Gedenkstätte Lager Les Milles

Mémorial Camp des Milles


In Les Milles bei Aix-en-Provence erinnern ein Gedenkstein und kleine Ausstellungen an eines der zentralen Lager des Vichy-Regimes im Süden Frankreichs. Die Ziegelei von Les Milles war zunächst Internierungsort für »unerwünschte Ausländer«, dann Transitlager vor der Ausreise von Flüchtlingen ins Ausland und schließlich Deportationslager, von dem aus jüdische Häftlinge über Drancy bei Paris in das Vernichtungslager Auschwitz verschleppt wurden.

Geschichte

Sieben Tage nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, am 7. September 1939, internierte die französische Regierung deutsche und österreichische Staatsangehörige als »unerwünschte Ausländer« in einer Ziegelei in Les Milles bei Aix-en-Provence. Bei vielen Gefangenen handelte es sich jedoch nicht um Anhänger des NS-Regimes, sondern um nach Frankreich geflohene politische Gegner und emigrierte Juden. Viele Internierte kamen im Frühjahr 1940 wieder frei, nach dem Angriff der Wehrmacht auf die Niederlande, Belgien und Frankreich im Mai 1940 wurden jedoch 2.000 Männer, hauptsächlich aus Deutschland stammende Exilanten, nach Les Milles gebracht. Unter ihnen befanden sich zahlreiche bekannte Künstler und Schriftsteller. Nach der französischen Niederlage gehörte das Lager zum unbesetzten Teil Frankreichs und unterstand ab November 1940 direkt dem Innenministerium der mit Deutschland verbündeten Vichy-Regierung unter Marschall Pétain. Die katastrophalen hygienischen Bedingungen im Lager besserten sich durch Baumaßnahmen nur wenig. Im März 1941 eröffnete die jüdische Flüchtlingshilfeorganisation HICEM ein Büro dort; als einziges Lager in Frankreich erhielt Les Milles den Status eines Transitlagers, in dem sich Gefangene um Ausreisepapiere kümmern durften.
Am 3. August 1942 wurde das Gelände von der Außenwelt abgeriegelt; wenige Tage zuvor hatte die französische Regierung ihre Zustimmung zur Deportation von 10.000 Juden ohne französische Staatsbürgerschaft gegeben. Am 11. August 1942 verließ der erste Transport jüdischer Häftlinge das Lager in Richtung Drancy, dem zentralen Durchgangslager bei Paris; von dort aus führten regelmäßige Konvois der SS in das Vernichtungslager Auschwitz. Insgesamt wurden 2.000 jüdische Kinder, Frauen und Männer aus Les Milles in das Durchgangslager Drancy verschleppt. Nach der deutschen Besetzung Südfrankreichs im Dezember 1942 nutzte die Wehrmacht das Lager als Depot. Die letzten Gefangenen wurden auf andere Internierungsorte verteilt.

Opfergruppen

Mehr als 10.000 Menschen aus 27 Ländern wurden in Les Milles gefangen gehalten. Unter den Häftlingen befanden sich zahlreiche prominente Gegner des NS-Regimes, die nach Frankreich geflohen waren, so die Schriftsteller Lion Feuchtwanger und Walter Benjamin, Walter Hasenclever, Alfred Kantorowicz und Golo Mann. Auch etwa vierzig Maler waren hier interniert, unter ihnen der Surrealist Max Ernst. Vor allem zur Anfangszeit des Lagers setzten Häftlinge den schweren Haftbedingungen kulturelle Aktivitäten entgegen.
Die Niederlage Frankreichs Mitte Juni 1940 bzw. die Gefahr, den Deutschen in die Hände zu fallen, lösten große Ängste aus. Lagerkommandant Charles Goruchon ließ von der regionalen französischen Militärführung einen Zug bereitstellen, in dem ungefähr 2.000 Häftlinge, die das Lager zu verlassen wünschten, abtransportiert wurden – vor einem erwarteten Eintreffen deutscher Truppen. Die Gefangenen gelangten bis nach Bayonne am Atlantik, wo sie jedoch umkehren mussten. Der sogenannte Geisterzug endete für die Flüchtenden in Nîmes und mit einer Lagerinternierung, die sich später für einen Teil von ihnen in Gurs, für einen anderen Teil erneut in Les Milles fortsetzte. Dennoch bestanden Chancen, Les Milles zu verlassen; mit seinem Status als Transitlager ging einher, daß die Lagerleitung Urlaubsscheine erteilte, um Internierten ein Vorsprechen bei ausländischen Vertretungen in Marseille und somit den Erhalt von Auswanderungspapieren zu ermöglichen. Häftlinge aus Les Milles erhielten Hilfe von Varian Fry, der im Auftrag von Eleanor Roosevelt, der Ehefrau des US-Präsidenten, tätig war. Mit der Schließung des Lagers Anfang August 1942 endete diese Phase endgültig. Unmittelbar danach wurde Les Milles für etwa 2.000 jüdische Kinder, Frauen und Männer zum Deportationslager im Rahmen der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik. Zu den Verschleppten zählen auch Juden, die erst Ende August 1942, nach den großen Razzien in Südfrankreich, nach Les Milles gebracht worden waren.

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Frankreich geriet nach der Niederlage seiner Armee im Juni 1940 unter deutschen Einfluss. Der Norden fiel unter deutsche Militärverwaltung, der Süden blieb zunächst unbesetzt. Im südfranzösischen Kurort Vichy wurde eine von Deutschland abhängige Regierung gebildet. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs lebten etwa 300.000 Juden in Frankreich. Ihre genaue Zahl ist nicht bekannt, da die Religionszugehörigkeit in Frankreich nicht registriert wurde. Ende 1940 wurden im Norden die ersten antijüdischen Verordnungen erlassen. Der Politik der Zwangsregistrierung, Ausgrenzung und Beraubung folgten systematische Festnahmen durch die französische Gendarmerie. Vor allem Juden ohne französischen Pass gerieten ins Visier des deutschen SS- und Polizeiapparates sowie der einheimischen Behörden. Mit dem Anwachsen des französischen Widerstandes ging der deutsche Militärbefehlshaber General Otto von Stülpnagel (1878–1948) dazu über, als Abschreckung Unbeteiligte erschießen und insbesondere Juden festnehmen zu lassen. Diese Verhafteten gehörten zu den ersten, die ab März 1942 in die Vernichtungslager im besetzten Polen verschleppt wurden. Etwa 75.000 Menschen wurden in über siebzig Transporten verschleppt und ermordet. Die Mehrzahl der französischen Juden überlebte, zumeist in Verstecken im südlichen Landesteil. Krieg und Verfolgung fielen in Frankreich etwa 600.000 Menschen zum Opfer, unter ihnen 270.000 Zivilisten. Während andere Opfergruppen bis heute wenig differenziert behandelt werden, hat sich seit Ende der 1980er Jahre die Forschung zu Patienten, die in Heimen und Kliniken zu Tode kamen, verstärkt. Heute wird von bis zu 50.000 Opfern ausgegangen. In beiden Landesteilen hatte es während der Besetzung Verfolgung, Kollaboration und Widerstand gegeben. Insbesondere die Erinnerung an den Kampf der »Résistance« als Ausdruck französischer Vaterlandsliebe und das Leid der »Deportation« boten nach dem Krieg die Möglichkeit, Gegensätze zwischen Konservativen (Gaullisten) und nach Moskau ausgerichteten Kommunisten zu überbrücken. Dem entsprechen die Widmungen zahlreicher Museen und Gedenkstätten – wie das »Mémorial des Martyrs de la Déportation« (Denkmal für die Märtyrer der Deportation) in Paris aus dem Jahr 1956 und das 2005 in der KZ-Gedenkstätte Natzweiler eröffnete »Centre Européen du Résistant Déporté« (Europäisches Zentrum des deportierten Widerstandskämpfers). Ab Anfang der 1990er Jahre entstanden Einrichtungen wie das Maison d’Izieu (Haus von Izieu) bei Lyon, wo an 44 verschleppte jüdische Kinder erinnert wird, die Nationale Gedenkstätte im ehemaligen Lager Gurs sowie ein Erinnerungszentrum in Oradour sur Glane – einer Ortschaft, die die SS 1944 zerstört hatte. Die zentrale Gedenkstätte für die Opfer des Holocaust ist die 2005 eröffnete »Mémorial de la Shoah« im Zentrum der Hauptstadt. Mittlerweile haben mehrere französische Staatspräsidenten die Mitverantwortung des Landes für den Holocaust in Frankreich anerkannt. Die 1988 eröffnete und 2002 erweiterte Gedenkstätte in Caen, die an die Landung der Westalliierten in der Normandie 1944 erinnert, ist die meistbesuchte Gedenkstätte außerhalb von Paris. Hier finden die jährlichen nationalen Gedenkfeiern an den Sieg über das nationalsozialistische Deutschland statt. Zudem gibt es zahlreiche regionale Museen, in denen die Auseinandersetzung mit Verfolgung, Widerstand und Deportation im Mittelpunkt steht.

Erinnerung

1985 ließen die Stadt Aix-en-Provence und die örtliche jüdische Gemeinde einen Gedenkstein errichten, die an die Deportationen erinnert. 1989 öffnete eine Ausstellung, die die acht erhaltenen Wandgemälde dokumentiert, die von Internierten zwischen Herbst 1940 und Frühjahr 1941 gemalt worden waren. Seit 1990 bzw. 1992 erinnern ein »Weg der Erinnerung« bzw. eine Ausstellung in einem Eisenbahnwagon an die Geschichte des Lagers. Die Ausstellung im Wagon wurde 2002 überarbeitet. Im Juni 2004 wurde ein europaweiter Wettbewerb zur Neugestaltung des Erinnerungsortes ausgeschrieben. Die neugestaltete Gedenkstätte wurde am 10. September 2012 eröffnet, auf den Tag genau 70 Jahre nachdem der letzte Zug mit 2.000 Juden an Bord mit dem Ziel Vernichtungslager Auschwitz aus dem Lager abfuhr.
Die Gedenkstätte besteht aus drei Teilen. Den Auftakt bildet eine Dauerausstellung zum historischen Kontext. Danach betreten die Besucher die bis heute erhaltenen Räumlichkeiten des ehemaligen Lagers. Am Ende werden sie in einer weiteren Ausstellung zum Nachdenken über Gewalterfahrungen und Menschenrechte angeregt.

Angebote

Dauerausstellung, Führungen nach Anmeldung

Öffnungszeiten

Täglich 10.00 bis 19.00
1. Januar, 1. Mai, 24/25. Dezember und 31. Dezember geschlossen.

Kontakt

http://www.campdesmilles.org/index.html

contact@campdesmilles.org

+33 (0)442 391 711

Ancienne gare des Milles, 2 avenue Adrien Durbec
13290 Les Milles