Seit Januar 2015 erinnert ein Gedenk- und Informationsort an das ehemalige Arbeitshaus Rummelsburg, in dem über hundert Jahre lang gesellschaftliche Außenseiter festgehalten wurden. Zur Zeit des Nationalsozialismus war Rummelsburg der zentrale Ort der Verfolgung von sogenannten Asozialen in Berlin.
Im 19. Jahrhundert wurden in vielen deutschen Großstädten »Arbeitshäuser« errichtet, um Angehörige sozialer Randgruppen wie Bettler, Obdachlose oder Prostituierte unterzubringen und als billige Arbeitskräfte zu nutzen. Das Arbeitshaus Rummelsburg wurde zu diesem Zweck 1877-79 abseits des Berliner Stadtzentrums gebaut. Viele Insassen des Arbeitshauses Rummelsburg arbeiteten auf Rieselfeldern rund um Berlin.
In der Zeit der Weimarer Republik ging die Zahl der Insassen aufgrund der etwas liberaleren Gesellschaftspolitik deutlich zurück. Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 änderte sich die Situation für Randgruppen jedoch grundlegend, als »Asoziale« wurden sie nun massiv verfolgt. Die Behörden erhielten weitreichende Befugnisse: auch Personen, die nicht straffällig geworden waren, konnten nun in Arbeitshäuser eingewiesen und dort mitunter auf unbestimmte Zeit festgehalten werden.
Rummelsburg wurde zum zentralen Ort der Verfolgung von »Asozialen« im Berliner Raum. Die Zahl der Insassen stieg sprunghaft an, um 1939 waren es etwa 2.000. Es wurden Sonderabteilungen eingerichtet, etwa für Homosexuelle, zudem sind 124 Zwangssterilisierungen dokumentiert. Die Insassen wurden als Zwangsarbeiter eingesetzt, sowohl zu kommunalen Zwecken als auch bei Privatbetrieben in der Umgebung.
Am 13. Januar 1941 wurden alle 30 jüdischen Insassen im Rahmen einer »Sonderaktion« der NS-»Euthanasie« in ein Krankenhaus nach Buch verlegt. Vier Tage später wurden sie mit einem Bus zur Heilanstalt Bernburg gebracht, wo sie mit Gas ermordet wurden. Bernburg war zu diesem Zeitpunkt eine Tötungsanstalt der »Aktion T4«, die sich gezielt gegen Patienten und Kranke richtete.
Im Januar 1942 besuchte eine die im Rahmen der NS-»Euthanasie« gebildete Kommission Rummelsburg und selektierte 314 Insassen zur Tötung. Dieser geplante Massenmord wurde schließlich nicht umgesetzt.
Rummelsburg war in der Zeit des Nationalsozialismus ein Ort der Unterdrückung von Tausenden sogenannten Asozialen. Unter dieser Kategorie waren unter anderem »Arbeitsscheue«, Obdachlose, Wanderarbeiter und Prostituierte zusammengefasst.
Gezielte Morde in Rummelsburg selbst sind nicht nachzuweisen. Im Januar 1941 wurden alle 30 jüdischen Insassen über ein Krankenhaus in Buch in die Tötungsanstalt Bernburg überstellt, wo sie anschließend ermordet wurden. 124 Insassen von Rummelsburg wurden nachweislich zwangssterilisiert.
Die meisten Dokumente aus der Zeit vor 1945 sind verlorengegangen, so dass es nicht mehr festzustellen ist, wie viele Insassen an den schlechten Bedingungen starben.
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Nach 1945 einige Jahre wieder als Arbeitshaus benutzt, wurde Rummelsburg in der Zeit der DDR in ein Gefängnis umgebaut. In der DDR galt »Asozialität« weiterhin als Verhaftungsgrund. Unter den Häftlingen von Rummelsburg waren viele aus politischen Gründen inhaftiert, insbesondere nach dem Volksaufstand 1953, dem Mauerbau 1961 und während der Wochen der Friedlichen Revolution von 1989.
Im Oktober 1990 wurde das marode Gefängnis geschlossen. Die Gebäude standen jahrelang leer, für die Geschichte des Ortes interessierte sich kaum jemand. Das änderte sich langsam dank verschiedener zivilgesellschaftlicher Initiativen wie dem Arbeitskreis »Marginalisierte – Gestern und Heute«. Es entstand ein Runder Tisch. Die ersten Gedenkzeichen nahe dem historischen Ort waren Gedenktafeln an der Rummelsburger Bucht, die im Dezember 2012 auf Beschluss des Bezirks Lichtenberg aufgestellt wurden. 2014 schrieb der Senat einen künstlerischen Wettbewerb aus, um am historischen Gelände, das mittlerweile in ein Wohngebiet umgestaltet wurde, einen würdigen Gedenk- und Informationsort zu errichten. Dieser konnte im Januar 2015 eingeweiht werden. Das zentrale Element des Konzepts der Designerin Helga Lieser und ihrer Kollegen Peter Francis Lewis und Jens Henningsen sind drei, jeweils fünf Meter hohe Stelen, die an die Kaiserzeit (Cortenstahl), die NS-Zeit (Stahl) und an die DDR-Zeit (grau) erinnern. An 18 Stelltafeln sind Biografien von ehemaligen Insassen des Arbeitshauses und des DDR-Gefängnisses Rummelsburg zu lesen.
Smartphone-App zum Gedenkort (für Android und iOS)
Das Gelände ist jederzeit zugänglich.
http://gedenkort-rummelsburg.de
info@gedenkort-rummelsburg.de
Hauptstraße 8
10317 Berlin