Die Firma J. A. Topf & Söhne belieferte ab 1939 die SS mit Leichenverbrennungsöfen für Konzentrationslager. Im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau errichtete die Firma nicht nur riesige Verbrennungsöfen, sie stattete darüber hinaus die Gaskammern in den Krematorien mit Lüftungstechnik aus. Der 2011 eröffnete Erinnerungsort Topf & Söhne - Die Ofenbauer von Auschwitz ist die einzige historische Stätte in Europa, an der an einem ehemaligen Firmensitz die Mittäterschaft der Industrie am Holocaust gezeigt, belegt und vermittelt wird.
Die Firma J.A. Topf & Söhne wurde 1878 in Erfurt gegründet. Neben Mälzerei- und Brauereianlagen, Silos und industriellen Feuerungsanlagen stellte sie ab 1914 in einer kleinen Unterabteilung auch Krematoriumsöfen her. Die Konstruktionsweise der Öfen ermöglichte eine besonders pietätvolle Einäscherung und machte das Unternehmen zum Marktführer für Feuerbestattungsanlagen in der Weimarer Republik. Kurz nach Kriegsbeginn 1939 kam es im Konzentrationslager Buchenwald zum ersten von der SS herbeigeführten Massensterben. Die SS bestellte bei Topf & Söhne einen fahrbaren Verbrennungsofen, um die Leichen selbst beseitigen zu können. Innerhalb weniger Monate entwickelte der Ofenbau-Ingenieur Kurt Prüfer von Topf & Söhne weitere Ofentypen für Konzentrationslager. Nach dem Prinzip der Kadaververnichtung konstruiert, dienten sie allein dazu, die Leichen schnell und kostengünstig zu verbrennen und so die Spuren der Massenverbrechen zu beseitigen. Bis Kriegsende installierten die Mitarbeiter der Firma Topf & Söhne Verbrennungsöfen in Buchenwald, Dachau, Auschwitz, Groß-Rosen, Mogilew, Mauthausen und Gusen. Beim Ausbau von Auschwitz-Birkenau zum Vernichtungslager für die europäischen Juden und die Sinti und Roma ab 1942 lieferte Topf & Söhne Öfen und Lüftungstechnik für die Gaskammern. Durch den raschen Austausch der Luft konnte die SS ohne Verzögerung eine Mordaktion nach der anderen durchführen. Angesichts der großen Nachfrage leistungsstarker Öfen in Auschwitz-Birkenau entwickelte der Ingenieur Fritz Sander einen »kontinuierlich arbeitenden Leichenverbrennungsofen für Massenbetrieb«, der von der Firma zum Patent angemeldet, aber nicht gebaut wurde. Der Firmenleitung war bekannt, für welchen Zweck die SS die Produkte von Topf und Söhne nutzte. Ingenieure und Monteure bauten vor Ort die Anlagen auf und nahmen sie in Betrieb, in Auschwitz-Birkenau waren Monteure von Topf & Söhne bis zu einem Jahr im Einsatz. Noch im Februar 1945 konzipierte die Firma ein neues Vernichtungszentrum in der Nähe des KZ Mauthausen, in dem Ofenteile und Lüftungsanlagen, die in Auschwitz-Birkenau angesichts der heranrückenden Roten Armee abgebaut worden waren, wieder Verwendung finden sollten.
Das Firmengelände von Topf und Söhne in Erfurt ist ein Ort der Mitwisser und Mittäter. An diesem Ort wurden Menschen nicht verfolgt und ermordet. Jedoch wurden hier technische Anlagen entwickelt, produziert und verkauft, die der SS die Beseitigung der Lagertoten und damit die Vertuschung ihrer Verbrechen in den Konzentrationslagern ermöglichten und die in Auschwitz-Birkenau das industrielle Morden optimierten. Damit kommt Topf & Söhne eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung des Völkermords an den europäischen Juden und den Sinti und Roma zu.
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Nach der Befreiung des KZ Buchenwald durch die US-Armee nahmen amerikanische Offiziere Ermittlungen gegen die Firma im nahegelegenen Erfurt auf. Kurt Prüfer wurde verhaftet, nach zwei Wochen jedoch wieder freigelassen. Firmeninhaber Ludwig Topf beging angesichts seiner drohenden Verhaftung Ende Mai 1945 Selbstmord. Im Juli wurde Thüringen an die sowjetische Armee übergeben. Im März 1946 verhafteten sowjetische Offiziere vier Ingenieure der Firma, darunter Fritz Sander und erneut Kurt Prüfer. Fritz Sander verstarb kurz darauf, die anderen drei wurden 1948 in Moskau zu 25 Jahren Haft im Straflager verurteilt. 1947 wurde das Unternehmen enteignet und 1948 zum volkseigenen Betrieb (VEB). Die Verantwortung für die Geschäfte mit der SS wurde in der DDR allein bei den ehemaligen Firmeninhabern gesehen, die Rolle aller anderen Mitarbeiter wurde verschwiegen. Nach dem Ende der DDR wurde die Firma 1993 privatisiert, musste jedoch 1996 Konkurs anmelden. Das Firmengelände blieb ungenutzt und verfiel. 2001 besetzten Hausbesetzer einen Teil des Firmengeländes. Sie nutzten die ehemalige Klempnerei als Kulturzentrum und organisierten Veranstaltungen und Führungen zum Thema Topf und Söhne im Nationalsozialismus. 2007 erwarb ein Investor das Firmengelände. Er ließ 2009 das Gelände räumen, nachdem Gespräche zwischen der Stadt und den Besetzern über eine räumliche Alternative gescheitert waren. Das ehemalige Verwaltungsgebäude wurde ab 2008 saniert und 2011 von der Stadt als »Erinnerungsort Topf & Söhne - Die Ofenbauer von Auschwitz« eröffnet. Eine Dauerausstellung informiert über die Mittäterschaft der Firma am Holocaust. Die Außenausstellung zeigt ein begehbares Modell des Firmengeländes 1944/45. Auf dem Gelände des neu errichteten Fachmarktzentrums informieren Stelen über die Produktion der KZ-Öfen und der Lüftungstechnik
Dauerausstellung zur Geschichte der Mittäterschaft von Topf & Söhne am Holocaust, wechselnde Sonderausstellungen, Führungen und pädagogische Projekte nach Anmeldung, Veranstaltungsprogramm
Dienstag bis Sonntag: 10.00 bis 18.00
topfundsoehne@erfurt.de
+49 (0)361 655 168 1
Sorbenweg 7
99099 Erfurt