Erinnerung an die ermordeten Juden von Stanislau (Iwano-Frankiwsk)

Меморіал Голокосту на Старому єврейському кладовищі


In der westukrainischen Stadt Iwano-Frankiwsk (vor 1962 Stanislaw, polnisch: Stanisławów, deutsch: Stanislau) erinnern mehrere Gedenksteine auf dem jüdischen Friedhof an die Juden, die hier zwischen 1941 und 1943 während der deutschen Besatzung ermordet wurden.

Geschichte

Stanislau (polnisch: Stanisławów) liegt in der historischen Region Galizien, bis zum Ende des Ersten Weltkriegs gehörte die Stadt zu Österreich-Ungarn. In der Zwischenkriegszeit lag Stanislau in Polen. 1931 waren von den etwa 72.000 Einwohnern der Stadt 25.000 Juden. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs besetzte die Sowjetunion – wie im Hitler-Stalin-Pakt vereinbart – Ostpolen. Auch Stanislau wurde der UdSSR angegliedert. Viele Juden aus den deutsch besetzten Gebieten Polens flohen nach Stanislau. Als die deutsche Wehrmacht im Juni 1941 die Sowjetunion angriff, besetzten am 2. Juli 1941 mit den Deutschen verbündete ungarische Truppen die Stadt. Aus dem angrenzenden Gebiet Transkarpatien (auch: Karpatenukraine) vertrieben ungarische Behörden im Sommer 1941 Tausende Juden nach Galizien, viele von ihnen kamen nach Stanislau. Ende Juli 1941 hielten sich insgesamt etwa 40.000 Juden in der Stadt auf, als die deutsche Wehrmacht die Verwaltung übernahm. Zu diesem Zeitpunkt begann der SS-Kommandeur der Sicherheitspolizei Hans Krüger mit den Planungen für die Ermordung von Zehntausenden Juden in Stanislau. Am Morgen des 12. Oktober 1941 mussten sich etwa 20.000 Juden an verschiedenen Plätzen sammeln, von dort aus trieben sie Polizisten und ukrainische Hilfspolizisten zum jüdischen Friedhof. An zwei vorbereiteten Gruben mussten sich die Juden in Kolonnen von 200 aufstellen und wurden nach und nach von SS-Männern, darunter Krüger selbst, erschossen. Mit Einbruch der Dunkelheit brach Krüger die »Aktion« ab, etwa 10.000 Juden waren tot, 10.000 Überlebende kehrten nach Stanislau zurück. Im Dezember 1941 mussten alle etwa 30.000 Juden in ein Ghetto umziehen. Immer erschoss die SS in Stanislau Juden, auch aus der Umgebung der Stadt. Im Frühjahr und Herbst 1942 verschleppten SS und ukrainische Polizisten jeweils 5.000 Juden aus dem Ghetto Stanislau in das Vernichtungslager Belzec. Alle übrigen Juden wurden im Januar 1943, als die SS das Ghetto auflöste, erschossen.

Opfergruppen

Insgesamt kamen in Stanislau bis zu 40.000 Juden ums Leben. Die SS erschoss die jüdischen Männer, Frauen und Kinder auf dem jüdischen Friedhof von Stanislau. Etwa 10.000 Juden wurden von Stanislau nach Belzec verschleppt und dort ermordet.

Erfahre mehr über Ukraine

Die Ukraine, die zweitgrößte Republik der ehemaligen Sowjetunion, war einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust. Die Zahl der ukrainischen Todesopfer wird auf fünf bis sechs Millionen Menschen geschätzt, darunter Hunderttausende Juden. Mitte September 1939, nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens entsprechend einem deutsch-sowjetischen Geheimabkommen – dem Hitler-Stalin-Pakt –, kamen die südöstlichen Regionen Polens zur Sowjetukraine. Repressionen gegen die einheimische Bevölkerung gehörten fortan zum Alltag. Im Sommer 1941 traf der deutsche Angriff auf die Sowjetunion zunächst genau diese Gebiete. Schon in den ersten Tagen wurde die jüdische Bevölkerung als angebliche Stütze der Sowjetmacht Ziel blutiger Übergriffe. Sie gingen häufig von national gesinnten Ukrainern aus, die den Vormarsch der Wehrmacht zunächst begrüßten. Bald darauf begannen deutsche SS-Einsatzgruppen und verbündete rumänische Einheiten mit Massenerschießungen von Juden. Die Schlucht von Babij Jar (ukrainisch Babyn Jar) nahe Kiew, wo deutsche Einheiten und ukrainische Miliz an zwei Tagen im September 1941 mehr als 33.700 Juden ermordeten, ist heute ein weltweites Symbol für den Völkermord an den Juden. Auch die nichtjüdische Bevölkerung geriet ins Visier der Verfolger. In der nationalsozialistischen Rassenideologie galten Ukrainer wie alle »Slawen« als »Untermenschen«. Die Besatzer plünderten das Land, verschleppten weit über eine Million Zivilisten zur Zwangsarbeit und verübten öffentliche Geiselmorde. Ab 1943 tobte nicht nur ein Partisanenkrieg gegen die Wehrmacht, sondern auch der Kampf der nationalistischen »Ukrajinska Powstanska Armija« (Ukrainische Aufstandsarmee = UPA) gegen die Sowjets und die polnische Bevölkerung der Westukraine. Weit über 100.000 Polen fanden hierbei den Tod. 1944 wurde die Ukraine wieder sowjetisch und umfasst seitdem auch ehemals ostpolnische Regionen. Die UPA setzte ihren Kampf bis Mitte der 1950er Jahre fort. Die sowjetischen Behörden verschleppten rund 300.000 Ukrainer nach Sibirien, um diesen Widerstand zu brechen. Die Gedenkkultur war an der sowjetischen Symbolsprache ausgerichtet. Es entstanden monumentale Gedenkanlagen zur Feier des »Sieges« im Großen Vaterländischen Krieg. Erst in jüngerer Zeit trat neben die Heldenverehrung auch das Opfergedenken. In der Westukraine hat sich zudem eine Erinnerungskultur an den Kampf der UPA entwickelt, der als Unabhängigkeitskampf interpretiert wird. Eine Aufarbeitung der Kollaboration mit den deutschen Besatzern und des Antisemitismus hat erst um 2000 begonnen. Die Massenerschießungen an Juden wurden, mit wenigen Ausnahmen, bis in die 1980er Jahre übergangen. Erst die Regierung der unabhängigen Ukraine erkannte 1991 Babyn Jar als »Symbol jüdischen Märtyrertums« an. Die Ukraine war auch lange nach der Erlangung der Unabhängigkeit auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Die Dokumentation der sowjetischen Verbrechen – wie die staatlich herbeigeführte Hungerkatastrophe 1932/33 mit Millionen Toten (Holodomor) – hat größere Bedeutung als die Aufklärung über den Holocaust. Dennoch entstanden überall im Land neue Gedenkorte in Erinnerung an die ermordeten Juden, wie etwa die Gedenkstätte Drobizkij Jar in Charkiw oder das Holocaustmuseum in Odessa. An zahlreichen Massengräbern entstanden neue Denkmäler, teils mit Unterstützung aus Deutschland. In Kiew sollte bei der ehemaligen Massenerschießungsstätte Babyn Jar eine große Holocaustgedenkstätte mit weltweiter Ausstrahlung entstehen. Diese Pläne wurden mit dem großangelegten russischen Angriff auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 auf Eis gelegt. Welche Auswirkungen der Verteidigungskrieg in Zukunft auf die Holocausterinnerung haben wird, bleibt abzuwarten.

Erinnerung

Auf dem jüdischen Friedhof befinden sich immer noch die Massengräber der ermordeten Juden von Stanislau. Nach und nach wurden hier mehrere Denkmäler errichtet. Ein erstes Denkmal stammt aus den 1960er Jahren. Typisch für Holocaustdenkmäler aus der Sowjetzeit erinnert das Denkmal nicht an Juden, sondern an »friedliche Sowjetbürger«. Erst in den 1990er Jahren wurde ein Gedenkstein errichtet, der laut Inschrift 120.000 Juden gedenkt, die Opfer des Holocaust wurden. Auf dem jüdischen Friedhof sind ebenfalls viele von Privatpersonen errichtete Gedenksteine zu finden.
Vor 1961 gab es außerdem den alten jüdischen Friedhof in Stanislau, bis die sowjetische Stadtverwaltung das Gelände planieren und an seiner Stelle ein Kino errichten ließ.
In der Stadt lebt nur noch eine kleine jüdische Gemeinde. Nach dem Zerfall der Sowjetunion bekam sie das Gebäude ihrer großen Synagoge, den gegen Ende des 19. Jahrhunderts erbauten Tempel, zurück. Für ihre eigenen Zwecke nutzt sie jedoch nur einen kleinen Teil davon, der Rest wird an Geschäfte vermietet.

Öffnungszeiten

Die Denkmäler sind jederzeit zugänglich.

Kontakt

prov. Matrosovoi
76010 Iwano-Frankiwsk