Gedenk- und Dokumentationsstätte KZ Drütte

Gedenk- und Dokumentationsstätte KZ Drütte


In der 1942 gegründeten Stadt Salzgitter im nördlichen Harzvorland erinnert seit 1994 auf dem Werksgelände der Salzgitter AG eine Gedenkstätte an das Schicksal der Menschen, die hier Zwangsarbeit leisten mussten. Zwischen 1942 und 1945 wurden tausende Zwangsarbeiter in der Rüstungsproduktion eingesetzt.

Geschichte

Die »Reichswerke Hermann Göring« wurden 1937 als staatliches Unternehmen zur Stahl- und Rüstungsproduktion gegründet. In der Nähe des Ortes Watenstedt im nördlichen Harzvorland wurde ein Stahlwerk errichtet. In der Folgezeit zogen tausende Arbeiter in die Region und mehrere Ortschaften wurden zur Großstadt Watenstedt-Salzgitter zusammengelegt. Das neue Industrieunternehmen benötigte schon bald wesentlich mehr Arbeitskräfte als verfügbar waren; die »Reichswerke« warben gezielt auch aus dem Ausland Arbeiter an. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs kamen die ersten polnischen Zwangsarbeiter nach Watenstedt-Salzgitter. 1940 richtete hier die Gestapo Braunschweig ein »Arbeitserziehungslager« (AEL) ein. Im Verlauf des Krieges entstanden weitere Lager: Kriegsgefangene aus Ost- und Westeuropa und sowjetische Zivilisten (so genannte Ostarbeiter) wurden zur Arbeit gezwungen. Verantwortliche der »Reichswerke« und der SS vereinbarten im September 1942 zudem den Einsatz von KZ-Häftlingen als Zwangsarbeiter auf dem Werksgelände. Am 18. Oktober 1942 traf ein erster Transport mit Häftlingen aus dem KZ Buchenwald in das neu eingerichtete Außenlager Drütte ein, das unter die Zuständigkeit des KZ Neuengamme fiel. Im November 1942 waren 250 Häftlinge in Drütte inhaftiert, bis 1944 stieg die Anzahl der Zwangsarbeiter auf über 2.700 an.
Die Häftlinge mussten in Watenstedt-Salzgitter Munition fertigen, vor allem Granaten. Im Mai und September 1944 entstanden zwei weitere Lager mit über 3.000 KZ-Häftlingen. Am 7. April 1945 löste die SS die Konzentrationslager auf und transportierte die Häftlinge mit Zügen in verschiedene Auffanglager. Wie viele Lager es in der Region Watenstedt-Salzgitter gegeben hat, ist nicht klar: Bei ihrem Einmarsch am 11. April 1945 fanden die Alliierten noch 67 Lager mit Zehntausenden Insassen vor, die den »Reichswerken« zugehörig waren.

Opfergruppen

Etwa 40.000 Männer und Frauen leisteten bei den »Reichswerken Hermann Göring« in Watenstedt-Salzgitter Zwangsarbeit. Diese Häftlinge kamen aus fast allen Teilen Europas: Vor allem aus Polen und den besetzten sowjetischen Gebieten, aber auch aus Frankreich, Belgien und Italien. Sie kamen als Kriegsgefangene, »Ostarbeiter« und KZ-Häftlinge in die Region Salzgitter. Die Kriegsgefangenen wurden vor allem aus den Lagern »Stalag XI B« und »Stalag XI D« in Fallingbostel und dem Lager »Stalag XI C« bei Bergen-Belsen nach Watenstedt-Salzgitter gebracht. Auch Deutsche aus dem so genannten »Arbeitserziehungslager« wurden zur Arbeit gezwungen. Mindestens 4.000 Menschen starben in den Lagern in Watenstedt-Salzgitter.

Erfahre mehr über Deutschland

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Die Stahlwerke in Salzgitter blieben nach dem Zweiten Weltkrieg bestehen. 1983 gründeten Bürger der Stadt den Verein »Arbeitskreis Stadtgeschichte e.V.« und 1985 das »Komitee Dokumentationsstätte Drütte« mit dem Ziel eine Gedenkstätte auf dem Werksgelände einzurichten. Der Vorstand der damaligen »Peine-Salzgitter AG« stellte sich jedoch gegen das auch vom Betriebsrat unterstützte Vorhaben. 1992 wurde eine Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Vorstand der Stahlwerke getroffen: Die Peine-Salzgitter AG stellte einen der ehemaligen Unterkunftsräume für KZ-Häftlinge auf dem Werksgelände zur Verfügung. Am 11. April 1994 eröffnete die »Gedenk- und Dokumentationsstätte KZ Drütte«. In der Gedenkstätte befindet sich eine Dauerausstellung zum KZ Drütte.

Öffnungszeiten

Nur nach Anmeldung und mit Führung. Für Besucher ohne Voranmeldung ist die Gedenkstätte jeden zweiten Samstag im Monat von 15.00 bis 17.00 Uhr geöffnet.

Kontakt

http://www.gedenkstaette-salzgitter.de

info@gedenkstaette-salzgitter.de

+49 (0)5341 445 81

Eisenhüttenstraße 99
38239 Salzgitter