Erinnerung an die Vernichtungsstätte Malyj Trostenez

Мемориальный Комплекс Малый Тростенец / Мемарыяльны Комплекс Малы Трасцянец


In der Nähe des Dorfes Malyj Trostenez, etwa 12 Kilometer südöstlich von Minsk, erinnert seit 2015 eine Gedenkstätte an die hier ermordeten Menschen. Zwischen 1942 und 1944 befand sich in Malyj Trostenez die größte nationalsozialistische Vernichtungsstätte auf dem Gebiet der besetzten Sowjetunion.

Geschichte

Die belarussische Hauptstadt Minsk wurde am 28. Juni 1941 von der deutschen Wehrmacht besetzt. Drei Wochen später, am 19. Juli 1941, errichtete die deutsche Militärverwaltung ein Ghetto für die etwa 80.000 in Minsk lebenden Juden. Im 12 Kilometer entfernten Dorf Malyj Trostenez beschlagnahmten die deutschen Besatzungsbehörden den Kolchose-Betrieb »Karl Marx«, ein etwa 250 ha großes ehemaliges Gut, zur Versorgung von SS, Polizei und Wehrmacht in Minsk. Kriegsgefangene und Juden aus dem Ghetto mussten dort Zwangsarbeit zur Bewirtschaftung des Betriebs leisten. Ab November 1941 trafen Transporte mit Juden aus dem Deutschen Reich in Minsk ein. Um für diese im Ghetto Platz zu schaffen, ließ der Kommandeur der Sicherheitspolizei Minsk (KdS), Erich Ehrlinger, mehrere tausend Juden aus dem Ghetto erschießen. Viele der Erschießungen fanden im Wald von Blagowschtschina bei Malyj Trostenez statt. Zwischen Mai und Oktober 1942 trafen immer neue Transporte aus dem deutschen Reich, darunter auch Österreich sowie Böhmen und Mähren, in Minsk und dann in Malyj Trostenez ein. Diesmal erschossen Angehörige des KdS Minsk sofort alle Juden im Wald von Blagowschtschina. Vermutlich ab Juni 1942 setzte die SS auch sogenannte Gaswagen zur Ermordung der Juden ein.
Mitte Oktober 1943 erreichte das Sonderkommando 1005 Malyj Trostenez. Diese Sondereinheit, in der jüdische Häftlinge Zwangsarbeit leisteten, war geschaffen worden, um Spuren des Massenmords zu beseitigen. Die Männer mussten die Massengräber öffnen und die verwesenden Leichen auf Scheiterhaufen verbrennen. Vor ihrer Flucht vor der herannahenden Roten Armee verübten die Angehörigen des KdS eine letzte Mordaktion: Vom 28. bis 30 Juni 1944 erschossen sie die letzten Zwangsarbeiter von Malyj Trostenez sowie mehrere Tausend Häftlinge von Gefängnissen in Minsk in einer Scheune. Erst als sich 6.500 Leichen in der Scheune stapelten, brannten die Männer das Gebäude mitsamt der Leichen nieder. Drei Tage später erreichte die Rote Armee Malyj Trostenez.

Opfergruppen

In Malyj Trostenez ermordete die SS vor allem Juden, Partisanen, politische Häftlinge und belarussische Zivilisten. Die Juden stammten aus dem Minsker Ghetto und aus Deportationen aus dem Deutschen Reich. Wie viele Menschen in Malyj Trostenez ermordet wurden ist unklar. Die Zahl der Opfer liegt bei mindestens etwa 60.000, nach offiziellen sowjetischen Angaben bei 206.500.

Erfahre mehr über Belarus

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 und dem Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen kam der Nordosten des Landes zu Belarus als Teil der Sowjetunion. Im Sommer 1941 wurde dann ganz Belarus von deutschen Truppen erobert. Während der folgenden drei Jahre kam jeder vierte oder gar jeder dritte Einwohner gewaltsam ums Leben. Fast alle Städte des Landes wurden völlig zerstört. Wehrmacht oder SS brannten etwa 620 Dörfer, darunter Chatyn, systematisch samt ihren Einwohnern nieder. Malyj Trostenez, nahe der belarussichen Hauptstadt Minsk, war die größte Vernichtungsstätte auf dem Gebiet der besetzten Sowjetunion. Heute nimmt man an, dass mindestens 60.000 deutsche und einheimische Juden dort ermordet wurden. Für Minsk wird die Zahl der getöteten Juden auf bis zu 85.000 geschätzt, für das gesamte Gebiet auf 230.000. Belarus bildete von 1941 an mit über tausend aktiven Gruppen ein Hauptgebiet des sowjetischen Partisanenkampfes gegen die deutschen Besatzer. Ab Ende 1943 wurde das Land von der Roten Armee zurückerobert und galt im Sommer 1944 als vollständig von der deutschen Besatzung befreit. Das Land war weitestgehend verwüstet, das gesellschaftliche Gefüge erschüttert und die Menschen traumatisiert. Belarus gehörte ab 1944 wieder zur Sowjetunion. Ein großer Teil der 1939 einverleibten polnischen Gebiete blieben Teil des Landes. In der staatlichen Erinnerungs- und Denkmalkultur des Landes dominierten nach Kriegsende der Tag der Befreiung des Landes am 3. Juli 1944 und der Tag des Sieges am 9. Mai 1945 als Ende eines »heldenhaften« Kampfes im Großen Vaterländischen Krieg. Von zentraler Bedeutung war stets auch die Erinnerung an den Partisanenkrieg. Im sowjetischen Staatsverband verzichtete man auf eine eigenständige Nennung des Massenmords an den Juden. Daher stellt ein Obelisk in der Erschießungsgrube am ehemaligen Minsker Ghetto, der »Jama«, eine Besonderheit auf dem Gebiet der damaligen Sowjetunion dar. Er wurde bereits 1946 errichtet und blieb für Jahrzehnte das einzige Denkmal mit einer jiddischen Aufschrift und direkter Nennung der ermordeten Juden. Ungewöhnlich ist auch die Erinnerungsstätte in Chatyn, wo im März 1943 153 Menschen bei lebendigem Leib verbrannt worden waren. 1969 entstanden, zeichnet sie sich durch Schlichtheit aus und verzichtet auf die sonst übliche Monumentalität, es stehen die menschliche Dimension des Grauens und das Leid der Opfer im Vordergrund. Mit der Schaffung eines unabhängigen belarussischen Staates 1991 begann die Suche nach einer eigenen nationalen Identität. Hierbei spielen die Opferzahlen – insbesondere während des Zweiten Weltkrieges – eine entscheidende Rolle. Bewusst wird allerdings eine Unterscheidung zwischen dem Gebietstand vor und nach 1939 vermieden. Die Verbrechen der Stalinzeit, aber auch der Holocaust rückten ebenso in das Blickfeld, wurden aber aufgrund der vorhandenen Regierungsform nicht weitergehend öffentlich gemacht. Das staatliche Gedenken, das seinen Ausdruck auch im 2014 eröffneten, monumentalen Neubau des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges findet, bleibt vom Kampf in den Jahren 1941 bis 1944 geprägt. Zugleich hat jedoch der Verband der jüdischen Gemeinden in Belarus inzwischen eine Reihe von Denkmälern für die Opfer des Massenmordes errichten lassen. Seit Anfang der 1990er Jahre haben mehrere deutsche Städte Stelen im Gedenken an die dorthin deportierten und getöteten Juden in Minsk errichtet; das Berliner Erinnerungszeichen wurde – vom Land Berlin und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas finanziert – am 25. Juni 2009 feierlich eingeweiht. Auch eine würdige Gestaltung des Areals von Malyj Trostenez geht voran: seit 2015 erinnert eine Gedenkanlage an die Opfer. Ein zweiter Bauabschnitt wurde 2018 im Beisein der Staatspräsidenten Deutschlands, Österreichs und von Belarus eröffnet. An der Realisierung beteiligte sich auch die Bundesrepublik finanziell, wie auch an der Renovierung der Geschichtswerkstatt, die sich in einem historischen Gebäude auf dem Gebiet des ehemaligen Minsker Ghettos um die Dokumentation von Opferschicksalen kümmert.

Erinnerung

Lange erinnerte nur sehr wenig an das Lager Malyj Trostenez, eines der zentralen Orte des nationalsozialistischen Völkermords an den europäischen Juden. 1963 wurde in einiger Entfernung vom eigentlichen Lagergelände ein Obelisk errichtet. Laut Inschrift erinnert er an »friedliche Sowjetbürger, Partisanen und Kriegsgefangene, die durch die deutschen faschistischen Eindringlinge erschossen, gefoltert und verbrannt wurden«. Wie in der Sowjetunion damals üblich, blieb die Tatsache, dass es sich bei den meisten Opfern um Juden handelte, unerwähnt.
In den 1980er Jahren wurden die letzten Gebäudereste des Lagers entfernt. Später wurden Gedenksteine aufgestellt, sowohl im Wald Blagowschtschina, als auch am Ort der Leichenverbrennungen und auch am Ort der Scheune, in der wenige Tage vor der Befreiung 6.500 Häftlinge ermordet wurden.
2015 wurde das ehemalige Lagergelände auf Initiative des belarussischen Staates umgestaltet. Das zentrale Element der neuen Gedenkstätte bildet das »Tor der Erinnerung« – zwei etwa 15 Meter hohe Stelen, an denen Figuren hinter Stacheldraht zu erkennen sind. Auf die Stelen führt ein »Weg der Erinnerung« zu, der von einzelnen Gedenksteinen gezäumt wird, die an andere ehemalige NS-Mordstätten auf dem Gebiet von Belarus erinnern. Zum Ensemble gehören weitere Gedenksteine, die in den Sprachen Belarussisch, Russisch und Englisch an die Opfer erinnern und über die Geschichte des Lagers informieren
Im Wald Blagowschtschina ist im Juni 2018 ebenfalls eine neue Gedenkstätte eröffnet worden. An der Zeremonie nahmen die Präsidenten von Belarus, Deutschland und Österreich teil. Die Pläne für die Gedenkstätte stammen zum großen Teil vom inzwischen verstorbenen belarussischen Architekten Leonid Lewin (1936-2014). Fünf stilisierte Eisenbahnwaggons sollen auf den letzten Weg der Opfer erinnern. Weite Grabfelder symbolisieren die 34 Massengräber am historischen Ort.
Seit November 2016 gibt es eine belarussisch-deutsche Wanderausstellung mit dem Titel »Vernichtungsort Malyj Trostenez. Geschichte und Erinnerung«, an der die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas als Projektpartner mitgewirkt hat.

Öffnungszeiten

Die Denkmäler sind jederzeit zugänglich.

Kontakt

http://www.gwminsk.com/

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+375 17 380 37 17

ul. Selizkogo
220075 Minsk