Erinnerung an die ermordeten Juden von Wilejka

Память убитых евреев города Вилейка / Памяць забітых яўрэяў горада Вілейка


In der belarussischen Stadt Wilejka erinnern drei Denkmäler an die zwischen 1941 und 1944 ermordeten Juden der Stadt.

Geschichte

Vor dem Ersten Weltkrieg gehörte Wilejka, eine etwa 100 Kilometer nordwestlich von Minsk gelegene Kleinstadt, zum Russischen Zarenreich. In der Zwischenkriegszeit Polnisch, fiel Wilejka im Zuge des Hitler-Stalin-Pakts 1939 an die Sowjetunion.
Ende des 19. Jahrhunderts waren etwa 1.330 von 3.600 Einwohnern der Stadt Juden. Am Vorabend des Zweiten Weltkrieges lebten noch etwa 1.000 Juden in der Stadt.
Die deutsche Wehrmacht besetzte Wilejka am 26. Juni 1941. Sofort traten antijüdische Maßnahmen in Kraft: Juden mussten besondere Kennzeichnung tragen, einen »Judenrat« zur Umsetzung deutscher Befehle bilden und Zwangsarbeit leisten.
Am 12. Juli 1941 wurden alle jüdischen Männer zwischen 15 bis 60 Jahren zur Registrierung in der Synagoge aufgerufen. Die Deutschen ließen alle Fachkräfte gehen, die übrigen hielten sie unter dem Vorwand fest, sie seien Anhänger der Sowjetmacht. Anschließend trieben Mitglieder des Sonderkommandos 7a der Einsatzgruppe B, unterstützt durch lokale Hilfskräfte, die Juden zum zwei Kilometer entfernten Dorf Stawki und erschossen sie dort. Neben den 140 Juden erschoss die Einheit auch 13 nichtjüdische Männer. Wenige Tage später fuhren Männer des Einsatzkommandos 9 insgesamt 400 jüdische Kinder, Frauen und Männer in die Nähe des Dorfes Porsa zum Waldstück »Lisaja Gora« und erschossen sie dort.
Bis Dezember 1941 richteten die Besatzungsbehörden mehrere Ghettos und Arbeitslager in Wilejka ein.
Am 3. März 1942 erschossen Mitglieder des SD alle Bewohner des sogenannten Kinderghettos auf dem Gefängnishof und verbrannten ihre Leichen an Ort und Stelle.
Anfang November 1942 sperrte der SD Hunderte Juden in verschiedene Häuser ein und setzte sie anschließend in Brand.
Am 28. März 1943 wurden weitere Juden erschossen, die als arbeitsunfähig galten. Danach waren nur noch wenige Juden in Wilejka am Leben. Kurz vor ihrem Rückzug erschossen die Deutschen alle noch in Wilejka lebenden Juden zusammen mit allen Häftlingen des Gefängnisses.

Opfergruppen

Mitglieder des Sonderkommandos 7a erschossen während der ersten »Aktion« etwa 140 jüdische Männer und bis zu 13 Belarussen. Am 20. Juli 1941 erschoss das Einsatzkommando 9 etwa 400 jüdische Kinder, Frauen und Männer.
Anfang Februar 1942 richtete der SD eine Hauptaußenstelle in Wilejka ein. Seine Mitglieder erschossen in den ersten Wochen bis zu 29 Juden.
Immer wieder wurden Juden aus den umliegenden Orten nach Wilejka verschleppt. So wurden im September 1942 mehrere hundert Juden aus Szczuczyn nach Wilejka deportiert.
Wer nicht arbeitsfähig war, wurde erschossen.
Am 3. März 1942 erschoss der SD, unterstützt durch belarussische und lettische Hilfskräfte etwa 300 Juden.
Anfang November 1942 erschoss der SD während einer »Großaktion« alle Bewohner des ursprünglich zentralen Ghettos, einige Bewohner eines anderen Ghettos und Juden, die gerade in der Stadt angekommen waren. Die Opferzahl liegt Zeitzeugenberichten nach zwischen 100 und 400.
Insgesamt wird die Opferzahl auf über 1.500 Juden geschätzt.

Erfahre mehr über Belarus

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 und dem Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen kam der Nordosten des Landes zu Belarus als Teil der Sowjetunion. Im Sommer 1941 wurde dann ganz Belarus von deutschen Truppen erobert. Während der folgenden drei Jahre kam jeder vierte oder gar jeder dritte Einwohner gewaltsam ums Leben. Fast alle Städte des Landes wurden völlig zerstört. Wehrmacht oder SS brannten etwa 620 Dörfer, darunter Chatyn, systematisch samt ihren Einwohnern nieder. Malyj Trostenez, nahe der belarussichen Hauptstadt Minsk, war die größte Vernichtungsstätte auf dem Gebiet der besetzten Sowjetunion. Heute nimmt man an, dass mindestens 60.000 deutsche und einheimische Juden dort ermordet wurden. Für Minsk wird die Zahl der getöteten Juden auf bis zu 85.000 geschätzt, für das gesamte Gebiet auf 230.000. Belarus bildete von 1941 an mit über tausend aktiven Gruppen ein Hauptgebiet des sowjetischen Partisanenkampfes gegen die deutschen Besatzer. Ab Ende 1943 wurde das Land von der Roten Armee zurückerobert und galt im Sommer 1944 als vollständig von der deutschen Besatzung befreit. Das Land war weitestgehend verwüstet, das gesellschaftliche Gefüge erschüttert und die Menschen traumatisiert. Belarus gehörte ab 1944 wieder zur Sowjetunion. Ein großer Teil der 1939 einverleibten polnischen Gebiete blieben Teil des Landes. In der staatlichen Erinnerungs- und Denkmalkultur des Landes dominierten nach Kriegsende der Tag der Befreiung des Landes am 3. Juli 1944 und der Tag des Sieges am 9. Mai 1945 als Ende eines »heldenhaften« Kampfes im Großen Vaterländischen Krieg. Von zentraler Bedeutung war stets auch die Erinnerung an den Partisanenkrieg. Im sowjetischen Staatsverband verzichtete man auf eine eigenständige Nennung des Massenmords an den Juden. Daher stellt ein Obelisk in der Erschießungsgrube am ehemaligen Minsker Ghetto, der »Jama«, eine Besonderheit auf dem Gebiet der damaligen Sowjetunion dar. Er wurde bereits 1946 errichtet und blieb für Jahrzehnte das einzige Denkmal mit einer jiddischen Aufschrift und direkter Nennung der ermordeten Juden. Ungewöhnlich ist auch die Erinnerungsstätte in Chatyn, wo im März 1943 153 Menschen bei lebendigem Leib verbrannt worden waren. 1969 entstanden, zeichnet sie sich durch Schlichtheit aus und verzichtet auf die sonst übliche Monumentalität, es stehen die menschliche Dimension des Grauens und das Leid der Opfer im Vordergrund. Mit der Schaffung eines unabhängigen belarussischen Staates 1991 begann die Suche nach einer eigenen nationalen Identität. Hierbei spielen die Opferzahlen – insbesondere während des Zweiten Weltkrieges – eine entscheidende Rolle. Bewusst wird allerdings eine Unterscheidung zwischen dem Gebietstand vor und nach 1939 vermieden. Die Verbrechen der Stalinzeit, aber auch der Holocaust rückten ebenso in das Blickfeld, wurden aber aufgrund der vorhandenen Regierungsform nicht weitergehend öffentlich gemacht. Das staatliche Gedenken, das seinen Ausdruck auch im 2014 eröffneten, monumentalen Neubau des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges findet, bleibt vom Kampf in den Jahren 1941 bis 1944 geprägt. Zugleich hat jedoch der Verband der jüdischen Gemeinden in Belarus inzwischen eine Reihe von Denkmälern für die Opfer des Massenmordes errichten lassen. Seit Anfang der 1990er Jahre haben mehrere deutsche Städte Stelen im Gedenken an die dorthin deportierten und getöteten Juden in Minsk errichtet; das Berliner Erinnerungszeichen wurde – vom Land Berlin und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas finanziert – am 25. Juni 2009 feierlich eingeweiht. Auch eine würdige Gestaltung des Areals von Malyj Trostenez geht voran: seit 2015 erinnert eine Gedenkanlage an die Opfer. Ein zweiter Bauabschnitt wurde 2018 im Beisein der Staatspräsidenten Deutschlands, Österreichs und von Belarus eröffnet. An der Realisierung beteiligte sich auch die Bundesrepublik finanziell, wie auch an der Renovierung der Geschichtswerkstatt, die sich in einem historischen Gebäude auf dem Gebiet des ehemaligen Minsker Ghettos um die Dokumentation von Opferschicksalen kümmert.

Erinnerung

Die Rote Armee befreite die Stadt am 2. Juli 1944. Nach dem Krieg lebten fast keine Juden mehr in Wilejka.
An die jüdische Gemeinde erinnert heute noch der seit dem 18. Jahrhundert bestehende jüdische Friedhof im Süden der Stadt. Dort wurde in den 1990er Jahren ein Denkmal aus schwarzem Granit errichtet, das auf Hebräisch und Englisch an die ermordeten Juden der Stadt erinnert. Auf der oberen Hälfte ist ein Davidstern eingraviert. Neben dem Denkmal sind noch etwa 150 Grabsteine erhalten, von denen etwa die Hälfte im Verfall begriffen ist.
Ein weiteres Denkmal befindet sich auf der linken Seite der Straße, die vom Bezirk Makowje zum Dorf Porsa führt und markiert den Gedenkort »Lisaja Gora«. Es wurde 1972 errichtet und erinnert an die »friedlichen sowjetischen Bürger«, die dort von den Deutschen ermordet wurden. Die jüdische Herkunft der Opfer wird nicht genannt.
Zwei Jahre später stellte die Stadt ein weiteres Denkmal aus schwarzem Granit in der Nähe des Dorfes Stawki auf. Auf ihm ist folgende Inschrift eingraviert: »Den sowjetischen Bürgern, erschossen von den deutsch-faschistischen Besatzern im Jahr 1941«.
Die Synagoge befand sich in der Partisanskaja Straße. Das Gebäude wurde in der Sowjetzeit zweckentfremdet.

Öffnungszeiten

Die Denkmäler sind jederzeit zugänglich.

Kontakt

http://vilmuseum.by/

vil_museum@mail.ru