Dokumentationszentrum des Landes für die Opfer der Diktaturen in Deutschland

Dokumentationszentrum des Landes für die Opfer der Diktaturen in Deutschland


Ab 1933 urteilte die nationalsozialistische Justiz im Schweriner Landgericht am Demmlerplatz über politische Gegner. Nachdem am gleichen Ort von 1945 bis 1953 sowjetische Militärtribunale abgehalten worden waren, nutzte das Ministerium für Staatssicherheit der DDR den Gebäudekomplex als Untersuchungsgefängnis. Im Juni 2001 wurde das Dokumentationszentrum des Landes für die Opfer der Diktaturen in Deutschland eröffnet.

Geschichte

Das Schweriner Landgericht, ein monumentaler Repräsentativbau aus dem Jahr 1916, diente nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 als Sitz des mecklenburgischen Sondergerichts. Während Sondererlasse und Notverordnungen Massenverhaftungen politischer Gegner möglich machten, dienten die neu geschaffenen Sondergerichte deren schneller Aburteilung. In der Zeit des Zweiten Weltkriegs reichten bereits geringe Verdachtsmomente für die Verurteilung durch ein Sondergericht aus, wenn der Staatsanwalt die Ansicht vertrat, »dass durch die Tat die öffentliche Ordnung und Sicherheit besonders schwer gefährdet wurde«. Neben dem Sondergericht hatte auch das Erbgesundheitsgericht seinen Sitz im Schweriner Landgericht. Dieses ordnete Zwangssterilisierungen aufgrund des 1933 erlassenen »Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses« an. Zu den Opfern dieser Politik zählten sowohl Menschen mit vererbbaren Krankheiten als auch solche, die einfach zu einer »unerwünschten« Bevölkerungsgruppe gehörten.
Im April 1945 befreiten amerikanische Truppen Schwerin. Ab Juli 1945 wurde Mecklenburg Teil der Sowjetischen Besatzungszone. Das Schweriner Justizgebäude diente fortan als Sitz der sowjetischen Militärtribunale (SMT). Diese Tribunale hatten offiziell den Auftrag, Kriegsverbrechen sowie Handlungen, die gegen die Alliierten gerichtet waren, zu ahnden. Die sowjetischen Justizbehörden erhoben jedoch nicht nur gegen ehemalige Nationalsozialisten Anklage: Auch tatsächliche und vermutete Gegner des neuen politischen Systems wurden aufgrund »konterrevolutionärer Verbrechen« verurteilt.
1950 wurde in der DDR das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gegründet, deren wichtigste Aufgabe die Verfolgung politischer Gegner war. Von 1954 bis 1989 nutzte die Schweriner Bezirksverwaltung des MfS den Gerichtskomplex als Untersuchungsgefängnis.

Opfergruppen

Von 1933 bis 1945 verurteilten die Nationalsozialisten im Schweriner Sonder- und Erbgesundheitsgericht Menschen aus politischen, religiösen und »rassenhygienischen« Gründen. Schwerin war auch Schauplatz von Prozessen, die der Unterdrückung religiöser Gruppen dienten, wie zum Beispiel die Prozesse gegen Pastoren der Evangelischen Landeskirche 1934 und eine Serie von Prozessen gegen Angehörige der Zeugen Jehovas. In der Zeit des Krieges nahm das Ausmaß an politischer Verfolgung kontinuierlich zu. Aufgrund von Tatbeständen wie »Heimtücke«, »Rundfunkverbrechen« oder »Feindbegünstigung« ergingen durch das Sondergericht Schwerin zahlreiche Urteile, darunter auch zum Tode.
Nach Kriegsende wurden sowjetische Militärtribunale im Schweriner Gerichtskomplex abgehalten und viele, zum Teil willkürlich Verhaftete gefangen gehalten. Das Tribunal verhängte viele drakonische Strafen.
Ab 1954 zählte der Gerichtskomplex zu einem der 16 Untersuchungshaftanstalten des Ministeriums für Staatssicherheit. Einschüchternde Maßnahmen, wie vollständige Isolation und physische sowie psychische Folter prägten die Haftbedingungen.

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Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Nach der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit wurde das Gebäude 1990 wieder der Schweriner Justiz übergeben. 1993 forderte der Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR erstmals die Erschließung des Gebäudes als Gedenkstätte und als Ort politischer Bildungsarbeit. Nach Zustimmung der Landesregierung sollte der ehemalige Zellentrakt zu einem Dokumentationszentrum umgewandelt werden. Im Jahr 2000 übernahm die Landeszentrale für politische Bildung die Trägerschaft für die Einrichtung, die am 6. Juni 2001 durch den Bundespräsidenten eröffnet wurde. Der Aufbau der dreiteiligen Dauerausstellung konnte 2005 abgeschlossen werden. Heute widmet sich das Dokumentationszentrum vor allem aus regionaler Perspektive der Geschichte der politischen Verfolgung im 20. Jahrhundert.

Angebote

Dauerausstellung zur politischen Justiz von 1933 bis 1989, Lehrerfortbildung, Studientage, Führungen

Öffnungszeiten

dienstags bis freitags 12.30 bis 16.00 und nach Vereinbarung

Kontakt

http://www.dokumentationszentrum-schwerin.de/

dokuzentrum-schwerin@lpb.mv-regierung.de

+49 (0)385 745 299 11

Obotritenring 106
19055 Schwerin