Am Stadtrand Bachmuts, auf dem Gelände einer Sektfabrik erinnert seit 1999 ein Denkmal an die etwa 3.000 Juden, die dort Anfang 1942 ermordet wurden.
Geschichte
Bachmut, im Südosten der Ukraine im sogenannten Donezkbecken gelegen, wurde 1924 zu Ehren des kommunistischen Revolutionärs Artjom (1883–1921) in Artemowsk (ukrainisch: Artemiwsk) umbenannt und erhielt seinen historischen Namen erst im Februar 2016 zurück.
Erste Hinweise auf jüdische Einwohner finden sich im 18. Jahrhundert. 1939 lebten 5.299 Juden in Bachmut und stellten damit etwa 10 Prozent der Bevölkerung.
Die deutsche Wehrmacht besetzte die Stadt am 1. November 1941. Bereits zuvor floh die Mehrheit der jüdischen Einwohner ins Innere der Sowjetunion. Die Deutschen führten antijüdische Maßnahmen ein und stellten eine einheimische Polizei auf, die aktiv an der Verfolgung der Juden teilnahm.
Unter dem Vorwand, dass sie umgesiedelt würden, mussten alle Juden Bachmuts am 9. Januar 1942 im Stadtpark erscheinen. Die deutschen Besatzungsbehörden zwangen sie, alle ihre Wertsachen auszuhändigen, anschließend sperrten sie die Juden in den Kellern des ehemaligen NKWD-Gebäudes ein. Nach mehreren Tagen ohne Nahrung und Wasser führte das Sonderkommando 4b der Einsatzgruppe C die Juden zu einem Alabasterbergwerk zwei Kilometer außerhalb der Stadt und trieben sie dort in einen Schacht. Mitglieder des Sonderkommandos schossen in die Menge und töteten dabei mehrere Personen. Die übrigen Opfer erstickten, nachdem die Deutschen den Tunnel zumauerten.
Opfergruppen
Zwischen den Opferangaben der deutschen Täter und der offiziellen sowjetischen Untersuchungskommission, die im Oktober 1943 den Tatort untersuchte, gibt es große Unterschiede. Dem Bericht des SD vom 6. März 1942 zufolge ermordete das Sonderkommando 4b 1.224 Juden in Bachmut, und erklärte die Stadt damit für »judenfrei«. Die sowjetischen Behörden gaben die Zahl der Opfer mit 3.000 an.
Erfahre mehr über
Ukraine
Die Ukraine, die zweitgrößte Republik der ehemaligen Sowjetunion, war einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust. Die Zahl der ukrainischen Todesopfer wird auf fünf bis sechs Millionen Menschen geschätzt, darunter Hunderttausende Juden.
Mitte September 1939, nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens entsprechend einem deutsch-sowjetischen Geheimabkommen – dem Hitler-Stalin-Pakt –, kamen die südöstlichen Regionen Polens zur Sowjetukraine. Repressionen gegen die einheimische Bevölkerung gehörten fortan zum Alltag. Im Sommer 1941 traf der deutsche Angriff auf die Sowjetunion zunächst genau diese Gebiete. Schon in den ersten Tagen wurde die jüdische Bevölkerung als angebliche Stütze der Sowjetmacht Ziel blutiger Übergriffe. Sie gingen häufig von national gesinnten Ukrainern aus, die den Vormarsch der Wehrmacht zunächst begrüßten. Bald darauf begannen deutsche SS-Einsatzgruppen und verbündete rumänische Einheiten mit Massenerschießungen von Juden. Die Schlucht von Babij Jar (ukrainisch Babyn Jar) nahe Kiew, wo deutsche Einheiten und ukrainische Miliz an zwei Tagen im September 1941 mehr als 33.700 Juden ermordeten, ist heute ein weltweites Symbol für den Völkermord an den Juden. Auch die nichtjüdische Bevölkerung geriet ins Visier der Verfolger. In der nationalsozialistischen Rassenideologie galten Ukrainer wie alle »Slawen« als »Untermenschen«. Die Besatzer plünderten das Land, verschleppten weit über eine Million Zivilisten zur Zwangsarbeit und verübten öffentliche Geiselmorde. Ab 1943 tobte nicht nur ein Partisanenkrieg gegen die Wehrmacht, sondern auch der Kampf der nationalistischen »Ukrajinska Powstanska Armija« (Ukrainische Aufstandsarmee = UPA) gegen die Sowjets und die polnische Bevölkerung der Westukraine. Weit über 100.000 Polen fanden hierbei den Tod. 1944 wurde die Ukraine wieder sowjetisch und umfasst seitdem auch ehemals ostpolnische Regionen. Die UPA setzte ihren Kampf bis Mitte der 1950er Jahre fort. Die sowjetischen Behörden verschleppten rund 300.000 Ukrainer nach Sibirien, um diesen Widerstand zu brechen.
Die Gedenkkultur war an der sowjetischen Symbolsprache ausgerichtet. Es entstanden monumentale Gedenkanlagen zur Feier des »Sieges« im Großen Vaterländischen Krieg. Erst in jüngerer Zeit trat neben die Heldenverehrung auch das Opfergedenken. In der Westukraine hat sich zudem eine Erinnerungskultur an den Kampf der UPA entwickelt, der als Unabhängigkeitskampf interpretiert wird. Eine Aufarbeitung der Kollaboration mit den deutschen Besatzern und des Antisemitismus hat erst um 2000 begonnen. Die Massenerschießungen an Juden wurden, mit wenigen Ausnahmen, bis in die 1980er Jahre übergangen. Erst die Regierung der unabhängigen Ukraine erkannte 1991 Babyn Jar als »Symbol jüdischen Märtyrertums« an. Die Ukraine war auch lange nach der Erlangung der Unabhängigkeit auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Die Dokumentation der sowjetischen Verbrechen – wie die staatlich herbeigeführte Hungerkatastrophe 1932/33 mit Millionen Toten (Holodomor) – hat größere Bedeutung als die Aufklärung über den Holocaust. Dennoch entstanden überall im Land neue Gedenkorte in Erinnerung an die ermordeten Juden, wie etwa die Gedenkstätte Drobizkij Jar in Charkiw oder das Holocaustmuseum in Odessa. An zahlreichen Massengräbern entstanden neue Denkmäler, teils mit Unterstützung aus Deutschland. In Kiew sollte bei der ehemaligen Massenerschießungsstätte Babyn Jar eine große Holocaustgedenkstätte mit weltweiter Ausstrahlung entstehen. Diese Pläne wurden mit dem großangelegten russischen Angriff auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 auf Eis gelegt. Welche Auswirkungen der Verteidigungskrieg in Zukunft auf die Holocausterinnerung haben wird, bleibt abzuwarten.
Erinnerung
Nach der Befreiung gelang es der sowjetischen Untersuchungskommission mit Hilfe der Einwohner etwa 400 Opfer zu identifizieren. In den darauf folgenden Jahrzehnten waren die sowjetischen Behörden jedoch nicht mehr daran interessiert, das Verbrechen genau aufzuarbeiten. Auch die jüdische Identität der Opfer wurde kaum mehr erwähnt, sie galten jahrzehntelang pauschal als »Opfer des Faschismus«.
Im ehemaligen Alabasterbergwerk, in dem das Verbrechen stattfand, eröffnete in den 1950er Jahren eine Sektfabrik, in der bis heute Krimsekt produziert wird.
Am 12. Januar 1999 eröffnete »Hesed Zikaron«, eine gemeinnützige jüdische Stiftung in Bachmut (damals noch Artemiwsk) zusammen mit der Stadtverwaltung und der Sektfabrik einen Gedenkort für die Opfer. Das Denkmal hat die Form einer Klagemauer. Es befindet sich an einer Felswand an der sich Wasser sammelt: In der Nische einer gemauerten Wand stehen zwei Figuren. An der Wand sind stilisierte Kerzen angebracht. Es finden dort regelmäßig Gedenkfeiern mit Zeitzeugen und Angehörigen der Opfer statt.
Öffnungszeiten
Um das Denkmal zu besichtigen, muss eine Führung durch die Weinkellerei gebucht werden.