Gedenkort SA-Gefängnis Papestraße

Gedenkort SA-Gefängnis Papestraße


Seit März 2013 erinnert eine Dauerausstellung im Gedenkort SA-Gefängnis Papestraße in Berlin an die etwa 2.000 Menschen, die von März bis Dezember 1933 in das Gefängnis verschleppt und hier gefangengehalten, verhört und gefoltert wurden.

Geschichte

In der Papestraße im Berliner Stadtteil Schöneberg wurde 1874/75 eine Eisenbahnerkaserne in der Nähe der Bahnlinie gebaut. Diese Regimenter hatten die Aufgabe, im Kriegsfall den militärischen Nachschub mit Zügen zu organisieren sowie Material zu Truppenübungsplätzen zu transportieren. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Gebäude auf verschiedene Arten genutzt. Mit der Machtübernahme im Januar 1933 begannen die Nationalsozialisten brutal gegen ihre Gegner vorzugehen, vor allem die SA verbreitete Terror auf den Straßen. Im Land Preußen ernannte Innenminister Hermann Göring im Februar 1933 etwa 50.000 SA-Männer zu Hilfspolizisten. Als in der Nacht auf den 28. Februar der Reichstag nach einer Brandstiftung ausbrannte, hob die Reichsregierung die Weimarer Verfassung mit der sogenannten Reichstagsbrandverordnung auf: Überall im Deutschen Reich verfolgte die SA Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschaftler und Juden. In improvisierten Gefängnissen und Folterkellern verhörten und folterten Angehörige der SA ihre Opfer. Ein solches Gefängnis richtete die SA im März 1933 in einem ehemaligen Wirtschaftsgebäude auf dem Gelände der Eisenbahnerkaserne in der Papestraße ein. Bis zu 2.000 Menschen waren hier während der kurzen Bestehenszeit des Gefängnisses inhaftiert. Die Haft war geprägt von brutalen Verhören und Gewalt, die Gefangenen wurden schlecht versorgt und lebten unter unzureichenden hygienischen Bedingungen. Im Dezember 1933 wurde das Gefängnis wieder aufgelöst, es geriet daraufhin in Vergessenheit.

Opfergruppen

Von den etwa 2.000 Häftlingen, die zwischen März und Dezember 1933 im SA-Gefängnis in der Papestraße inhaftiert waren, konnten die Namen von 500 Menschen ermittelt werden. Es handelt sich bei ihnen vor allem um Kommunisten und Sozialdemokraten, aber auch um Gewerkschaftsmitglieder und Juden. Mindestens 30 Gefangene starben an den Folgen der Folter in der Haft.

Erfahre mehr über Deutschland

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Nach dem Krieg geriet das SA-Gefängnis in Vergessenheit. Das Gebäude an der Papestraße wurde 1947/48 als Lese- und Wärmehalle des Bezirks genutzt. Eine Gedenktafel, die den »Opfern des frühen Naziterrors« gewidmet ist, wurde 1981 in der Straße, jedoch nicht am richtigen Gebäude angebracht. Anwohner begannen daraufhin, Nachforschungen anzustellen. Die Soziologin Sylvia Walleczek, der Bildhauer Rolf Scholz und der Historiker Kurt Schilde gründeten 1991 die »Geschichts­werkstatt Papestraße«. Ein Jahr später machten sie das ehemalige Gefängnis im heutigen Gedenkort ausfindig. Im Gegensatz zu ähnlichen Orten des frühen nationalsozialistischen Terrors waren hier noch viele Spuren des Gefängnisses erhalten geblieben, unter anderem Kritzeleien und Zeichnungen an den Kellerwänden. Seitdem setzte sich die Geschichtswerkstatt dafür ein, in dem ehemaligen Gefängnis einen Gedenkort einzurichten. Dieses Vorhaben fand 2003 die Unterstützung der Bezirksverordnetenversammlung von Tempelhof-Schöneberg. Nach dem Beschluss eine Gedenkstätte in dem ehemaligen Kasernengebäude einzurichten, konnten die Räume schließlich 2011 der Öffentlichkeit übergeben werden. Im März 2013 wurde zudem eine Dauerausstellung eröffnet.

Angebote

Kostenlose Führungen jeden Sonntag um 14.00

Öffnungszeiten

Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Sonntag: 14.00 bis 18.00
Montag bis Freitag für Besuchergruppen nach tel. Vereinbarung von 10.00 bis 14.00

Kontakt

http://www.gedenkort-papestrasse.de

mail@gedenkort-papestrasse.de

+49(0)30 902 77–6163

Werner-Voß-Damm 54 a
12101 Berlin