Denkmal für die ermordeten Patienten des psychiatrischen Krankenhauses Nowinki
Mемориальный знак в память о пациентах психиатрической больницы, погибших в годы Великой Отечественной войны / Mемарыяльны знак у памяць аб пацыентах псіхіятрычнай бальніцы, якія загінулі ў гады Вялікай Айчыннай вайны
Auf dem Gelände des psychiatrischen Krankenhauses Nowinki in Minsk erinnert seit 2017 ein Gedenkstein an die durch deutsche Einheiten ermordeten Patienten der Anstalt.
Geschichte
Im Rahmen des »Euthanasie«-Programms wurden etwa 70.000 Menschen mit Behinderungen und psychischen Krankheiten in Deutschland bis zum Anhalten der Aktion im August 1941 ermordet. Doch auch nach dem offiziellen Ende ging das Morden an Patienten weiter, nicht nur im Inland, sondern auch in den besetzten Gebieten. Vor allem im besetzten Osteuropa wurden regelmäßig ganze Anstalten leergemordet.
Die deutsche Wehrmacht eroberte die belarussische Hauptstadt Minsk bereits wenige Tage nach ihrem Angriff auf die Sowjetunion. In Belarus wurde eines der brutalsten Besatzungsregime überhaupt etabliert, etwa ein Viertel der Bevölkerung kam in den folgenden drei Jahren um.
Patienten psychiatrischer Anstalten wurden in den besetzten sowjetischen Gebieten systematisch ermordet. Arthur Nebe, Kommandant der in Belarus zur Ermordung politischer Gegner und von Juden eingesetzter Einsatzgruppe B, hielt dazu eigens Rücksprache mit Albert Widmann, einem der Haupttäter des »Euthanasie«-Programms im Deutschen Reich. Widmann reiste im Herbst 1941 nach Minsk, um die Patientenmorde vorzubereiten. Im September 1941 ermordeten Nebes Männer in Mogilew Patienten der dortigen Anstalt mit Autoabgasen. Danach ermordeten sie Patienten der Minsker psychiatrischer Anstalt Nowinki in einem nahegelegenen Wald mit Sprengstoff. Da sich diese Methode jedoch als wenig praktisch für die Täter erwies, wurde eine andere Gruppe von mehr als 100 Patienten am 18. September 1941 in einem Badehaus der Anstalt mit Giftgas getötet. Einige Tage später wurden 80 weitere, darunter alle jüdischen, Patienten von Nowinki erschossen, wenige Tage danach Psychiatriepatienten eines weiteren Minsker Krankenhauses.
Opfergruppen
Auf dem Gelände des psychiatrischen Krankenhauses Nowinki wurden 1941 etwa 200 Patienten durch Giftgas ermordet. Die genaue Anzahl der während der deutschen Besatzung in Minsk oder in ganz Belarus ermordeten Patienten ist unbekannt.
Erfahre mehr über
Belarus
Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 und dem Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen kam der Nordosten des Landes zu Belarus als Teil der Sowjetunion. Im Sommer 1941 wurde dann ganz Belarus von deutschen Truppen erobert. Während der folgenden drei Jahre kam jeder vierte oder gar jeder dritte Einwohner gewaltsam ums Leben. Fast alle Städte des Landes wurden völlig zerstört. Wehrmacht oder SS brannten etwa 620 Dörfer, darunter Chatyn, systematisch samt ihren Einwohnern nieder. Malyj Trostenez, nahe der belarussichen Hauptstadt Minsk, war die größte Vernichtungsstätte auf dem Gebiet der besetzten Sowjetunion. Heute nimmt man an, dass mindestens 60.000 deutsche und einheimische Juden dort ermordet wurden. Für Minsk wird die Zahl der getöteten Juden auf bis zu 85.000 geschätzt, für das gesamte Gebiet auf 230.000. Belarus bildete von 1941 an mit über tausend aktiven Gruppen ein Hauptgebiet des sowjetischen Partisanenkampfes gegen die deutschen Besatzer. Ab Ende 1943 wurde das Land von der Roten Armee zurückerobert und galt im Sommer 1944 als vollständig von der deutschen Besatzung befreit. Das Land war weitestgehend verwüstet, das gesellschaftliche Gefüge erschüttert und die Menschen traumatisiert.
Belarus gehörte ab 1944 wieder zur Sowjetunion. Ein großer Teil der 1939 einverleibten polnischen Gebiete blieben Teil des Landes. In der staatlichen Erinnerungs- und Denkmalkultur des Landes dominierten nach Kriegsende der Tag der Befreiung des Landes am 3. Juli 1944 und der Tag des Sieges am 9. Mai 1945 als Ende eines »heldenhaften« Kampfes im Großen Vaterländischen Krieg. Von zentraler Bedeutung war stets auch die Erinnerung an den Partisanenkrieg. Im sowjetischen Staatsverband verzichtete man auf eine eigenständige Nennung des Massenmords an den Juden. Daher stellt ein Obelisk in der Erschießungsgrube am ehemaligen Minsker Ghetto, der »Jama«, eine Besonderheit auf dem Gebiet der damaligen Sowjetunion dar. Er wurde bereits 1946 errichtet und blieb für Jahrzehnte das einzige Denkmal mit einer jiddischen Aufschrift und direkter Nennung der ermordeten Juden. Ungewöhnlich ist auch die Erinnerungsstätte in Chatyn, wo im März 1943 153 Menschen bei lebendigem Leib verbrannt worden waren. 1969 entstanden, zeichnet sie sich durch Schlichtheit aus und verzichtet auf die sonst übliche Monumentalität, es stehen die menschliche Dimension des Grauens und das Leid der Opfer im Vordergrund.
Mit der Schaffung eines unabhängigen belarussischen Staates 1991 begann die Suche nach einer eigenen nationalen Identität. Hierbei spielen die Opferzahlen – insbesondere während des Zweiten Weltkrieges – eine entscheidende Rolle. Bewusst wird allerdings eine Unterscheidung zwischen dem Gebietstand vor und nach 1939 vermieden. Die Verbrechen der Stalinzeit, aber auch der Holocaust rückten ebenso in das Blickfeld, wurden aber aufgrund der vorhandenen Regierungsform nicht weitergehend öffentlich gemacht. Das staatliche Gedenken, das seinen Ausdruck auch im 2014 eröffneten, monumentalen Neubau des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges findet, bleibt vom Kampf in den Jahren 1941 bis 1944 geprägt. Zugleich hat jedoch der Verband der jüdischen Gemeinden in Belarus inzwischen eine Reihe von Denkmälern für die Opfer des Massenmordes errichten lassen. Seit Anfang der 1990er Jahre haben mehrere deutsche Städte Stelen im Gedenken an die dorthin deportierten und getöteten Juden in Minsk errichtet; das Berliner Erinnerungszeichen wurde – vom Land Berlin und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas finanziert – am 25. Juni 2009 feierlich eingeweiht. Auch eine würdige Gestaltung des Areals von Malyj Trostenez geht voran: seit 2015 erinnert eine Gedenkanlage an die Opfer. Ein zweiter Bauabschnitt wurde 2018 im Beisein der Staatspräsidenten Deutschlands, Österreichs und von Belarus eröffnet. An der Realisierung beteiligte sich auch die Bundesrepublik finanziell, wie auch an der Renovierung der Geschichtswerkstatt, die sich in einem historischen Gebäude auf dem Gebiet des ehemaligen Minsker Ghettos um die Dokumentation von Opferschicksalen kümmert.
Erinnerung
In der Sowjetunion und den ersten zwei Jahrzehnten der Unabhängigkeit von Belarus war die Ermordung der Patienten während der deutschen Besatzung kein öffentliches Thema. Es sind vor allem Ärzte, unabhängige Historiker und zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich in letzter Zeit des Themas angenommen haben. Im Dezember 2016 wurde in einer Minsker Kunstgalerie eine Ausstellung zum Thema unter dem Titel »Von der Entmenschlichung zum Mord: Das Schicksal psychiatrischer Patienten in Belarus 1941-1944« gezeigt. Sie wurde von belarussischen und deutschen Historikern, Ärzten und Künstlern gemeinsam erarbeitet und durch die Stiftung »Erinnerung Verantwortung und Zukunft« ermöglicht.
Weniger als ein Jahr später, am 5. September 2017, wurde auf dem Gelände des Nowinki-Krankenhauses ein Gedenkstein in Erinnerung an die ermordeten Patienten der Anstalt eingeweiht. Die Inschrift in belarussischer und russischer Sprache lautet: »In Erinnerung und im Respekt der der menschlichen Würde der von den Nazi-Okkupanten 1941 ermordeten Patienten des psychiatrischen Krankenhauses und der Arbeitskolonie Nowinki«.
Außer in Minsk steht in Belarus noch in Mogilew ein Denkmal in Erinnerung an die ermordeten Patienten.