In der Nähe der Kleinstadt Mizocz, in der historischen Region Wolhynien nahe der Stadt Rowno (ukrainisch: Riwne, polnisch: Równe) im Nordwesten der Ukraine gelegen, erinnert seit Ende der späten 1980er Jahre ein Denkmal an die etwa 1.500 Juden, die am 14. und 15. Oktober 1942 durch ein deutsches Mordkommando dort erschossen wurden.
Die ersten jüdischen Familien siedelten sich im 18. Jahrhundert in Mizocz an. Vor dem Ersten Weltkrieg war das Gebiet um Mizocz eine Provinz des Russischen Zarenreiches, danach gehörte es zu Polen. Um 1920 war die Hälfte der Bevölkerung jüdisch, die andere Hälfte stellten Polen, Ukrainer und Tschechen. Infolge des Hitler-Stalin-Paktes kam das Gebiet im September 1939 unter sowjetische Besatzung. Mitte 1941 wurden 1.050 Juden im Ort gezählt, Flüchtlinge aus dem deutsch besetzen Polen mit einberechnet. Viele dieser Flüchtlinge wurden von den sowjetischen Behörden nach Sibirien deportiert, während die meisten jüdischen Geschäfte schließen mussten.
Bereits wenige Tage nach dem Angriff auf die Sowjetunion marschierte die deutsche Wehrmacht in Mizocz ein. Zuvor gelang es etwa dreihundert Juden, ins Innere der Sowjetunion zu fliehen. Kurz darauf kam es zu antijüdischen Ausschreitungen, die durch die nationalsozialistische Propaganda ermutigt wurden. Anfang August 1941 führten deutsche Einheiten erste Massenerschießungen von Juden in der Umgebung von Mizocz durch. Im Frühjahr 1942 mussten auf Befehl des deutschen Gebietskommissariats alle Juden der Gebiete Mizocz, Ostroh (polnisch: Ostróg) und Sdolbunow (ukrainisch: Sdolbuniw, polnisch: Zdołbunów) in Ghettos umziehen. Im Mizoczer Ghetto lebten etwa 1.700 jüdische Kinder, Frauen und Männer.
Am 13. Oktober 1942 umstellten Gendarmerie und ukrainische Schutzmannschaft das Mizoczer Ghetto. Einige Gefangene legten Feuer, um eine Flucht zu ermöglichen. Nur wenigen gelang es zu entkommen, 200 Personen fielen hingegen den Flammen zum Opfer.
Am nächsten Tag traf ein Erschießungskommando, bestehend aus Sicherheitspolizei und SD (Sicherheitsdienst), in Mizocz ein. Es trieb die Juden zu einer Senke außerhalb der Stadt und ermordete sie durch Genickschüsse. Innerhalb von zwei Tagen erschoss die Einheit bis zu 1.500 jüdische Kinder, Frauen und Männer.
Die wenigen überlebenden Juden hielten sich bis zur Ankunft der Roten Armee versteckt.
Beim Brand, den Gefangene bei der Auflösung des Mizoczer Ghettos am 13. Oktober 1942 legten, starben 200 Juden. In den darauf folgenden zwei Tagen erschoss das Mordkommando bis zu 1.500 jüdische Kinder, Frauen und Männer. Die Einheit unterstand dem Kommandeur der Sicherheitspolizei und des DS (KdS) Wolhynien-Podolien Dr. Karl Pütz.
Zwischen 1941 und September 1943 ermordeten die Nationalsozialisten etwa 95.000 Juden im gesamten Gebiet Rowno.
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Schätzungsweise überlebten nur etwa 1,5 Prozent der Juden der Region Wolhynien den Holocaust. Von den etwa 2.000 Juden, die vor den Massenerschießungen im Oktober 1942 in Mizocz lebten, waren bei der Befreiung durch die Rote Armee 1944 nur noch 19 Personen am Leben.
Nach der Befreiung war für die wenigen jüdischen Überlebenden in Wolhynien die Umzäunung der Mordstätten ein wichtiges Anliegen. Dafür mussten sie meist selbst die Initiative übernehmen. Im Winter 1944/45 verließen viele Juden aus Wolhynien die Sowjetunion. Die meisten Juden, die nach dem Krieg in Wolhynien lebten, waren aus anderen Teilen der Sowjetunion zugezogen.
Die Massenerschießung von Mizocz wurde Anfang der 1960er Jahre Gegenstand eines Gerichtsverfahrens in der Bundesrepublik. Eine wesentliche Rolle spielten dabei fünf Fotografien des Augenzeugen Gustav Hille, der als Gendarm der Erschießung von Frauen und Kindern am 14. Oktober beiwohnte.
In der Nähe des Standorts der Massenerschießung wurde Ende der 1980er Jahre ein Denkmal errichtet. 1992 besuchten erste Delegationen aus Israel und den USA das Denkmal, um der Opfer zu gedenken. Die Nachkommen der Opfer errichteten eine Gedenktafel mit der ukrainischen Inschrift:»In Erinnerung an die Opfer des Holocaust des Jahres 1942«.
Eine der wenigen Erinnerungen an die einst große jüdische Gemeinde von Mizocz ist der jüdische Friedhof. Die einst bis zu 100 Grabsteine sind nur noch schwer zu erkennen. Auf Initiative eines israelischen Rabbiners wurde 2012 ein Aufruf zur Erhaltung des Friedhofs gestartet.
Das Denkmal ist jederzeit zugänglich.
35740 Mizocz