Gedenktafel zur Erinnerung an Tausende Juden der Stadt Grodno
Мемориальная доска памяти евреев г. Гродно / Мемарыяльная дошка памяці яўрэяў г. Гродна
In der heute belarussischen Großstadt Grodno (belarussisch: Hrodna) erinnert ein Denkmal auf dem Gebiet des ehemaligen Ghettos an die etwa 25.000 Juden, die dort zwischen 1941 und 1943 ums Leben kamen oder von der SS in Vernichtungslager deportiert und ermordet wurden.
Geschichte
Die Stadt Grodno an der Memel gehörte nach dem Ersten Weltkrieg zu Polen. In der Zwischenkriegszeit lebten dort etwa 21.000 Juden, sie machten fast die Hälfte der Gesamtbevölkerung der Stadt aus. Infolge des Hitler-Stalin-Paktes besetzte die Rote Armee Ostpolen und gliederte das Gebiet der Sowjetunion an, so auch Grodno, das nun an der neuen Grenze lag. Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion marschierte die Wehrmacht am 23. Juni 1941 in Grodno ein. Im November 1941 ließ die Gestapo zwei Ghettos in Grodno einrichten: Eins für etwa 10.000 jüdische Zwangsarbeiter und ein Ghetto, in das als »unproduktiv« eingestufte Juden umziehen mussten. Im Herbst 1942 wurden über 20.000 Juden aus der Umgebung in der Nähe von Grodno im ehemaligen Kriegsgefangenenlager Kielbasin (auch: Kolbasino) gesammelt. Im November 1942 befanden sich insgesamt etwa 44.000 Juden als Häftlinge in Grodno. Zu dieser Zeit begann die SS mit der Räumung der Ghettos: Mitte November 1942 wurde eines der Ghettos aufgelöst, die Juden, die der SS nutzlos erschienen, wurden nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Ungefähr zur gleichen Zeit wurden über 23.000 Juden aus dem Lager Kielbasin nach Auschwitz deportiert. Die übrigen Juden mussten in das Ghetto für Zwangsarbeiter umziehen. Das Zwangsarbeiterghetto blieb noch bis Januar 1943 bestehen, dann löste die SS auch dieses Ghetto auf: Mehr als 10.000 Juden aus Grodno wurden nach Auschwitz transportiert und zum größten Teil sofort in den Gaskammern ermordet. Als die Rote Armee Grodno Mitte Juli 1944 befreite, lebten in Grodno nur noch etwa 200 Juden.
Opfergruppen
Die gesamte jüdische Gemeinde, etwa 21.000 Männer, Frauen und Kinder aus Grodno, wurde von der SS aus den Ghettos in die Vernichtungslager Auschwitz und Treblinka deportiert, wo fast alle von ihnen ermordet wurden. Über 23.000 Juden aus der Umgebung von Grodno wurden vom Durchgangslager Kielbasin aus ebenfalls zu ihrer Ermordung in die Vernichtungslager deportiert.
Erfahre mehr über
Belarus
Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 und dem Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen kam der Nordosten des Landes zu Belarus als Teil der Sowjetunion. Im Sommer 1941 wurde dann ganz Belarus von deutschen Truppen erobert. Während der folgenden drei Jahre kam jeder vierte oder gar jeder dritte Einwohner gewaltsam ums Leben. Fast alle Städte des Landes wurden völlig zerstört. Wehrmacht oder SS brannten etwa 620 Dörfer, darunter Chatyn, systematisch samt ihren Einwohnern nieder. Malyj Trostenez, nahe der belarussichen Hauptstadt Minsk, war die größte Vernichtungsstätte auf dem Gebiet der besetzten Sowjetunion. Heute nimmt man an, dass mindestens 60.000 deutsche und einheimische Juden dort ermordet wurden. Für Minsk wird die Zahl der getöteten Juden auf bis zu 85.000 geschätzt, für das gesamte Gebiet auf 230.000. Belarus bildete von 1941 an mit über tausend aktiven Gruppen ein Hauptgebiet des sowjetischen Partisanenkampfes gegen die deutschen Besatzer. Ab Ende 1943 wurde das Land von der Roten Armee zurückerobert und galt im Sommer 1944 als vollständig von der deutschen Besatzung befreit. Das Land war weitestgehend verwüstet, das gesellschaftliche Gefüge erschüttert und die Menschen traumatisiert.
Belarus gehörte ab 1944 wieder zur Sowjetunion. Ein großer Teil der 1939 einverleibten polnischen Gebiete blieben Teil des Landes. In der staatlichen Erinnerungs- und Denkmalkultur des Landes dominierten nach Kriegsende der Tag der Befreiung des Landes am 3. Juli 1944 und der Tag des Sieges am 9. Mai 1945 als Ende eines »heldenhaften« Kampfes im Großen Vaterländischen Krieg. Von zentraler Bedeutung war stets auch die Erinnerung an den Partisanenkrieg. Im sowjetischen Staatsverband verzichtete man auf eine eigenständige Nennung des Massenmords an den Juden. Daher stellt ein Obelisk in der Erschießungsgrube am ehemaligen Minsker Ghetto, der »Jama«, eine Besonderheit auf dem Gebiet der damaligen Sowjetunion dar. Er wurde bereits 1946 errichtet und blieb für Jahrzehnte das einzige Denkmal mit einer jiddischen Aufschrift und direkter Nennung der ermordeten Juden. Ungewöhnlich ist auch die Erinnerungsstätte in Chatyn, wo im März 1943 153 Menschen bei lebendigem Leib verbrannt worden waren. 1969 entstanden, zeichnet sie sich durch Schlichtheit aus und verzichtet auf die sonst übliche Monumentalität, es stehen die menschliche Dimension des Grauens und das Leid der Opfer im Vordergrund.
Mit der Schaffung eines unabhängigen belarussischen Staates 1991 begann die Suche nach einer eigenen nationalen Identität. Hierbei spielen die Opferzahlen – insbesondere während des Zweiten Weltkrieges – eine entscheidende Rolle. Bewusst wird allerdings eine Unterscheidung zwischen dem Gebietstand vor und nach 1939 vermieden. Die Verbrechen der Stalinzeit, aber auch der Holocaust rückten ebenso in das Blickfeld, wurden aber aufgrund der vorhandenen Regierungsform nicht weitergehend öffentlich gemacht. Das staatliche Gedenken, das seinen Ausdruck auch im 2014 eröffneten, monumentalen Neubau des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges findet, bleibt vom Kampf in den Jahren 1941 bis 1944 geprägt. Zugleich hat jedoch der Verband der jüdischen Gemeinden in Belarus inzwischen eine Reihe von Denkmälern für die Opfer des Massenmordes errichten lassen. Seit Anfang der 1990er Jahre haben mehrere deutsche Städte Stelen im Gedenken an die dorthin deportierten und getöteten Juden in Minsk errichtet; das Berliner Erinnerungszeichen wurde – vom Land Berlin und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas finanziert – am 25. Juni 2009 feierlich eingeweiht. Auch eine würdige Gestaltung des Areals von Malyj Trostenez geht voran: seit 2015 erinnert eine Gedenkanlage an die Opfer. Ein zweiter Bauabschnitt wurde 2018 im Beisein der Staatspräsidenten Deutschlands, Österreichs und von Belarus eröffnet. An der Realisierung beteiligte sich auch die Bundesrepublik finanziell, wie auch an der Renovierung der Geschichtswerkstatt, die sich in einem historischen Gebäude auf dem Gebiet des ehemaligen Minsker Ghettos um die Dokumentation von Opferschicksalen kümmert.
Erinnerung
Nach dem Zweiten Weltkrieg lebten nur etwa 200 Juden in Grodno, das nun zur Sowjetunion gehörte. Sie wanderten bald nach Israel oder in die USA aus.
1965 wurde am ehemaligen Standort des Transitlagers Kielbasin eine Stele aufgestellt, die an die laut Inschrift über 14.000 Opfer erinnert.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurden 1991/92 eine Gedenktafel sowie eine Menora am Eingang zum ehemaligen Ghetto errichtet. Das Denkmal finanzierten zwei ehemalige Ghetto-Häftlinge, die inzwischen wiedererstandene jüdische Gemeinde Grodnos sowie die Stadtverwaltung.
Am südlichen Ende der »Bolschaja Troizkaja«-Straße befindet sich die am Anfang des 20. Jahrhunderts erbaute Große Synagoge. Sie wurde Anfang der 2010er Jahr restauriert. Seit 2012 befindet sich das Museum der Geschichte der Grodnoer Juden dort.
Früher befand sich ebenfalls in der »Bolschaja Troizkaja«-Straße ein jüdischer Friedhof. In den 1950er Jahren wurde der Friedhof von den sowjetischen Behörden planiert und in einen Parkplatz umgewandelt. Heute befindet sich dort ein Einkaufszentrum.