Erinnerung an die ermordeten Juden von Cherson

Пам'ять убитих евреїв Херсона


In der Hafenstadt Cherson erinnern zwei Denkmäler und eine Gedenktafel an die ermordeten Juden von Cherson und Umgebung.

Geschichte

Cherson, im Süden der Ukraine am Mündungsdelta des Dnepr am Schwarzen Meer gelegen, wurde 1778 auf Anweisung der Zarin Katharina II. gegründet. Die ersten Juden siedelten sich wenige Jahre später in der Stadt an. Anfang des 20. Jahrhunderts kamen viele Juden bei Hungersnöten und bei antijüdischen Pogromen um.
Vor dem Zweiten Weltkrieg waren etwa zehn Prozent der 167.000 Einwohner Juden. Ihre Zahl stieg nach Ausbruch des Krieges 1939 durch Flüchtlinge aus dem deutsch-besetzten Teil Polens und später aus anderen Teilen der Ukraine an. Nach ihrem Angriff auf die Sowjetunion besetzte die deutsche Wehrmacht die Stadt am 19. August 1941. Zwei Drittel der jüdischen Einwohner konnten zuvor fliehen oder wurden evakuiert, in der Stadt blieben etwa 7.000 Juden zurück. Die deutschen Behörden zwangen sie zur Kennzeichnung und zur Aushändigung ihrer Wertsachen. Zudem stellten sie eine ukrainische Schutzpolizei auf, die aktiv an der Verfolgung der Juden teilnahm.
Am 29. August 1941 erschoss das Sonderkommando 11a der Einsatzgruppe D 200 Einwohner Chersons, denen sie antideutsche Aktivitäten vorwarfen. Die meisten von ihnen waren Juden. Wenige Tage später erschoss das Kommando weitere 200 Juden. Neben diesen »Aktionen« ermordete das Sonderkommando mehrere Juden, die den zuvor auferlegten Anweisungen keine Folge leisteten. Am 7. September 1941 wurde ein Ghetto nahe des Stadtzentrums eingerichtet, in das alle Juden der Stadt umziehen mussten. Am 15. September 1941 erschoss das Sonderkommando nach eigenen Angaben weitere 400 Juden. Am 23. September wurden die Einwohner des Ghettos in ein Gefängnis gebracht und dort eingesperrt. Innerhalb der nächsten drei Tage ermordete das Sonderkommando 11a unter Leitung von SS-Hauptsturmführer Eberhard Heinze alle gefangenen Juden und ließ die Opfer in Panzergräben nahe des Dorfes Zeleniwka (russisch: Zelenowka) verscharren. In den folgenden Tagen ermordeten die Deutschen weitere Juden, denen zuvor die Flucht gelungen war. Die Einsatzgruppe D erklärte am 2. Oktober 1941 die Stadt für »judenfrei«. Im Januar und Februar 1942 ermordeten die Besatzer etwa 400 Juden, die zuvor verschont wurden, weil sie mit Nichtjuden verheiratet waren.

Opfergruppen

Am 15. September 1941 gaben die deutschen Behörden an, in zwei »Aktionen«, 400 Juden ermordet zu haben. 17 weitere Juden wurden erschossen, weil sie keine Kennzeichnung trugen. Vom 23. September bis 25. September 1941 wurde das Ghetto vom Sonderkommando 11a unter der Leitung von SS-Hauptsturmführer Eberhard Heinze liquidiert. Die deutschen Täter gaben die Zahl der Ermordeten mit 5.000 an, die sowjetische Untersuchungskommission nach dem Krieg mit über 8.700. Die genaue Zahl der jüdischen Opfer ist schwer zu ermitteln, da im Massengrab in Zeleniwka auch Kriegsgefangene begraben wurden. Im Januar und Februar 1942 ermordete das Einsatzkommando 12 etwa 400 Juden aus Ehen mit nicht-jüdischen Partnern.

Erfahre mehr über Ukraine

Die Ukraine, die zweitgrößte Republik der ehemaligen Sowjetunion, war einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust. Die Zahl der ukrainischen Todesopfer wird auf fünf bis sechs Millionen Menschen geschätzt, darunter Hunderttausende Juden. Mitte September 1939, nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens entsprechend einem deutsch-sowjetischen Geheimabkommen – dem Hitler-Stalin-Pakt –, kamen die südöstlichen Regionen Polens zur Sowjetukraine. Repressionen gegen die einheimische Bevölkerung gehörten fortan zum Alltag. Im Sommer 1941 traf der deutsche Angriff auf die Sowjetunion zunächst genau diese Gebiete. Schon in den ersten Tagen wurde die jüdische Bevölkerung als angebliche Stütze der Sowjetmacht Ziel blutiger Übergriffe. Sie gingen häufig von national gesinnten Ukrainern aus, die den Vormarsch der Wehrmacht zunächst begrüßten. Bald darauf begannen deutsche SS-Einsatzgruppen und verbündete rumänische Einheiten mit Massenerschießungen von Juden. Die Schlucht von Babij Jar (ukrainisch Babyn Jar) nahe Kiew, wo deutsche Einheiten und ukrainische Miliz an zwei Tagen im September 1941 mehr als 33.700 Juden ermordeten, ist heute ein weltweites Symbol für den Völkermord an den Juden. Auch die nichtjüdische Bevölkerung geriet ins Visier der Verfolger. In der nationalsozialistischen Rassenideologie galten Ukrainer wie alle »Slawen« als »Untermenschen«. Die Besatzer plünderten das Land, verschleppten weit über eine Million Zivilisten zur Zwangsarbeit und verübten öffentliche Geiselmorde. Ab 1943 tobte nicht nur ein Partisanenkrieg gegen die Wehrmacht, sondern auch der Kampf der nationalistischen »Ukrajinska Powstanska Armija« (Ukrainische Aufstandsarmee = UPA) gegen die Sowjets und die polnische Bevölkerung der Westukraine. Weit über 100.000 Polen fanden hierbei den Tod. 1944 wurde die Ukraine wieder sowjetisch und umfasst seitdem auch ehemals ostpolnische Regionen. Die UPA setzte ihren Kampf bis Mitte der 1950er Jahre fort. Die sowjetischen Behörden verschleppten rund 300.000 Ukrainer nach Sibirien, um diesen Widerstand zu brechen. Die Gedenkkultur war an der sowjetischen Symbolsprache ausgerichtet. Es entstanden monumentale Gedenkanlagen zur Feier des »Sieges« im Großen Vaterländischen Krieg. Erst in jüngerer Zeit trat neben die Heldenverehrung auch das Opfergedenken. In der Westukraine hat sich zudem eine Erinnerungskultur an den Kampf der UPA entwickelt, der als Unabhängigkeitskampf interpretiert wird. Eine Aufarbeitung der Kollaboration mit den deutschen Besatzern und des Antisemitismus hat erst um 2000 begonnen. Die Massenerschießungen an Juden wurden, mit wenigen Ausnahmen, bis in die 1980er Jahre übergangen. Erst die Regierung der unabhängigen Ukraine erkannte 1991 Babyn Jar als »Symbol jüdischen Märtyrertums« an. Die Ukraine war auch lange nach der Erlangung der Unabhängigkeit auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Die Dokumentation der sowjetischen Verbrechen – wie die staatlich herbeigeführte Hungerkatastrophe 1932/33 mit Millionen Toten (Holodomor) – hat größere Bedeutung als die Aufklärung über den Holocaust. Dennoch entstanden überall im Land neue Gedenkorte in Erinnerung an die ermordeten Juden, wie etwa die Gedenkstätte Drobizkij Jar in Charkiw oder das Holocaustmuseum in Odessa. An zahlreichen Massengräbern entstanden neue Denkmäler, teils mit Unterstützung aus Deutschland. In Kiew sollte bei der ehemaligen Massenerschießungsstätte Babyn Jar eine große Holocaustgedenkstätte mit weltweiter Ausstrahlung entstehen. Diese Pläne wurden mit dem großangelegten russischen Angriff auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 auf Eis gelegt. Welche Auswirkungen der Verteidigungskrieg in Zukunft auf die Holocausterinnerung haben wird, bleibt abzuwarten.

Erinnerung

Cherson wurde am 13. März 1944 von der Roten Armee befreit. 1959 lebten wieder etwa 9.500 Juden in der Stadt, was etwa sechs Prozent der Bevölkerung ausmachte. Viele wanderten in den 1990er Jahren nach Israel aus. In der Stadt existiert heute eine jüdische Gemeinde mit einem Gemeindezentrum. Ihr wichtigstes Gotteshaus ist die 1855 erbaute Synagoge »Chabad«. Sie wurde während der deutschen Besatzung niedergebrannt und Anfang der 1950er Jahre wieder aufgebaut, aber während der sowjetischen Zeit nicht mehr als Synagoge verwendet. Die Fassade der ehemaligen »Großen Synagoge« ist nur zum Teil erhalten geblieben. Das Gebäude wird seit den 1960er Jahren als Planetarium genutzt. Neben ihr standen einst drei weitere Synagogen, die in den 1960er Jahren von den sowjetischen Behörden abgerissen wurden.
1966 wurde ein Denkmal in der Nähe einer Brauerei im Stadtzentrum aufgestellt, wo bei Bauarbeiten sterbliche Überreste gefunden worden waren. Sie wurden später auf dem jüdischen Friedhof begraben, obwohl die Identität der Opfer nicht zweifelsfrei geklärt ist. Die ukrainische Inschrift lautet: »An dieser Stelle haben faschistische Besatzer 1.276 sowjetische Zivilisten ermordet«.
1962 errichtete der Direktor der Kolchose »Owotschtschnoj« ein Denkmal in Erinnerung an die Ermordeten, die bei der Massenerschießungsstätte in der Nähe des Dorfes Zeleniwka begraben liegen. 1979 wurde das alte Denkmal durch ein Neues ersetzt. Es befindet sich auf einem künstlich angelegten Hügel. Auf dem Stein ist eine Fackel und die russische Inschrift eingraviert: »Hier, in den Panzergräben, erschossen die hitleristischen Besatzer im September 1941 11.780 Zivilisten aus Cherson (Erwachsene und Kinder) und sowjetische Kriegsgefangene«.
1998 wurde eine Gedenktafel mit einer ukrainischen Inschrift am Gebäude des Tropin-Krankenhauses angebracht, die an die jüdischen Ärzte erinnert, die bei der Massenerschießung im September 1941 ermordet wurden.
2004 wurde im Gebäude der jüdischen Wohltätigkeitsorganisation »Hesed Schmuel« ein Museum zur Geschichte der Juden der Region Cherson eröffnet. »Hesed Schmuel« organisiert regelmäßig Gedenkveranstaltungen in Erinnerung an die ermordeten Juden von Cherson.

Öffnungszeiten

Die Denkmäler sind jederzeit zugänglich.

Kontakt

http://www.hesed.kherson.ua/en.html

shmuel.kherson@gmail.com

Bohorodytska St, 124
73000 Cherson