Erinnerung an die ermordeten Juden von Krywyj Rih

Пам'ятник жертвам Голокосту у Кривому Розі


In der ukrainischen Großstadt Krywyj Rih (russisch: Kriwoj Rog) erinnern zwei Denkmäler an die etwa 5.000 Juden und 800 Kriegsgefangenen, die im Oktober 1941 ermordet wurden.

Geschichte

Die Großstadt Krywyj Rih (russisch: Kriwoj Rog) ist Zentrum der von der Eisenerz- und Stahlindustrie geprägten Region Kriwbass in der südlichen Ukraine.
Juden lebten in der 1775 gegründeten Stadt seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es mehrere antisemitische Ausschreitungen, bei denen die Synagoge der Stadt teilweise zerstört wurde. Die Synagoge wurde unter Stalin in den 1930er Jahren entweiht und vom sowjetischen Militär genutzt. 1939 hatte die Stadt über 12.700 jüdische Einwohner, was etwa 6,45 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachte.
Die deutsche Wehrmacht besetzte die Stadt am 14. August 1941. Zu diesem Zeitpunkt hielt sich noch etwa ein Drittel der jüdischen Bevölkerung in der Stadt auf – ein Großteil floh zuvor in den Osten, viele von ihnen schlossen sich der Roten Armee an. Juden mussten seit dem ersten Tag der Besatzung eine Kennzeichnung tragen. Wenige Tage später traf das Einsatzkommando 6 der Einsatzgruppe C ein. Ende des Monats erschoss diese Einheit 105 Juden. Sie hielt sich noch bis Anfang Oktober in der Stadt auf und ermordete in diesem Zeitraum weitere Juden, vorwiegend jüdische Kolchosbauern.
Zwei Monate nach Besetzung der Stadt zwangen die Deutschen alle jüdischen Einwohner, sich vor der ehemaligen Synagoge in der heutigen Kanasskaja-Straße einzufinden. Einheiten der SS und des Polizeiregiments Russland-Süd führten die jüdischen Kinder, Frauen und Männer zu einer Grube des Schachtes Nummer 5 in einem nahegelegenen Erzabbaugebiet. Dort zwangen sie alle, sich auszuziehen und erschossen die Juden in Gruppen von 10 bis 15 Personen. Am folgenden Tag ermordeten sie weitere Juden und Kriegsgefangene und verscharrten ihre Leichen in derselben Grube. Die jüdische Gemeinde von Krywyj Rih war ausgelöscht.

Opfergruppen

In den ersten Wochen nach der Besetzung Krywyj Rihs ermordete das Einsatzkommando 6 etwa 105 Juden. Am 14. und 15. Oktober 1941 ermordeten Einheiten der SS und des Polizeiregiments Russland-Süd bis zu 5.000 Juden und 800 Kriegsgefangene des Stalag 338 aus dem nahegelegenen Ort Schewtschenko.

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Die Ukraine, die zweitgrößte Republik der ehemaligen Sowjetunion, war einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust. Die Zahl der ukrainischen Todesopfer wird auf fünf bis sechs Millionen Menschen geschätzt, darunter Hunderttausende Juden. Mitte September 1939, nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens entsprechend einem deutsch-sowjetischen Geheimabkommen – dem Hitler-Stalin-Pakt –, kamen die südöstlichen Regionen Polens zur Sowjetukraine. Repressionen gegen die einheimische Bevölkerung gehörten fortan zum Alltag. Im Sommer 1941 traf der deutsche Angriff auf die Sowjetunion zunächst genau diese Gebiete. Schon in den ersten Tagen wurde die jüdische Bevölkerung als angebliche Stütze der Sowjetmacht Ziel blutiger Übergriffe. Sie gingen häufig von national gesinnten Ukrainern aus, die den Vormarsch der Wehrmacht zunächst begrüßten. Bald darauf begannen deutsche SS-Einsatzgruppen und verbündete rumänische Einheiten mit Massenerschießungen von Juden. Die Schlucht von Babij Jar (ukrainisch Babyn Jar) nahe Kiew, wo deutsche Einheiten und ukrainische Miliz an zwei Tagen im September 1941 mehr als 33.700 Juden ermordeten, ist heute ein weltweites Symbol für den Völkermord an den Juden. Auch die nichtjüdische Bevölkerung geriet ins Visier der Verfolger. In der nationalsozialistischen Rassenideologie galten Ukrainer wie alle »Slawen« als »Untermenschen«. Die Besatzer plünderten das Land, verschleppten weit über eine Million Zivilisten zur Zwangsarbeit und verübten öffentliche Geiselmorde. Ab 1943 tobte nicht nur ein Partisanenkrieg gegen die Wehrmacht, sondern auch der Kampf der nationalistischen »Ukrajinska Powstanska Armija« (Ukrainische Aufstandsarmee = UPA) gegen die Sowjets und die polnische Bevölkerung der Westukraine. Weit über 100.000 Polen fanden hierbei den Tod. 1944 wurde die Ukraine wieder sowjetisch und umfasst seitdem auch ehemals ostpolnische Regionen. Die UPA setzte ihren Kampf bis Mitte der 1950er Jahre fort. Die sowjetischen Behörden verschleppten rund 300.000 Ukrainer nach Sibirien, um diesen Widerstand zu brechen. Die Gedenkkultur war an der sowjetischen Symbolsprache ausgerichtet. Es entstanden monumentale Gedenkanlagen zur Feier des »Sieges« im Großen Vaterländischen Krieg. Erst in jüngerer Zeit trat neben die Heldenverehrung auch das Opfergedenken. In der Westukraine hat sich zudem eine Erinnerungskultur an den Kampf der UPA entwickelt, der als Unabhängigkeitskampf interpretiert wird. Eine Aufarbeitung der Kollaboration mit den deutschen Besatzern und des Antisemitismus hat erst um 2000 begonnen. Die Massenerschießungen an Juden wurden, mit wenigen Ausnahmen, bis in die 1980er Jahre übergangen. Erst die Regierung der unabhängigen Ukraine erkannte 1991 Babyn Jar als »Symbol jüdischen Märtyrertums« an. Die Ukraine war auch lange nach der Erlangung der Unabhängigkeit auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Die Dokumentation der sowjetischen Verbrechen – wie die staatlich herbeigeführte Hungerkatastrophe 1932/33 mit Millionen Toten (Holodomor) – hat größere Bedeutung als die Aufklärung über den Holocaust. Dennoch entstanden überall im Land neue Gedenkorte in Erinnerung an die ermordeten Juden, wie etwa die Gedenkstätte Drobizkij Jar in Charkiw oder das Holocaustmuseum in Odessa. An zahlreichen Massengräbern entstanden neue Denkmäler, teils mit Unterstützung aus Deutschland. In Kiew sollte bei der ehemaligen Massenerschießungsstätte Babyn Jar eine große Holocaustgedenkstätte mit weltweiter Ausstrahlung entstehen. Diese Pläne wurden mit dem großangelegten russischen Angriff auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 auf Eis gelegt. Welche Auswirkungen der Verteidigungskrieg in Zukunft auf die Holocausterinnerung haben wird, bleibt abzuwarten.

Erinnerung

Krywyj Rih wurde am 22. Februar 1944 durch die Rote Armee befreit.
1990 wurde etwa ein Kilometer westlich der eigentlichen Stätte der Massererschießung südlich der Stadt ein Denkmal für die »Opfer des Faschismus« errichtet. Die ukrainische Inschrift lautet: »In der Nähe dieses Ortes wurden am Schacht Nummer 5 während des Großen Vaterländischen Krieges 6.419 Zivilisten und 820 Kriegsgefangene ermordet«.
Die jüdische Gemeinde stellte sich mit der Unabhängigkeit der Ukraine neu auf. Neue Organisationen wurden gebildet, Schulen und Gebetszentren eröffnet. 2010 wurde die Synagoge »Bejs Schtern Schulman« eröffnet, die eine Bibliothek und das Museum Michail Marmer mit einschließt. Das Museum wurde nach seinem Förderer benannt und behandelt die Entstehung der jüdischen Gemeinde um 1860, die antisemitischen Pogrome am Anfang des 20. Jahrhunderts und die Vernichtung der jüdischen Gemeinde durch die deutschen Besatzer 1941. Die Synagoge steht an der Stelle eines ehemaligen jüdischen Gemeindehauses, das die sowjetischen Behörden 1932 zerstörten. 2013 wurde auf ihrem Gelände ein Denkmal in Erinnerung an die ermordeten Juden von Krywyj Rih errichtet. Die russische Inschrift lautet: »Jüdischen Opfern des Holocaust in den Jahren 1941–1943. Nazibesatzer ermordeten grausam an die 15.000 Juden aus Krywyj Rih«, darunter ist eine Inschrift auf Hebräisch eingraviert.
Die Jüdische Gemeinde von Krywyj Rih zählt heute etwa 1.200 Mitglieder.

Öffnungszeiten

Das Denkmal ist jederzeit zugänglich.

Kontakt

http://jewish-museum-marmer.dp.ua/

s08-01-58p@yandex.ru

+380 (056) 405 44 47