In der Nähe der ostpreußischen, heute russischen Stadt Preußisch-Eylau befand sich das Stalag I A, in dem vor allem polnische, belgische und französische Kriegsgefangene festgehalten wurden. Jahrzehnte später entstand auf dem ehemaligen Lagerfriedhof eine Gedenkanlage.
Geschichte
Der Stablack ist eine hügelige Waldlandschaft in der ehemaligen Provinz Ostpreußen an der Grenze zwischen Polen und dem Königsberger Gebiet der Russischen Föderation. Im Sommer 1934 begann das nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten wiedererstarkende deutsche Militär damit, 10 Kilometer westlich von Preußisch Eylau (heute russisch: Bagrationowsk) einen etwa 10.000 Hektar großen Truppenübungsplatz herzurichten. In den 1930er Jahren entstand dort eine Siedlung mit dem Namen Gartenstadt Stablack, die vor allem von Angehörigen der Wehrmacht bewohnt wurde.
In den Wochen nach dem deutschen Angriff auf Polen brachte die Wehrmacht polnische Kriegsgefangene auf dem Gelände unter. Sie mussten in der Folge Baracken für ein Lager bauen, das Stalag I A. Nach 1940 wurden belgische und französische Kriegsgefangene hierher gebracht. Die Zahl der Gefangenen ging in die Zehntausende. Sie wurden zu Arbeitseinsätzen überall im nördlichen Ostpreußen verteilt.
Anfang 1945 griff die Rote Armee Ostpreußen an. Viele Kriegsgefangene, die in Außenkommandos eingesetzt wurden, befanden sich plötzlich hinter sowjetischen Linien – sie sollten es später sehr schwer haben, in ihre Heimat zurückzukehren. Die im Stalag I A verbliebenen Kriegsgefangenen wurden in Richtung Westen verlegt, gleichzeitig mit der chaotisch verlaufenden Flucht und Evakuierung von hunderttausenden Ostpreußen. Viele der Kriegsgefangenen kamen dabei um.
Opfergruppen
Fast 50.000 polnische Kriegsgefangene durchliefen das Lager 1939 bis 1941, viele von ihnen wurden bis Ende 1941 entlassen bzw. ihr Status in Zivilarbeiter geändert. 1940/41 kamen 23.000 belgische und 37.500 französische Kriegsgefangenen dazu. Nach dem Angriff auf die Sowjetunion brachte die Wehrmacht etwa 1.000 sowjetische Kriegsgefangene hier unter. Die Zahl der Todesfälle im Lager ist unklar.
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Russische Föderation
In der Russischen Föderation ist der 9. Mai – der Gedenktag an den Sieg der Sowjetunion im Großen Vaterländischen Krieg gegen den »Hitlerfaschismus« – der bedeutendste Feiertag, der aus der sowjetischen Vergangenheit übernommen wurde. Am 23. August 1939 hatte die Sowjetunion unter Josef Stalin (1878–1953) zunächst einen »Nichtangriffspakt« mit dem Deutschen Reich geschlossen. Beide Regime verständigten sich darin über ihre »Interessensphären« in Ostmitteleuropa und beschlossen unter anderem die gemeinsame Teilung Polens. Ab dem 22. Juni 1941 marschierten die deutsche Wehrmacht und ihre Verbündeten in sowjetisches Territorium ein. Bei Kriegsende 1945 waren auf dem besetzten sowjetischen Gebiet nach neueren Schätzungen insgesamt bis zu 28 Millionen Tote in Armee und Bevölkerung zu beklagen.
Die sowjetische Erinnerungskultur ist im heutigen Russland wieder dominierend. Ihre Sinnbilder – wie die monumentalen Denkmäler in Sankt Petersburg oder Wolgograd – sind noch immer beliebt und weiterhin Schauplatz großer Gedenkveranstaltungen am 9. Mai. Diese Erinnerungsstätten sind allerdings weniger Orte der Trauer und des Totengedenkens als vielmehr der Heldenverehrung. Der Opfer wurde lange Zeit gar nicht, später als »Opfer des Faschismus« gedacht. Die Wirkungsmacht dieser Sicht auf die Vergangenheit lässt sich beispielhaft am Konflikt um eine 1995 aufgestellte Skulptur vor dem Museum des Großen Vaterländischen Kriegs in der Hauptstadt Moskau ablesen. Das Denkmal »Tragödie der Völker« ist den etwa zwanzig Millionen zivilen Opfer der Jahre 1941 bis 1944 in der Sowjetunion gewidmet und sollte einen Wendepunkt in der Erinnerungskultur Russlands markieren. Nach heftiger Kritik an der auch in der Bevölkerung als zu pessimistisch empfundenen Aussage musste das Denkmal hinter das Gebäude versetzt werden.
Zugleich gab es aber auch nichtstaatliche Menschenrechtsorganisationen wie »Memorial«, die sich mit verdrängten Kapiteln der Geschichte beschäftigten, wie mit den Gefangenen der Roten Armee und Zwangsarbeitern im Zweiten Weltkrieg. Sie galten nach ihrer Rückkehr als Verräter, wurden pauschal der Kollaboration mit den Deutschen verdächtigt und erneut in Lagern inhaftiert. Auch im Rahmen des staatlich-offiziellen Gedenkens gab es immer wieder engagierte lokale Kulturämter, die besondere Denkmäler und eine die Opfer einbeziehende Gedenkkultur durchsetzten. Dass an einigen Orten, häufig mit geringsten finanziellen Mitteln, kleine Erinnerungsstätten entstanden sind, ist oft auch dem Engagement von Privatpersonen oder von jüdischen Gemeinden zu verdanken. Etwa 100.000 sowjetische Juden auf dem Gebiet der heutigen Russischen Föderation waren nach 1941 vor allem Massenerschießungen der SS-Einsatzgruppen und ihrer Helfer zum Opfer gefallen. Zu Sowjetzeiten wurde an sie als »friedliche Bürger« erinnert. Erst seit Anfang der 1990er Jahre ging man dazu über, an offiziellen Denkmälern zusätzliche Tafeln anzubringen und die jüdischen Opfer zu benennen oder durch eine Übersetzung der Inschrift ins Hebräische ins Gedächtnis zu rufen. In Ansätzen gab es auch russische Forschung zum Holocaust. 2012 eröffnete in Moskau das auch von internationalen Experten anerkannte Jüdische Museum und Toleranzzentrum. Gleichzeitig wurde das politische Regime in Russland immer nationalistischer, in der Staatspropaganda dominiert ein offen revisionistisches Geschichtsnarrativ, das mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine noch aggressiver wurde. Währenddessen wurden wichtige zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter auch »Memorial«, massiv unterdrückt.
Erinnerung
Unmittelbar nach dem Krieg sollen deutsche Zivilisten im Barackenlager interniert worden sein. Das Truppenübungsgelände der Wehrmacht wurde von der Roten Armee übernommen und jahrzehntelang als solches weiterbenutzt. Das ehemalige Stalag I A, dessen Gelände sich nun teilweise auf sowjetischem und auf polnischen Gebiet befand, geriet in Vergessenheit.
1971 wurden die sterblichen Überreste von Kriegsgefangenen, die auf dem Lagerfriedhof begraben worden waren, exhumiert. Später entstand hier eine Gedenkanlage, in deren Zentrum sich eine große Steinskulptur befindet. Gedenkveranstaltungen für die ehemaligen Gefangenen der Stalag I A finden aber auch im Dorf Kamińsk (ehemals Stablack-Süd) auf polnischem Gebiet statt.
Öffnungszeiten
Die Gedenkanlage ist jederzeit zugänglich. Allerdings benötigen Besucher derzeit eine Sondergenehmigung der russischen Behörden, da sich das ehemalige Lagergelände im Grenzgebiet befindet.