Erinnerung an die ermordeten Juden von Polozk

Память забытых евреев Полоцка / Памяць забытых яўрэяў Полацка


In der belarussischen Kleinstadt Polozk (belarussisch: Polazk), erinnern mehrere Denkmäler an die etwa 8.000 Juden, die dort 1941/1942 von den Deutschen und ihren Helfern ermordet wurden.

Geschichte

Das um 780 gegründete Polozk, etwa 200 nordöstlich von Minsk am der Düna gelegen, gilt als älteste Stadt von Belarus. Juden siedelten hier mit Unterbrechungen ab Mitte des 16. Jahrhunderts. 1939 lebten in der Stadt etwa 6.470 Juden, was etwa 30 Prozent der Gesamtbevölkerung entsprach.
Die deutsche Wehrmacht besetzte die Stadt am 16. Juli 1941. Wenige Tage später erschossen die Deutschen etwa 200 Angehörige der örtlichen Eliten, darunter auch viele Juden. Die übrigen Juden wurden zur Zwangsarbeit gezwungen und mussten Kennzeichnung tragen.
Anfang August mussten alle Juden der Stadt in Ghettos umziehen. Wenige Wochen später führten Mitglieder des Einsatzkommandos 9 der Einsatzgruppe B die erste Massenerschießung von Juden in Polozk durch. Die Zahl der Opfer ist unbekannt.
Mitte September 1941 mussten alle Juden in ein neues Ghetto umziehen, das in einer ehemaligen Backsteinfabrik am Stadtrand eingerichtet wurde. Viele Juden verdursteten, weil zu den ohnehin ungenügenden Essensrationen kein Wasser ausgeteilt wurde.
Am 21. November 1941 trieben deutsche Soldaten, unterstützt durch belarussische Polizisten den Großteil der Ghettobewohner in die Nähe der Militärsiedlung Borowucha 2. Dort wurden sie von Männern des Einsatzkommandos 9 erschossen. Im Dezember ermordete das Kommando weitere Juden in Polozk und Umgebung.
Etwa 615 jüdische Facharbeiter und ihre Familien wurden zunächst von den Erschießungen ausgenommen, bis sie am 3. Februar 1942 ebenfalls ermordet wurden.

Opfergruppen

Insgesamt ermordeten deutsche Einheiten, allen voran das Einsatzkommando 9 der Einsatzgruppe B, etwa 8.000 Juden aus Polozk und Umgebung.

Erfahre mehr über Belarus

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 und dem Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen kam der Nordosten des Landes zu Belarus als Teil der Sowjetunion. Im Sommer 1941 wurde dann ganz Belarus von deutschen Truppen erobert. Während der folgenden drei Jahre kam jeder vierte oder gar jeder dritte Einwohner gewaltsam ums Leben. Fast alle Städte des Landes wurden völlig zerstört. Wehrmacht oder SS brannten etwa 620 Dörfer, darunter Chatyn, systematisch samt ihren Einwohnern nieder. Malyj Trostenez, nahe der belarussichen Hauptstadt Minsk, war die größte Vernichtungsstätte auf dem Gebiet der besetzten Sowjetunion. Heute nimmt man an, dass mindestens 60.000 deutsche und einheimische Juden dort ermordet wurden. Für Minsk wird die Zahl der getöteten Juden auf bis zu 85.000 geschätzt, für das gesamte Gebiet auf 230.000. Belarus bildete von 1941 an mit über tausend aktiven Gruppen ein Hauptgebiet des sowjetischen Partisanenkampfes gegen die deutschen Besatzer. Ab Ende 1943 wurde das Land von der Roten Armee zurückerobert und galt im Sommer 1944 als vollständig von der deutschen Besatzung befreit. Das Land war weitestgehend verwüstet, das gesellschaftliche Gefüge erschüttert und die Menschen traumatisiert. Belarus gehörte ab 1944 wieder zur Sowjetunion. Ein großer Teil der 1939 einverleibten polnischen Gebiete blieben Teil des Landes. In der staatlichen Erinnerungs- und Denkmalkultur des Landes dominierten nach Kriegsende der Tag der Befreiung des Landes am 3. Juli 1944 und der Tag des Sieges am 9. Mai 1945 als Ende eines »heldenhaften« Kampfes im Großen Vaterländischen Krieg. Von zentraler Bedeutung war stets auch die Erinnerung an den Partisanenkrieg. Im sowjetischen Staatsverband verzichtete man auf eine eigenständige Nennung des Massenmords an den Juden. Daher stellt ein Obelisk in der Erschießungsgrube am ehemaligen Minsker Ghetto, der »Jama«, eine Besonderheit auf dem Gebiet der damaligen Sowjetunion dar. Er wurde bereits 1946 errichtet und blieb für Jahrzehnte das einzige Denkmal mit einer jiddischen Aufschrift und direkter Nennung der ermordeten Juden. Ungewöhnlich ist auch die Erinnerungsstätte in Chatyn, wo im März 1943 153 Menschen bei lebendigem Leib verbrannt worden waren. 1969 entstanden, zeichnet sie sich durch Schlichtheit aus und verzichtet auf die sonst übliche Monumentalität, es stehen die menschliche Dimension des Grauens und das Leid der Opfer im Vordergrund. Mit der Schaffung eines unabhängigen belarussischen Staates 1991 begann die Suche nach einer eigenen nationalen Identität. Hierbei spielen die Opferzahlen – insbesondere während des Zweiten Weltkrieges – eine entscheidende Rolle. Bewusst wird allerdings eine Unterscheidung zwischen dem Gebietstand vor und nach 1939 vermieden. Die Verbrechen der Stalinzeit, aber auch der Holocaust rückten ebenso in das Blickfeld, wurden aber aufgrund der vorhandenen Regierungsform nicht weitergehend öffentlich gemacht. Das staatliche Gedenken, das seinen Ausdruck auch im 2014 eröffneten, monumentalen Neubau des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges findet, bleibt vom Kampf in den Jahren 1941 bis 1944 geprägt. Zugleich hat jedoch der Verband der jüdischen Gemeinden in Belarus inzwischen eine Reihe von Denkmälern für die Opfer des Massenmordes errichten lassen. Seit Anfang der 1990er Jahre haben mehrere deutsche Städte Stelen im Gedenken an die dorthin deportierten und getöteten Juden in Minsk errichtet; das Berliner Erinnerungszeichen wurde – vom Land Berlin und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas finanziert – am 25. Juni 2009 feierlich eingeweiht. Auch eine würdige Gestaltung des Areals von Malyj Trostenez geht voran: seit 2015 erinnert eine Gedenkanlage an die Opfer. Ein zweiter Bauabschnitt wurde 2018 im Beisein der Staatspräsidenten Deutschlands, Österreichs und von Belarus eröffnet. An der Realisierung beteiligte sich auch die Bundesrepublik finanziell, wie auch an der Renovierung der Geschichtswerkstatt, die sich in einem historischen Gebäude auf dem Gebiet des ehemaligen Minsker Ghettos um die Dokumentation von Opferschicksalen kümmert.

Erinnerung

Die Rote Armee befreite Polozk am 4. Juli 1944. Nur wenige Juden überlebten den Krieg. Die Leiterin eines Kinderheims, die während des Krieges mehrere Juden gerettet hatte, wurde 1986 in Israel als »Gerechte unter den Völkern« geehrt.
Nach dem Krieg kehrten zunächst etwa 3.000 Juden nach Polozk zurück. Die meisten hatten überlebt, weil sie vor der Ankunft der Wehrmacht in das Innere der Sowjetunion hatten fliehen können. Viele zogen jedoch in den 1950er und 1960er aus der Provinzstadt Polozk wieder weg, so dass in den 1970er Jahren nur noch etwa 550 Juden in der Stadt gezählt wurden.
1965 wurde ein erstes Denkmal zu Ehren der »Opfer des Faschismus« eingeweiht. Die jüdische Herkunft von Tausenden Ermordeten in Polozk wurde nicht genannt.
Im November 2016 errichtete die Union der Belarussischen Jüdischen Gemeinden, unterstützt durch Stiftungen aus den USA und Großbritannien ein Denkmal im Stadtteil Borowucha 2, in dessen Nähe sich der Ort der größten Massenerschießung vom November 1941 befindet. Die belarussische, englische und hebräische Inschrift lautet: »Den Opfern des Nazismus. Tausende von Juden aus dem Ghetto Polozk wurden 1941–1942 in der Nähe des Dorfes Borowucha 2 brutal ermordet«. An der Spitze des Denkmals ist ein Chanukkaleuchter als jüdisches Symbol eingraviert.
In Polozk gibt es heute wieder eine aktive jüdische Gemeinde.

Öffnungszeiten

Die Denkmäler sind jederzeit zugänglich.

Kontakt

http://www.belarusmemorials.com

6663000@gmail.com

Vul. Barawaja
211400 Polozk