Neue Synagoge und Gedenken an die Opfer des Holocaust

Доска »Памяти евреев, погибших от рук нацистов в годы Холокоста« и Кёнигсбергская синагога


Erst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1990/91 entstand im russischen Königsberger Gebiet (Kaliningradskaja Oblast) wieder eine jüdische Gemeinde, die sich auch mit der deutsch-jüdischen Geschichte bis 1945 beschäftigt. Sie erinnerte 2006 mit einer Gedenktafel am früheren Jüdischen Waisenhaus an die Opfer des Holocaust. Mittlerweile wurde die 1938 zerstörte Neue Synagoge wiederaufgebaut.

Geschichte

Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in Königsberg, der Hauptstadt der deutschen Provinz Ostpreußen, mehrere Synagogen für die etwa 4.700 Juden. Die größte war die Neue Synagoge der liberalen Gemeinde, die am 25. August 1896 eingeweiht wurde und als Beispiel für die Synthese von Backsteingotik und maurischen Formen galt. Das Gebäude mit seiner großen Kuppel befand sich an der Lindenstraße (heute: Oktjabrskaja-Straße), direkt an der Honigbrücke gegenüber dem Dom. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Synagoge errichtete die Gemeinde im Rahmen ihrer Wohlfahrtsaktivitäten 1904/05 ein Waisenhaus für 30 Jungen und 15 Mädchen.
In der »Reichspogromnacht« vom 9. auf den 10. November 1938 verwüsteten nichtjüdische Königsberger das Waisenhaus, zerschlugen die Inneneinrichtung der Synagoge und setzten Teile des Gebäudes in Brand. Die Zöglinge aus dem Waisenhaus trieben sie nachts in Schlafanzügen auf die Straße. Bald darauf wurde die Synagoge gesprengt und die Ruine bis 1942 abgetragen. Bis Ende 1941 gelang es noch mehreren hundert Juden, Königsberg zu verlassen. Am 24. Juni 1942 verschleppten SS-Angehörige 465 jüdische Kinder, Frauen und Männer vom Güterbahnhof des Königsberger Nordbahnhofs in die Vernichtungsstätte Malyj Trostenez bei Minsk; es war die größte Deportation aus Ostpreußen. Andere Transporte gingen bis Anfang 1945 in das Ghettolager Theresienstadt und in das Lager Auschwitz. Nach den britischen Bombenangriffen im August 1944 und dem Kampf um die »Festung Königsberg« im Frühjahr 1945 lag die Innenstadt in Trümmern. Nur wenige Juden überlebten die nationalsozialistische Verfolgung am Ort. Nachdem das nördliche Ostpreußen im Sommer 1945 der Sowjetunion zugeschlagen worden war, wurden die Juden wie alle anderen Deutschen 1947/48 aus dem Gebiet »ausgesiedelt«.

Opfergruppen

Die jüdische Gemeinde Königsbergs ist restlos zerstört worden. Viele emigrierten bereits in den ersten Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft, einige Hundert weitere zwischen November 1938 und 1941, so dass am Ende des Jahres 1941 nur noch etwa 1.000 Juden in Königsberg lebten. Eine Handvoll überlebte die Verfolgung im Versteck. Von den Deportierten überlebten nur einige Dutzend, etwa in Theresienstadt. Alle anderen sind an Orten wie Malyj Trostenez und Auschwitz ermordet worden.

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In der Russischen Föderation ist der 9. Mai – der Gedenktag an den Sieg der Sowjetunion im Großen Vaterländischen Krieg gegen den »Hitlerfaschismus« – der bedeutendste Feiertag, der aus der sowjetischen Vergangenheit übernommen wurde. Am 23. August 1939 hatte die Sowjetunion unter Josef Stalin (1878–1953) zunächst einen »Nichtangriffspakt« mit dem Deutschen Reich geschlossen. Beide Regime verständigten sich darin über ihre »Interessensphären« in Ostmitteleuropa und beschlossen unter anderem die gemeinsame Teilung Polens. Ab dem 22. Juni 1941 marschierten die deutsche Wehrmacht und ihre Verbündeten in sowjetisches Territorium ein. Bei Kriegsende 1945 waren auf dem besetzten sowjetischen Gebiet nach neueren Schätzungen insgesamt bis zu 28 Millionen Tote in Armee und Bevölkerung zu beklagen. Die sowjetische Erinnerungskultur ist im heutigen Russland wieder dominierend. Ihre Sinnbilder – wie die monumentalen Denkmäler in Sankt Petersburg oder Wolgograd – sind noch immer beliebt und weiterhin Schauplatz großer Gedenkveranstaltungen am 9. Mai. Diese Erinnerungsstätten sind allerdings weniger Orte der Trauer und des Totengedenkens als vielmehr der Heldenverehrung. Der Opfer wurde lange Zeit gar nicht, später als »Opfer des Faschismus« gedacht. Die Wirkungsmacht dieser Sicht auf die Vergangenheit lässt sich beispielhaft am Konflikt um eine 1995 aufgestellte Skulptur vor dem Museum des Großen Vaterländischen Kriegs in der Hauptstadt Moskau ablesen. Das Denkmal »Tragödie der Völker« ist den etwa zwanzig Millionen zivilen Opfer der Jahre 1941 bis 1944 in der Sowjetunion gewidmet und sollte einen Wendepunkt in der Erinnerungskultur Russlands markieren. Nach heftiger Kritik an der auch in der Bevölkerung als zu pessimistisch empfundenen Aussage musste das Denkmal hinter das Gebäude versetzt werden. Zugleich gab es aber auch nichtstaatliche Menschenrechtsorganisationen wie »Memorial«, die sich mit verdrängten Kapiteln der Geschichte beschäftigten, wie mit den Gefangenen der Roten Armee und Zwangsarbeitern im Zweiten Weltkrieg. Sie galten nach ihrer Rückkehr als Verräter, wurden pauschal der Kollaboration mit den Deutschen verdächtigt und erneut in Lagern inhaftiert. Auch im Rahmen des staatlich-offiziellen Gedenkens gab es immer wieder engagierte lokale Kulturämter, die besondere Denkmäler und eine die Opfer einbeziehende Gedenkkultur durchsetzten. Dass an einigen Orten, häufig mit geringsten finanziellen Mitteln, kleine Erinnerungsstätten entstanden sind, ist oft auch dem Engagement von Privatpersonen oder von jüdischen Gemeinden zu verdanken. Etwa 100.000 sowjetische Juden auf dem Gebiet der heutigen Russischen Föderation waren nach 1941 vor allem Massenerschießungen der SS-Einsatzgruppen und ihrer Helfer zum Opfer gefallen. Zu Sowjetzeiten wurde an sie als »friedliche Bürger« erinnert. Erst seit Anfang der 1990er Jahre ging man dazu über, an offiziellen Denkmälern zusätzliche Tafeln anzubringen und die jüdischen Opfer zu benennen oder durch eine Übersetzung der Inschrift ins Hebräische ins Gedächtnis zu rufen. In Ansätzen gab es auch russische Forschung zum Holocaust. 2012 eröffnete in Moskau das auch von internationalen Experten anerkannte Jüdische Museum und Toleranzzentrum. Gleichzeitig wurde das politische Regime in Russland immer nationalistischer, in der Staatspropaganda dominiert ein offen revisionistisches Geschichtsnarrativ, das mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine noch aggressiver wurde. Währenddessen wurden wichtige zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter auch »Memorial«, massiv unterdrückt.

Erinnerung

Die Ruinen der Neuen Synagoge neben dem Jüdischen Waisenhaus ließen die sowjetischen Machthaber abreißen und auch viele andere bauliche Spuren tilgen. Erst nach 1990/91 setzte eine Beschäftigung mit der deutschen und der deutsch-jüdischen Geschichte Königsbergs und Ostpreußens ein.
Das ehemalige Jüdische Waisenhaus ist das einzige Gebäude aus deutscher Zeit, das in dieser Gegend noch steht; es wird als Wohnhaus genutzt. Die Klinkerfassade ist hellrot getüncht. Rechts neben ihm, an der Stelle der Synagoge, hatte lange ein Zirkus sein Zelt stehen gehabt.errichtet. Auf Initiative der jüdischen Gemeinschaft »Adat Israel« wurde am 28. September 2006 am Haus eine Gedenktafel angebracht. Sie trugägt die russisch-hebräisch-deutsche Inschrift: »Zum Gedenken an die Juden, die dem Holocaust zum Opfer gefallen sind«. Da es keinerlei Bezug zum historischen Ort, dem Königsberger Jüdischen Waisenhaus oder der Neuen Synagoge, gaibt, duürften hiermit alle der bis zu sechs Millionen Ermordeten gemeint sein.
Im Oktober 2011 begannen die Arbeiten am Wiederaufbau der Königsberger Synagoge. Die Initiative dazu ging von russischen Privatleuten aus. Die Synagoge wurde am 9. November 2018, dem 80. Jahrestag ihrer Zerstörung, feierlich eingeweiht. Der Platz, an dem sich die Gedenktafel befand, ist nun überbaut.

Öffnungszeiten

Immer zugänglich.

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adatisrael@mail.ru

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236039 Kaliningrad