In dem südpolnischen Dorf Szczurowa erinnern auf dem Friedhof ein Denkmal und ein Ehrengrab an die 93 Roma, die im Juli 1943 von deutschen Polizisten und polnischen Gendarmen erschossen wurden.
Geschichte
Im kleinen südpolnischen Dorf Szczurowa, etwa fünfzig Kilometer östlich von Krakau in den äußeren Karpaten, lebten vor dem Zweiten Weltkrieg etwa hundert sesshafte, gut in das Leben des Dorfes integrierte Roma. Nach dem deutschen Angriff auf Polen 1939 war das Gebiet, in dem auch Szczurowa liegt, unter deutscher Besatzungsverwaltung. Im sogenannten Generalgouvernement verübten die Besatzer besonders heftigen Terror gegen Juden und Polen, aber auch gegen die als »Zigeuner« bezeichneten Roma. Am Morgen des 3. Juli 1943 umstellten deutsche Polizisten und polnische Gendarmen die Siedlung der Roma und verhafteten ihre Einwohner. Die Polizisten brachten erst die Männer, danach die Frauen und Kinder, auf Pferdewagen zum Friedhof. Dort erschossen sie 93 Roma aus Szczurowa und verscharrten die Leichen in einem Massengrab. Anschließend brannten sie die leeren Häuser der Roma nieder. Nur fünf Roma aus Szczurowo konnten dem Massaker entgehen.
Opfergruppen
Beim Massaker von Szczurowa wurden 93 Roma erschossen, Männer, Frauen und Kinder. Die Gemeinde der etwa hundert Roma war seit dem 19. Jahrhundert in Szczurowa ansässig.
Mit dem Angriff auf Polen und der Besetzung des Landes durch deutsche Truppen im Westen und durch die Rote Armee im Osten begann im September 1939 der Zweite Weltkrieg. Unmittelbar nach dem Einmarsch setzten in beiden Teilungsgebieten Verfolgung und Terror ein. Deutsche Verbände verübten Massaker an Angehörigen der geistigen Eliten, jüdischen und nichtjüdischen Zivilisten sowie Patienten.
Ab Ende 1939 errichtete die deutsche Verwaltung Ghettos, in denen die jüdische Bevölkerung unter elenden Bedingungen zusammengedrängt wurde. 1941, nach dem Angriff auf die Sowjetunion, geriet auch Ostpolen unter deutsche Herrschaft. SS-Einsatzgruppen ermordeten zunächst systematisch jüdische Männer, später auch Frauen und Kinder. Im Herbst 1941 begannen lokale deutsche Dienststellen im früheren Westpolen mit der Vorbereitung von Massentötungen jüdischer Ghettohäftlinge durch Giftgas. Bis 1945 wurden etwa drei Millionen polnische Juden in den Vernichtungsstätten Kulmhof, Belzec, Treblinka und Sobibor, in Majdanek und Auschwitz ermordet, verhungerten in den Ghettos oder wurden erschossen. 1943 erhoben sich die jüdischen Bewohner des Warschauer Ghettos zu einem Aufstand, den die SS blutig niederschlug.
Polnische Soldaten kämpften auf Seiten der Alliierten an allen Fronten des Weltkriegs. Partisanengruppen, darunter die patriotische »Armia Krajowa« (Heimatarmee), bildeten die größte Widerstandsbewegung im besetzten Europa. Am 1. August 1944 begann der Warschauer Aufstand, die umfangreichste Erhebung von Zivilisten gegen die Deutschen im besetzten Europa. Er scheiterte, auch weil die Rote Armee – bereits am anderen Weichselufer stehend – nicht eingriff. Die Zahl der Toten wird auf bis zu 250.000 geschätzt. Insgesamt kamen etwa drei Millionen nichtjüdische Polen unter deutscher Besatzung gewaltsam zu Tode.
Nachdem die Rote Armee bereits im Januar 1944 (ost-)polnischen Boden erreicht hatte, wurden die Truppen der Armia Krajowa vom sowjetischen Geheimdienst entwaffnet, ihre Offiziere erschossen oder verschleppt. Die Millionen Toten der Besatzungszeit, die dauerhafte Annexion Ostpolens durch die Sowjetunion, die Eingliederung ostdeutscher Gebiete und der daraus resultierende Bevölkerungsaustausch verursachten in Polen ein schweres politisches und gesellschaftliches Trauma.
In der Erinnerungskultur stand das Gedenken an die Ermordung der europäischen Juden in deutschen Vernichtungslagern auf polnischem Boden zunächst im Hintergrund. So galt Auschwitz – im Ausland längst zum Symbol des Holocaust geworden – über Jahrzehnte vor allem als »Ort polnischen Martyriums«. Veränderungen gibt es allerdings seit Beginn des 21. Jahrhunderts. Dazu mögen auch die heftigen Debatten um den ostpolnischen Ort Jedwabne beigetragen haben. Das Massaker an etwa 340 Juden am 10. Juli 1941, das bis dahin »Gestapo und Hitler-Polizei« zugeschrieben worden war, hatten polnische »Nachbarn« ohne deutschen Zwang verübt. Die Diskussionen im In- und Ausland um eine polnische Mittäterschaft führten 2001 dazu, dass sich Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski (*1954) bei den Opfern entschuldigte. Forderungen von Fachleuten, etwa aus dem Institut des Nationalen Gedenkens, sich den schwierigsten Kapiteln der Vergangenheit zu stellen, wurden lauter. Zu diesen zählen auch antijüdische Pogrome 1946/47 und der staatliche Antisemitismus im sozialistischen Nachkriegspolen.
Der polnische Staat investiert sehr viel in Erinnerungspolitik, auch in Großprojekte mit internationaler Ausstrahlung. Das Museum des Warschauer Aufstandes wurde bereits 2004 eröffnet. Das POLIN Museum der Geschichte der polnischen Juden eröffnete auf dem Gebiet des ehemaligen Warschauer Ghettos 2013, ein Museum des Warschauer Ghettos soll 2024 folgen. In Danzig gibt es seit 2017 das Museum des Zweiten Weltkrieges. Die ehemaligen deutschen Vernichtungslager Belzec und Sobibor wurden nach der Jahrtausendwende in moderne Gedenkstätten umgewandelt. Auch in der Kultur ist eine immer intensivere Beschäftigung mit dem jüdischen und multikulturellen Erbe Polens zu beobachten.
Erinnerung
Die Bewohner Szczurowas gestalteten 1966 das Massengrab der ermordeten Roma auf dem katholischen Friedhof des Ortes neu und errichteten eine Gedenktafel. Damit war das Denkmal in Szczurowa das erste Denkmal auf polnischem Boden – womöglich auch weltweit – das der Opfer des nationalsozialistischen Mordes an den Roma gedachte. 1993, am 50. Jahrestag der Ermordung der Roma brachten Einwohner des Dorfes ein Kreuz und einen weitere Gedenktafel neben dem Ehrengrab an. Auf der Tafel steht folgende Inschrift in polnischer Sprache: »Zum 50. Jahrestag der Ermordung von 93 Zigeunern-Roma während der hitleristischen Besatzung. Die Einwohner Szczurowas huldigen ihnen im Gebet«.
Seit 1996 findet im nahegelegenen Tarnów jährlich der »Internationaler Roma-Gedenkzug« (polnisch: »Międzynarodowy Tabor Pamięci Romów«) statt. Bei der Veranstaltung, die sich über mehrere Tage erstreckt, beschäftigen sich die Teilnehmer mit Kultur und Geschichte der Roma. Eines der wichtigsten Pilgerziele des »Gedenkzugs« ist stets das Ehrengrab der ermordeten Roma in Szczurowa.
Ein weiteres Denkmal wurde im Juli 2011 im Wald zwischen Borzęcin und Szczurowa zur Erinnerung an die Roma errichtet, die 1942 dort ermordet wurden.
Öffnungszeiten
Der Friedhof ist jederzeit zugänglich.
Kontakt
http://www.szczurowa.pl/strona/index/3389,cmentarze_wojenne.html
Cmentarz parafialny
32-820 Szczurowa