Erinnerung an ermordete Patienten der psychiatrischen Anstalt Konradstein

Pamięć pomordowanych pacjentów zakładu psychiatrycznego w Kocborowie


In der psychiatrischen Anstalt Konradstein (polnisch: Kocborowo) in Preußisch Stargard (Starogard Gdański) erinnern ein Gedenkstein und eine Gedenktafel an Patienten, die ab September 1939 durch die Nationalsozialisten ermordet wurden.

Geschichte

Preußisch Stargard, vorher Starogard genannt, fiel bei der ersten Teilung Polens 1772 an Preußen. Nach dem Ersten Weltkrieg war die Stadt wieder polnisch und befand sich im sogenannten Korridor, der die Provinz Ostpreußen vom Deutschen Reich trennte.
Seit Ende des 19. Jahrhunderts befindet sich auf einem großen Areal im Ortsteil Konradstein (Kocborowo) eine psychiatrische Anstalt. Kurz vor dem Krieg war diese Anstalt mit etwa 2.100 Patienten die größte ihrer Art Polens.
Bereits wenige Tage nach dem Angriff auf Polen marschierte die deutsche Wehrmacht in Preußisch Stargard ein. Wie überall im »Korridor« gingen die deutschen Behörden daran, den Einfluss der Polen gewaltsam zu brechen. Einheiten von SS und Volksdeutschem Selbstschutz führten im Rahmen dieser »Intelligenzaktion« Erschießungen von Tausenden Zivilisten in den eroberten Gebieten durch, um Polen als Staat auszulöschen und das Gebiet zu »germanisieren«.
In den Patienten psychiatrischer Anstalten sahen die Nationalsozialisten »unnütze Esser«, ganze Anstalten wurden in kurzer Zeit »leergemordet«. Zwischen dem 22. September 1939 und Ende Januar 1940 ermordete die SS 1.692 Patienten der Anstalt Konradstein sowie deren leitende polnische Angestellten im nahegelegenen Wald bei Spengawsken (Szpęgawsk).
Nach Januar 1940 ging das Morden an Patienten mit anderen Methoden weiter. Viele wurden dem Hungertod preisgegeben. Im Juli 1941 wurden 510 Patienten aus Konradstein nach Pirna-Sonnenstein in Sachsen gebracht, wo sich eine Tötungsstätte des nationalsozialistischen »Euthanasie«-Programms befand. Die Frauen und Männer wurden dort in der Gaskammer ermordet.
Danach sollen bis 1945 mindestens fünfhundert als krank eingestufte deutsche Kinder, sogenannte Reichsausschusskinder, in der Anstalt getötet worden sein.

Opfergruppen

Nach polnischen Angaben erschoss die SS im Wald bei Spengawsken 1.692 Patienten aus der Anstalt Konradstein, darunter 838 Frauen und 854 Männer. 510 Patienten der Anstalt wurden in der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein ermordet. Dazu kommt eine unbekannte Zahl an Patienten, auch an Kindern, die in der Anstalt selbst durch mangelnde Verpflegung oder die Verabreichung von Gift getötet wurden. Zu den Opfern zählen auch polnische Ärzte und Pflegekräfte, unter anderem der Vorkriegsdirektor der Anstalt Dr. Józef Kopicz.

Erfahre mehr über Polen

Mit dem Angriff auf Polen und der Besetzung des Landes durch deutsche Truppen im Westen und durch die Rote Armee im Osten begann im September 1939 der Zweite Weltkrieg. Unmittelbar nach dem Einmarsch setzten in beiden Teilungsgebieten Verfolgung und Terror ein. Deutsche Verbände verübten Massaker an Angehörigen der geistigen Eliten, jüdischen und nichtjüdischen Zivilisten sowie Patienten. Ab Ende 1939 errichtete die deutsche Verwaltung Ghettos, in denen die jüdische Bevölkerung unter elenden Bedingungen zusammengedrängt wurde. 1941, nach dem Angriff auf die Sowjetunion, geriet auch Ostpolen unter deutsche Herrschaft. SS-Einsatzgruppen ermordeten zunächst systematisch jüdische Männer, später auch Frauen und Kinder. Im Herbst 1941 begannen lokale deutsche Dienststellen im früheren Westpolen mit der Vorbereitung von Massentötungen jüdischer Ghettohäftlinge durch Giftgas. Bis 1945 wurden etwa drei Millionen polnische Juden in den Vernichtungsstätten Kulmhof, Belzec, Treblinka und Sobibor, in Majdanek und Auschwitz ermordet, verhungerten in den Ghettos oder wurden erschossen. 1943 erhoben sich die jüdischen Bewohner des Warschauer Ghettos zu einem Aufstand, den die SS blutig niederschlug. Polnische Soldaten kämpften auf Seiten der Alliierten an allen Fronten des Weltkriegs. Partisanengruppen, darunter die patriotische »Armia Krajowa« (Heimatarmee), bildeten die größte Widerstandsbewegung im besetzten Europa. Am 1. August 1944 begann der Warschauer Aufstand, die umfangreichste Erhebung von Zivilisten gegen die Deutschen im besetzten Europa. Er scheiterte, auch weil die Rote Armee – bereits am anderen Weichselufer stehend – nicht eingriff. Die Zahl der Toten wird auf bis zu 250.000 geschätzt. Insgesamt kamen etwa drei Millionen nichtjüdische Polen unter deutscher Besatzung gewaltsam zu Tode. Nachdem die Rote Armee bereits im Januar 1944 (ost-)polnischen Boden erreicht hatte, wurden die Truppen der Armia Krajowa vom sowjetischen Geheimdienst entwaffnet, ihre Offiziere erschossen oder verschleppt. Die Millionen Toten der Besatzungszeit, die dauerhafte Annexion Ostpolens durch die Sowjetunion, die Eingliederung ostdeutscher Gebiete und der daraus resultierende Bevölkerungsaustausch verursachten in Polen ein schweres politisches und gesellschaftliches Trauma. In der Erinnerungskultur stand das Gedenken an die Ermordung der europäischen Juden in deutschen Vernichtungslagern auf polnischem Boden zunächst im Hintergrund. So galt Auschwitz – im Ausland längst zum Symbol des Holocaust geworden – über Jahrzehnte vor allem als »Ort polnischen Martyriums«. Veränderungen gibt es allerdings seit Beginn des 21. Jahrhunderts. Dazu mögen auch die heftigen Debatten um den ostpolnischen Ort Jedwabne beigetragen haben. Das Massaker an etwa 340 Juden am 10. Juli 1941, das bis dahin »Gestapo und Hitler-Polizei« zugeschrieben worden war, hatten polnische »Nachbarn« ohne deutschen Zwang verübt. Die Diskussionen im In- und Ausland um eine polnische Mittäterschaft führten 2001 dazu, dass sich Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski (*1954) bei den Opfern entschuldigte. Forderungen von Fachleuten, etwa aus dem Institut des Nationalen Gedenkens, sich den schwierigsten Kapiteln der Vergangenheit zu stellen, wurden lauter. Zu diesen zählen auch antijüdische Pogrome 1946/47 und der staatliche Antisemitismus im sozialistischen Nachkriegspolen. Der polnische Staat investiert sehr viel in Erinnerungspolitik, auch in Großprojekte mit internationaler Ausstrahlung. Das Museum des Warschauer Aufstandes wurde bereits 2004 eröffnet. Das POLIN Museum der Geschichte der polnischen Juden eröffnete auf dem Gebiet des ehemaligen Warschauer Ghettos 2013, ein Museum des Warschauer Ghettos soll 2024 folgen. In Danzig gibt es seit 2017 das Museum des Zweiten Weltkrieges. Die ehemaligen deutschen Vernichtungslager Belzec und Sobibor wurden nach der Jahrtausendwende in moderne Gedenkstätten umgewandelt. Auch in der Kultur ist eine immer intensivere Beschäftigung mit dem jüdischen und multikulturellen Erbe Polens zu beobachten.

Erinnerung

Die psychiatrische Anstalt existiert bis heute, sie ist eine der größten in Polen. 1949 wurde im Hauptgebäude eine Gedenktafel angebracht, die in ihrer Inschrift an die 2.203 »durch die Nazibarbaren in Kliniken, Gefängnissen und in den Wäldern von Spengawsken ermordete Patienten« sowie an hunderte ermordete Kinder und an einzeln genannte ermordete Mitarbeiter erinnert.
Im Rahmen des Internationalen Jahres der Kinder errichteten polnische Pfadfinder 1979 einen Gedenkstein in Erinnerung an die hunderte Kinder, die in der Anstalt als »Reichsausschusskinder« ermordet wurden.
Im Wald bei Spengawsken, wo ein Großteil der Patienten und tausende andere polnische Zivilisten erschossen wurden, entstand nach dem Krieg eine große Gedenkanlage.

Öffnungszeiten

Der Gedenkstein im Park der Anstalt ist jederzeit zugänglich.

Kontakt

http://www.kocborowo.pl/

szpital@kocborowo.pl

+48 (0)58 56 20 600

ul. Skarszewska 7
83-200 Starogard Gdański