In Pleskau (russisch: Pskow), im Nordwesten Russlands, gibt es mehrere Gedenkzeichen, die an die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges und an die Opfer der deutschen Besatzung 1941 bis 1944 erinnern.
Geschichte
Am 9. Juli 1941 – knapp drei Wochen nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion – marschierte die Wehrmacht in Pleskau, eine der ältesten russischen Städte, ein. Nur wenige Bewohner waren evakuiert worden. 1.000 der 60.000 Einwohner hatten eine jüdische »Nationalität«. Im Gebiet um Pleskau war die Einsatzgruppe A eingesetzt, die Massenerschießungen vor allem an Juden durchführte. Die nichtjüdische Bevölkerung wurde Opfer der deutschen Hungerpolitik. Zwischen Dezember 1942 bis Frühjahr 1943 baute die paramilitärische Organisation Todt ein Herrenhaus nahe Pleskau zum Führerquartier »Wasserburg« aus, das allerdings niemals von Adolf Hitler und seinem Stab genutzt, sondern an die Heeresgruppe Nord übergeben wurde. Ab Sommer 1942 erstarkte die Partisanenbewegung in der Gegend. Die deutsche Besatzungsmacht brannte bei sogenannten Vergeltungsaktionen insbesondere 1943/44 zahlreiche Häuser nieder, löschte mehrere Dörfer aus und tötete Zehntausende Zivilisten. Zwischen März 1942 und Juli 1944 wurden rund 11.000 Pleskauer als Zwangsarbeiter in das Deutsche Reich verschleppt. Am 23. Juli 1944 wurde die Stadt von der Roten Armee zurückerobert.
Opfergruppen
Etwa 225.000 Menschen kamen nach russischen Schätzungen während der deutschen Besatzungszeit im Gebiet Pleskau (russisch: Pskowskaja Oblast) um – vor allem Zivilisten und sowjetische Kriegsgefangene.
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Russische Föderation
In der Russischen Föderation ist der 9. Mai – der Gedenktag an den Sieg der Sowjetunion im Großen Vaterländischen Krieg gegen den »Hitlerfaschismus« – der bedeutendste Feiertag, der aus der sowjetischen Vergangenheit übernommen wurde. Am 23. August 1939 hatte die Sowjetunion unter Josef Stalin (1878–1953) zunächst einen »Nichtangriffspakt« mit dem Deutschen Reich geschlossen. Beide Regime verständigten sich darin über ihre »Interessensphären« in Ostmitteleuropa und beschlossen unter anderem die gemeinsame Teilung Polens. Ab dem 22. Juni 1941 marschierten die deutsche Wehrmacht und ihre Verbündeten in sowjetisches Territorium ein. Bei Kriegsende 1945 waren auf dem besetzten sowjetischen Gebiet nach neueren Schätzungen insgesamt bis zu 28 Millionen Tote in Armee und Bevölkerung zu beklagen.
Die sowjetische Erinnerungskultur ist im heutigen Russland wieder dominierend. Ihre Sinnbilder – wie die monumentalen Denkmäler in Sankt Petersburg oder Wolgograd – sind noch immer beliebt und weiterhin Schauplatz großer Gedenkveranstaltungen am 9. Mai. Diese Erinnerungsstätten sind allerdings weniger Orte der Trauer und des Totengedenkens als vielmehr der Heldenverehrung. Der Opfer wurde lange Zeit gar nicht, später als »Opfer des Faschismus« gedacht. Die Wirkungsmacht dieser Sicht auf die Vergangenheit lässt sich beispielhaft am Konflikt um eine 1995 aufgestellte Skulptur vor dem Museum des Großen Vaterländischen Kriegs in der Hauptstadt Moskau ablesen. Das Denkmal »Tragödie der Völker« ist den etwa zwanzig Millionen zivilen Opfer der Jahre 1941 bis 1944 in der Sowjetunion gewidmet und sollte einen Wendepunkt in der Erinnerungskultur Russlands markieren. Nach heftiger Kritik an der auch in der Bevölkerung als zu pessimistisch empfundenen Aussage musste das Denkmal hinter das Gebäude versetzt werden.
Zugleich gab es aber auch nichtstaatliche Menschenrechtsorganisationen wie »Memorial«, die sich mit verdrängten Kapiteln der Geschichte beschäftigten, wie mit den Gefangenen der Roten Armee und Zwangsarbeitern im Zweiten Weltkrieg. Sie galten nach ihrer Rückkehr als Verräter, wurden pauschal der Kollaboration mit den Deutschen verdächtigt und erneut in Lagern inhaftiert. Auch im Rahmen des staatlich-offiziellen Gedenkens gab es immer wieder engagierte lokale Kulturämter, die besondere Denkmäler und eine die Opfer einbeziehende Gedenkkultur durchsetzten. Dass an einigen Orten, häufig mit geringsten finanziellen Mitteln, kleine Erinnerungsstätten entstanden sind, ist oft auch dem Engagement von Privatpersonen oder von jüdischen Gemeinden zu verdanken. Etwa 100.000 sowjetische Juden auf dem Gebiet der heutigen Russischen Föderation waren nach 1941 vor allem Massenerschießungen der SS-Einsatzgruppen und ihrer Helfer zum Opfer gefallen. Zu Sowjetzeiten wurde an sie als »friedliche Bürger« erinnert. Erst seit Anfang der 1990er Jahre ging man dazu über, an offiziellen Denkmälern zusätzliche Tafeln anzubringen und die jüdischen Opfer zu benennen oder durch eine Übersetzung der Inschrift ins Hebräische ins Gedächtnis zu rufen. In Ansätzen gab es auch russische Forschung zum Holocaust. 2012 eröffnete in Moskau das auch von internationalen Experten anerkannte Jüdische Museum und Toleranzzentrum. Gleichzeitig wurde das politische Regime in Russland immer nationalistischer, in der Staatspropaganda dominiert ein offen revisionistisches Geschichtsnarrativ, das mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine noch aggressiver wurde. Währenddessen wurden wichtige zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter auch »Memorial«, massiv unterdrückt.
Erinnerung
In der Stadt Pleskau entstanden bereits kurz nach Kriegsende erste Erinnerungszeichen für die gefallenen Soldaten der Roten Armee. In den 1960er, vor allem aber Mitte der 1990er folgten weitere Gedenksteine – beispielsweise an den Orten früherer Lager wie des Stalag 372 und des »Lazaretts«, wo zwischen 1941 und 1944 34.200 sowjetische Kriegsgefangene auf dem Gelände einer Schule umkamen. Erst 2003 wurde an einem Ort von Massenerschießungen im nahegelegenen Dorf Luchnowo ein Denkmal der Öffentlichkeit übergeben, das den »Opfern des Holocaust« gewidmet ist – auf Initiative des Rats der jüdischen Organisation in der Stadt 1999. Außerdem gibt es ein kleines Holocaust-Museum.