Erinnerungsorte für die Opfer von »Vergeltungsmaßnahmen« 1943/44

Erinnerungsorte für die Opfer von »Vergeltungsmaßnahmen« 1943/44


1943 und 1944 führten die deutschen Besatzer auf Kreta zahlreiche gegen die Zivilbevölkerung gerichtete »Vergeltungsmaßnahmen« durch. An die Opfer erinnert eine Gedenkstätte in dem Bergdorf Amiras. In vielen Dörfern Kretas finden sich weitere Denkmäler.

Geschichte

Nach dem Abzug italienischer Truppen im September 1943 häuften sich Anschläge und Sabotageakte von kretischen Partisanen gegen die deutschen Besatzer auf Kreta. Wie auch zu Beginn der Besatzung 1941 reagierte die Wehrmacht mit äußerster Härte auf den Widerstand: Bei »Sühnemaßnahmen« wurden ganze Dörfer zerstört und viele Zivilisten getötet.
Am 12. September 1943 kamen in der Nähe von Ano Viannos im Südosten Kretas zwölf deutsche Soldaten bei Kämpfen mit Partisanen ums Leben. Der Kommandeur der auf Kreta stationierten 22. Infanteriedivision, General Friedrich W. Müller, befahl seinen Soldaten noch am selben Tag, Bewohner von Dörfern um Ano Viannos unverzüglich zu erschießen. In seinem Befehl forderte er seine Truppen auf, mit Härte und ohne Rücksichtnahme gegen die Zivilbevölkerung vorzugehen. In den folgenden Tagen zerstörten Soldaten mehrere Ortschaften in der Gegend. Die männlichen Dorfbewohner wurden zusammengetrieben und in Gruppen erschossen, die Häuser wurden niedergebrannt. Mehrere Frauen wurden von den Soldaten lebend in die brennenden Häuser gestoßen. In den Berichten der Wehrmacht zum »Unternehmen Viannos« ist von 440 getöteten Griechen die Rede.
Auch im Südwesten Kretas führten Einheiten der Wehrmacht in den folgenden Wochen ähnlich brutale Aktionen durch.

Opfergruppen

Bei den »Vergeltungsmaßnahmen« in den Dörfern um Ano Viannos kamen über 440 Männer, Frauen und Kinder, ums Leben. Etwa 350 von ihnen stammten direkt aus Ano Viannos.
Die genaue Zahl der in den Jahren 1941 bis 1944 auf Kreta ermordeten Zivilisten ist nicht bekannt. Vermutet wird, dass italienische und deutsche Besatzer etwa 2.000 bis 3.500 Kreter töteten. Hunderte Dörfer wurden vollständig oder teilweise zerstört.

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Im April 1941 marschierte die Wehrmacht in das Königreich Griechenland ein. Das Land wurde zwischen dem Deutschen Reich und seinen Verbündeten Italien und Bulgarien aufgeteilt. Die anschließende Plünderung der Landwirtschaft und der wenigen industriellen Anlagen des Landes verursachte im Winter 1941/42 eine Hungersnot, die vermutlich über 100.000 Griechen das Leben kostete. In der deutschen Besatzungszone bestimmten Raub, öffentliche Misshandlungen, Verhaftungen, Mord und Zwangsarbeit den Alltag der Juden. Zwischen dem 15. März und Mitte August 1943 organisierte ein SS-Sonderkommando – von den örtlichen Militärverwaltungen unterstützt – 19 Transporte mit etwa 46.000 Juden von Saloniki in die Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und Treblinka. Bereits Anfang März hatten die Behörden im bulgarischen Besatzungsgebiet, der griechischen Provinz Thrakien, über 4.000 Juden verhaftet, die die SS daraufhin nach Treblinka verschleppte. Im Herbst 1943 – nach der Kapitulation Italiens – rückte die Wehrmacht in die italienisch besetzte Zone Griechenlands ein. Im März 1944 deportierte die SS auch die dort ansässigen über 8.500 Juden – aus Athen, Ioannina oder von der Insel Rhodos – nach Auschwitz-Birkenau, deren Auslieferung Italien verweigert hatte. Die Zahl der ermordeten griechischen Juden liegt bei etwa 59.000. Das deutsche Besatzungsregime führte zu einer immer stärkeren griechischen Widerstandsbewegung, die 1943/44 von der Wehrmacht durch zahlreiche, brutale Übergriffe, Vergeltungsaktionen und Massenerschießungen bekämpft wurde. Ganze Dörfer, wie zum Beispiel Kalavrita und Distimo, wurden ausgelöscht. Insgesamt fanden wahrscheinlich über 100.000 griechische Zivilisten den Tod. Bereits während der deutschen Besatzung, ab 1944, hatten sich rechte, königstreue und linke, kommunistische Gruppierungen in Griechenland bekämpft. Diese Auseinandersetzung wurde von 1946 bis 1949 in einem Bürgerkrieg fortgeführt. Die siegreiche – von Großbritannien und den USA unterstützte – Rechte verfolgte einen strikt antikommunistischen Kurs. Um einem drohenden Wahlsieg der Linken zuvorzukommen, putschte sich 1967 das Militär an die Macht und regierte das Land in den folgenden sieben Jahren. Erst nach der Aufnahme Griechenlands in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft 1981 kam es zur Anerkennung auch des linken Widerstandes im Zweiten Weltkrieg und nach dem Zusammenbruch des Ostblocks 1990/91 schließlich zur Überwindung des gespaltenen Gedenkens und zu einer Aufarbeitung des Bürgerkriegs 1946–1949. Die griechische Gedenkkultur ist heute in weiten Teilen noch immer durch das Gedenken an den Widerstand gegen die Deutschen dominiert. Inschriften beziehen die Bezeichnung »Holocaust« nicht selten auf den Mord an der Zivilbevölkerung, beispielsweise als »Holocaust von Kalavrita«. Das Gedenken an die Ermordung von 85 Prozent der griechischen Juden blieb lange Zeit den jüdischen Gemeinden überlassen. In Saloniki, der Stadt mit der früher größten Gemeinde, stand bis 1997 auf dem jüdischen Friedhof das einzige Denkmal zur Erinnerung an den Holocaust. Mit den Feierlichkeiten anlässlich der Ernennung zur Europäischen Kulturhauptstadt 1997 errichtete die Stadt an zentraler Stelle ein Holocaustdenkmal, das 2005 an eine andere Stelle umgesetzt wurde. 2010 wurde auch in Athen ein neues Holocaustdenkmal enthüllt. Ein Holocaustmuseum in Saloniki, an dem sich auch die Bundesrepublik Deutschland mit zehn Millionen Euro beteiligt, ist im Bau.

Erinnerung

In beinahe jedem Ort auf Kreta, in dem bei »Vergeltungsmaßnahmen« Zivilisten ermordet wurden, steht heute ein Denkmal mit den Namen der Opfer. Im Südosten Kretas befindet sich das »Geisterdorf« Epano Simi, in das nach seiner Zerstörung keine Einwohner mehr zurückkehrten. Die Ruinen des einstigen Dorfes sollen mahnend an die Ereignisse vom September 1943 erinnern.
Das Denkmal im wenige Kilometer entfernten Amiras befindet sich am Ortsrand auf einem Hügel. Auf neun Steinfiguren sind die Namen der in der Region um Ano Viannos ermordeten Kreter eingraviert.

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