig war im Jüdischen Museum eine jüdische Arbeitsdienstkompanie untergebracht: jüdische Männer, die von der ungarischen Armee zur Zwangsarbeit eingezogen waren.
Der Gebäudekomplex stand auf dem Gebiet des im November 1944 eingerichteten Budapester Ghettos. Ein Tor zum Ghetto befand sich an der Arkadenmauer des Jüdischen Museums. Vor der Befreiung durch sowjetische Truppen am 18. Januar 1945 starben Tausende Ghettobewohner an Hunger, Kälte und Krankheiten, andere wurden von bewaffneten Angehörigen der ungarischen Pfeilkreuzlerpartei ermordet. Viele Tote, die nicht beerdigt werden konnten, wurden im Hof des Jüdischen Museums gesammelt.

Opfergruppen

Vor der deutschen Besatzung im März 1944 lebten über 200.000 Juden in Budapest. Viele Budapester Juden wurden bei Todesmärschen auf dem Weg zur Zwangsarbeit im Deutschen Reich ermordet, andere in der Stadt selbst. Die genaue Zahl der Opfer ist unklar.
Bei der Befreiung des Ghettos lebten noch etwa 119.000 Juden in Budapest. Tausende Tote lagen unbestattet im Hof der Großen Synagoge.

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Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und dem Zerfall der Österreichisch-Ungarischen Doppelmonarchie musste Ungarn 1920 zwei Drittel seines Staatsgebietes und sechzig Prozent seiner Bevölkerung an seine Nachbarstaaten abtreten. Diese Verluste traumatisierten das Land und führten dazu, dass sich Ungarn unter seinem Staatschef Nikolaus von (Miklós) Horthy (1868–1957) ab 1937 allmählich dem nationalsozialistischen Deutschen Reich annäherte. Es gelang Ungarn in mehreren Schritten, sein Staatsgebiet zwischen 1938 und 1941 fast zu verdoppeln. Im März 1944 war das Land angesichts der vorrückenden Roten Armee kurz davor, sich von Deutschland abzuwenden und wurde deshalb von der Wehrmacht besetzt. Horthy blieb zunächst Staatsoberhaupt. Unter Mithilfe der ungarischen Verwaltung begann die SS beinahe sofort mit Deportationen von Juden in das Vernichtungslager Auschwitz, die Ungarn trotz antijüdischer Gesetze zuvor noch verweigert hatte. Von den etwa 825.000 Juden aus »Groß-Ungarn« wurden weit über eine halbe Million Menschen dort ermordet, allein bis zu 300.000 kamen aus den Regionen des heutigen Ungarn. Darüber hinaus fanden um die 140.000 Soldaten sowie etwa 170.000 nichtjüdische Zivilisten den Tod. Nach 1945 war Ungarn Teil der sowjetischen Einflusssphäre. Bis 1989 erinnerte das offizielle Ungarn nicht an den Krieg, sondern an sein Ende – als »Befreiung vom Faschismus«. Die Mehrheit der Bevölkerung dagegen empfand das Jahr 1945 als Beginn einer langen Unterdrückung. Der niedergeschlagene Volksaufstand von 1956 hat die Erinnerungen vieler Ungarn an den Zweiten Weltkrieg überdeckt. Der Krieg galt fortan als unrühmliche Vorgeschichte zum Leiden unter kommunistischer Herrschaft. Unterdessen zelebrierten zahlreiche staatliche Denkmäler die »ungarisch-sowjetische Freundschaft«. Zu kommunistischer Zeit wurde offiziell kaum an die Menschen erinnert, die während des Krieges an der Front, in der Heimat und während des Völkermordes umgekommen waren. Orte des Gedenkens an den Holocaust existierten außerhalb von jüdischen Institutionen nicht; allein das 1932 eingeweihte Jüdische Museum Budapest wurde bereits 1947 wiedereröffnet. 1985 richtete die jüdische Gemeinde Budapest neben der großen, am Rande des ehemaligen Ghettos stehenden Synagoge einen »Raoul-Wallenberg-Gedenkpark« ein. 1987, in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Reise des kommunistischen Staatschefs János Kádár (1912–1989) nach Schweden, entstand schließlich ein staatliches Denkmal für Wallenberg (*1912–?), der als schwedischer Gesandter Tausenden Budapester Juden das Leben rettete, 1945 von der sowjetischen Besatzungsmacht verschleppt wurde und seither verschollen ist. Dieses Denkmal markierte einen Wendepunkt nach einem jahrzehntelangen Verschweigen des Holocaust. Erst zur Jahrtausendwende entstanden in ganz Ungarn zahlreiche Holocaustdenkmäler und -gedenkstätten. Hierzu gehört das Denkmal »Schuhe am Donauufer« in Budapest, das am 16. April 2005 – dem 2000 eingeführten ungarischen Holocaustgedenktag – eingeweiht wurde. Es erinnert an die Ermordung von bis zu 20.000 Juden aus dem Budapester Ghetto im Januar 1945 durch »Pfeilkreuzler«, Angehörige einer rechtsradikalen Partei, die am 15. Oktober 1944 die Macht in Ungarn übernommen hatte. Ein nationales Holocaustmuseum wurde 2004 in der Hauptstadt eröffnet. Erinnerungszeichen für andere Opfer gibt es bislang allerdings kaum. Sinnbildhaft für den Umgang des postkommunistischen Ungarn mit seiner Vergangenheit im 20. Jahrhundert ist das viel diskutierte »Haus des Terrors«, das – 2002 im Zentrum Budapests eröffnet – die Geschichte »beider totalitärer Diktaturen« behandelt. Die Mitwirkung von Ungarn bei der Deportation ihrer jüdischen Mitbürger tritt dabei oft in den Hintergrund.

Erinnerung

Die vom österreichischen Architekten Ludwig Förster (1797-1863) entworfene Synagoge in der Dohány utca ist bis heute eine der größten Europas. Ihr historisierender, byzantinisch-orientalische Elemente aufgreifender Stil war in der Folge prägend für die Architektur vieler Synagogen. Der Innenraum kann bis zu 6.000 Menschen aufnehmen. Darin befindet sich, für Synagogen sehr ungewöhnlich, eine Orgel.
Das Jüdische Museum stellt in ihrer Ausstellung vor allem religiöse Bräuche und Objekte des Judentums vor. Die letzten Räume sind den Opfern des Holocaust gewidmet.
Bei der Befreiung des Ghettos im Januar 1945 lagen mehrere Tausend unbestattete Tote auf dem Hof des Jüdischen Museums. Etwa 2.300 Leichen wurden aus der Not heraus in Massengräbern auf dem Hof beerdigt, wenngleich es jüdischen Traditionen widerspricht, Tote neben einer Synagoge zu bestatten. Später brachten Angehörige Gedenksteine an den Massengräbern an. Der Hof, den Besucher nicht betreten dürfen, spiegelt heute noch diesen Zustand wider.
In einem weiteren Hof befindet sich der »Raoul-Wallenberg-Gedenkpark«, benannt nach dem schwedischen Diplomaten, der 1944-45 Tausenden Budapester Juden das Leben rettete. Im Hof befinden sich zahlreiche Gedenktafeln in Erinnerung an Menschen, die ungarischen Juden halfen. Seit 1991 steht der vom ungarischen Bildhauer Imre Varga gestaltete »Baum des Lebens« in der Mitte des Hofes. Auf den metallenen Blättern des Baumes sind die Namen von etwa 30.000 ermordeten Juden aus Ungarn eingraviert.

Angebote

Ausstellung, Vorträge, Archiv, Konzerte, Fortbildungsprogramme zum pädagogischen Umgang mit dem Holocaust und zum jüdischen Leben in Ungarn

Öffnungszeiten

März bis Oktober sonntags bis donnerstags 10.00 bis 18.00, freitags 10.00 bis 16.30
November bis Februar sonntags bis donnerstags 10.00 bis 16.30, freitags 10.00 bis 14.00
Samstags geschlossen

Kontakt

https://www.milev.hu/

info@milev.hu

+361 413 5514

Dohány utca 2
1077 Budapest