Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig

Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig


Auf dem Gelände des ehemaligen Rüstungskonzerns Hugo-Schneider-Aktiengesellschaft (HASAG) wurde im Dezember 2001 eine Gedenkstätte eingeweiht. Sie erinnert an die zehntausenden Häftlinge aus den KZ Buchenwald, Sachsenhausen und Ravensbrück, die in den Rüstungsbetrieben im Raum Leipzig Zwangsarbeit verrichten mussten.

Geschichte

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten entwickelte sich der mitteldeutsche Raum zu einem der wichtigsten Rüstungszentren des Deutschen Reiches. Zu den größeren Rüstungsbetrieben der Region zählten die Erla-Maschinenwerke, die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke und die HASAG. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges hatte sich die HASAG zum drittgrößten Rüstungskonzern Deutschlands entwickelt. Der ehemalige Hersteller von Petroleumlampen begann sich ab 1933 auf die Produktion von Munition und Bodenwaffen zu spezialisieren. Er unterhielt mehrere Zweigwerke im Raum Sachsen und Thüringen. Ab Ende 1939 übernahm die HASAG auch im Generalgouvernement mehrere Werke. 1944 erhielt die Leipziger Firma vom Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion Albert Speer die Sondervollmacht »Hochlauf Panzerfaust«. Diese Waffe hatten im Vorfeld Wissenschaftler der HASAG entwickelt.
Das SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt (WVHA) verlieh gegen Bezahlung Häftlinge aus Konzentrationslagern an Rüstungsunternehmen. So entstanden an vielen Produktionsstätten deutscher Rüstungsbetriebe Außenlager für die Unterbringung der Zwangsarbeiter. Für die Verwaltung dieser Lager waren die jeweiligen Konzentrationslager zuständig, aus denen die Häftlinge stammten. Die Rüstungsbetriebe waren dagegen für Unterkunft und Verpflegung der Häftlinge verantwortlich.
Im Jahre 1944 lebten mehr als 100.000 Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge in Außenlagern in und um Leipzig. Viele von ihnen starben aufgrund der schlechten Lebensbedingungen in den Lagern und der schweren und teilweise gesundheitsschädlichen Arbeit in den Betrieben. So mussten Zwangsarbeiter der HASAG ohne Schutzkleidung den hoch giftigen Sprengstoff für die Panzerfaust herstellen und in die Geschosse einfüllen.
Nicht mehr arbeitsfähige Frauen und Männer wurden in einem ständigen Austausch gegen neue Häftlinge in die Stammlager zurückgeschickt.

Opfergruppen

Die insgesamt weit über 100.000 in der Region Leipzig eingesetzten Zwangsarbeiter stammten aus ganz Europa.
Allein die HASAG hatte den Tod von mehr als 5.000 Zwangsarbeitern zu verantworten, die sie in ihren Produktionsstätten in Deutschland eingesetzt hatte.
Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges starben nach der Räumung der Außenkommandos durch die SS viele weitere Häftlinge auf Todesmärschen.
Am 18. April 1945 begingen Angehörige der SS, der Gestapo und des Volkssturms ein Massaker an etwa 300 Zwangsarbeitern, die bei den Erla-Maschinenwerken in Abtnaundorf bei Leipzig beschäftigt waren. Die Männer wurden in eine Baracke getrieben, die anschließend in Brand gesteckt wurde.

Erfahre mehr über Deutschland

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

1946/47 wurden die größten Rüstungsbetriebe auf Befehl des internationalen Kontrollrats bis auf wenige Verwaltungsgebäude gesprengt und nicht wieder aufgebaut. Auf dem Gelände der HASAG steht heute das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ).
Auf Initiative des Leipziger Stadtrates und mit Unterstützung der wissenschaftlichen Leitung des UFZ wurde am 12. Dezember 2001 auf dem historischen Gelände eine kleine Gedenkstätte zur Erinnerung an die Zwangsarbeiter eingeweiht.
Im Mai 2003 wurde mit Fördermitteln der Europäischen Kommission im Beisein ehemaliger Zwangsarbeiter die Dauerausstellung »Verschleppt - ausgebeutet und dennoch Mut zum Überleben« eröffnet. Träger der Gedenkstätte ist der Förderverein »Dr. Margarete Blank« e.V.
Jährlich besuchen auf Einladung der Stadt Leipzig ehemalige Zwangsarbeiter die Gedenkstätte.

Angebote

Betreuung von Schüler- und Studentenprojekten, Verleih der Wanderausstellung »Verschleppt - ausgebeutet und dennoch Mut zum Überleben«, thematische Führungen für Schüler und Jugendgruppen

Öffnungszeiten

Dienstags bis donnerstags 10.00 bis 18.00, oder nach Vereinbarung

Kontakt

http://zwangsarbeit-in-leipzig.de

gedenkstaette@zwangsarbeit-in-leipzig.de

+49 (0)341 235 207 5

Permoserstraße 15
04318 Leipzig