Erinnerung an die ermordeten Juden von Slawuta

Пам'ять вбитих євреїв Славути


In Slawuta erinnern mehrere Denkmäler und Gedenktafeln auf dem »Platz der Erinnerung« und dem »Feld der Erinnerung« an die ermordeten Juden des Ghettos und die toten Kriegsgefangenen des »Großlazaretts 301«.

Geschichte

Slawuta (polnisch: Sławuta), in der historischen Region Wolhynien am Ufer des Horyn gelegen, wurde 1633 gegründet. Die Stadt gehörte nach der zweiten Teilung Polens 1793 zum Russischen Zarenreich. Eine Synagoge gab es spätestens im Jahr 1731. Im 19. Jahrhundert trugen die jüdischen Einwohner wesentlich zur wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt bei. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es mehrere antijüdische Ausschreitungen in der Stadt, bei der Juden ums Leben kamen.
Am Vorabend des Zweiten Weltkrieges lebten etwa 5.100 Juden in der Stadt, was ungefähr 34 Prozent der Einwohner entsprach. Die deutsche Wehrmacht besetzte die Stadt am 7. Juli 1941. Die ersten antijüdischen »Aktionen« führten Mitglieder des Polizeibataillons Süd am 15. August und 3. September 1941 durch und ermordeten dabei mehr als 1.000 Juden. Anfang März 1942 richteten die Deutschen in Slawuta ein umzäuntes Ghetto ein, in dem sie auch Juden aus umliegenden Ortschaften zusammenpferchten. Etwa 5.000 Juden lebten anfangs unter katastrophalen Bedingungen dort. Viele starben an Hunger und Krankheiten oder wurden erschossen. Einige Juden wurden zur Zwangsarbeit an anderen Orten getrieben, wo die meisten ebenfalls umkamen.
Am 25. Juni 1942 ermordeten Einheiten des SD fast alle Bewohner des Ghettos. Sie wurden dabei von Mitgliedern der deutschen Gendarmerie und der ukrainischen Schutzpolizei unterstützt. Nur wenige jüdische Fachkräfte wurden zunächst am Leben gelassen. Im September 1942 erschossen die Deutschen alle verbliebenen Juden und verscharrten ihre Leichen auf einem Feld südöstlich der Stadt. An derselben Stelle wurden auch tausende Kriegsgefangene begraben, die im örtlichen Kriegsgefangenenlager mit dem Decknamen »Großlazarett 301« wegen fehlender medizinischer Versorgung oder an Hunger starben. Nur wenige konnten dank der medizinischen Hilfe einer Widerstandsgruppe gerettet werden.

Opfergruppen

Ende Juli 1941 befand sich die motorisierte 1. SS-Infanterie-Brigade im Gebiet Slavuta. Ihre Mitglieder erschossen Dutzende Juden unter dem Vorwand, sie hätten den »Bolschewismus« unterstützt.
Vom 15. August bis 3. September 1941 befand sich eine Einheit des 45. Polizeibataillons Süd unter Leitung von SS-Obersturmführer Engelbert Kreuzer in Slawuta. Sie war für die Durchführung zweier »Aktionen« verantwortlich: Am 18. August 1941 erschossen ihre Mitglieder 322 Juden und am 30. August 1941 911 Juden.
Während der größten »Aktion« am 25. Juni 1942, erschossen Einheiten des SD insgesamt etwa 5.000 Juden aus dem Ghetto, die meisten in der Nähe des Wasserturms im Südosten der Stadt. Laut Augenzeugenberichten wurden 300 jüdische Kinder ermordet, indem sie im Ghetto in ein Brunnen geworfen wurden.
Im »Großlazarett 301« kamen etwa 15.000 Kriegsgefangene aufgrund von Hunger und Krankheiten um. Unter ihnen waren auch Juden.

Erfahre mehr über Ukraine

Die Ukraine, die zweitgrößte Republik der ehemaligen Sowjetunion, war einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust. Die Zahl der ukrainischen Todesopfer wird auf fünf bis sechs Millionen Menschen geschätzt, darunter Hunderttausende Juden. Mitte September 1939, nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens entsprechend einem deutsch-sowjetischen Geheimabkommen – dem Hitler-Stalin-Pakt –, kamen die südöstlichen Regionen Polens zur Sowjetukraine. Repressionen gegen die einheimische Bevölkerung gehörten fortan zum Alltag. Im Sommer 1941 traf der deutsche Angriff auf die Sowjetunion zunächst genau diese Gebiete. Schon in den ersten Tagen wurde die jüdische Bevölkerung als angebliche Stütze der Sowjetmacht Ziel blutiger Übergriffe. Sie gingen häufig von national gesinnten Ukrainern aus, die den Vormarsch der Wehrmacht zunächst begrüßten. Bald darauf begannen deutsche SS-Einsatzgruppen und verbündete rumänische Einheiten mit Massenerschießungen von Juden. Die Schlucht von Babij Jar (ukrainisch Babyn Jar) nahe Kiew, wo deutsche Einheiten und ukrainische Miliz an zwei Tagen im September 1941 mehr als 33.700 Juden ermordeten, ist heute ein weltweites Symbol für den Völkermord an den Juden. Auch die nichtjüdische Bevölkerung geriet ins Visier der Verfolger. In der nationalsozialistischen Rassenideologie galten Ukrainer wie alle »Slawen« als »Untermenschen«. Die Besatzer plünderten das Land, verschleppten weit über eine Million Zivilisten zur Zwangsarbeit und verübten öffentliche Geiselmorde. Ab 1943 tobte nicht nur ein Partisanenkrieg gegen die Wehrmacht, sondern auch der Kampf der nationalistischen »Ukrajinska Powstanska Armija« (Ukrainische Aufstandsarmee = UPA) gegen die Sowjets und die polnische Bevölkerung der Westukraine. Weit über 100.000 Polen fanden hierbei den Tod. 1944 wurde die Ukraine wieder sowjetisch und umfasst seitdem auch ehemals ostpolnische Regionen. Die UPA setzte ihren Kampf bis Mitte der 1950er Jahre fort. Die sowjetischen Behörden verschleppten rund 300.000 Ukrainer nach Sibirien, um diesen Widerstand zu brechen. Die Gedenkkultur war an der sowjetischen Symbolsprache ausgerichtet. Es entstanden monumentale Gedenkanlagen zur Feier des »Sieges« im Großen Vaterländischen Krieg. Erst in jüngerer Zeit trat neben die Heldenverehrung auch das Opfergedenken. In der Westukraine hat sich zudem eine Erinnerungskultur an den Kampf der UPA entwickelt, der als Unabhängigkeitskampf interpretiert wird. Eine Aufarbeitung der Kollaboration mit den deutschen Besatzern und des Antisemitismus hat erst um 2000 begonnen. Die Massenerschießungen an Juden wurden, mit wenigen Ausnahmen, bis in die 1980er Jahre übergangen. Erst die Regierung der unabhängigen Ukraine erkannte 1991 Babyn Jar als »Symbol jüdischen Märtyrertums« an. Die Ukraine war auch lange nach der Erlangung der Unabhängigkeit auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Die Dokumentation der sowjetischen Verbrechen – wie die staatlich herbeigeführte Hungerkatastrophe 1932/33 mit Millionen Toten (Holodomor) – hat größere Bedeutung als die Aufklärung über den Holocaust. Dennoch entstanden überall im Land neue Gedenkorte in Erinnerung an die ermordeten Juden, wie etwa die Gedenkstätte Drobizkij Jar in Charkiw oder das Holocaustmuseum in Odessa. An zahlreichen Massengräbern entstanden neue Denkmäler, teils mit Unterstützung aus Deutschland. In Kiew sollte bei der ehemaligen Massenerschießungsstätte Babyn Jar eine große Holocaustgedenkstätte mit weltweiter Ausstrahlung entstehen. Diese Pläne wurden mit dem großangelegten russischen Angriff auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 auf Eis gelegt. Welche Auswirkungen der Verteidigungskrieg in Zukunft auf die Holocausterinnerung haben wird, bleibt abzuwarten.

Erinnerung

Am 15. Januar 1944 eroberten sowjetische Partisanen gemeinsam mit einer Einheit der Roten Armee die Stadt zurück.
Nach dem Krieg kehrten viele Juden nach Slawuta zurück, 1945 waren etwa ein Viertel der 8.000 Einwohner der Stadt Juden. Eine neue jüdische Gemeinde entstand. Ihre über zweihundert Jahre alte Synagoge hatte den Krieg überstanden und blieb über die gesamte Sowjetzeit geöffnet. 1979 lebten nur noch etwa 1.300 Juden in der Stadt, die Zahl sank in den folgenden Jahren weiter. Die jüdische Gemeinde ist dennoch bis heute aktiv und betreibt unter anderem eine Sonntagsschule mit Hebräischunterricht.
Bereits in den Jahren vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde das erste Denkmal in Erinnerung an die ermordeten Kinder des Ortes errichtet. Es befindet sich auf dem Gebiet des ehemaligen Ghettos und gehört heute zum »Platz der Erinnerung«, den Angehörige 1990 gemeinsam mit weiteren Denkmälern einweihten.
Zeitgleich entstand im Südosten der Stadt, wo sich früher das »Großlazarett 301« befand, das »Feld der Erinnerung«. Es besteht aus mehreren Denkmälern und Gedenktafeln, die an dieser Stelle der ermordeten Juden und Kriegsgefangenen erinnern, die dort in elf Massengräbern liegen. Das Denkmal für die ermordeten Juden des Ghettos stellt symbolisch zwei von Stacheldraht umgebenen Hände dar. Im Innern des Denkmals befindet sich eine Gedenktafel mit der ukrainischer Inschrift: »Den Opfern des Faschismus – den Gefangenen des Ghettos Slawuta, die im Juni 1942 erschossen wurden«. Sie wird um eine hebräische Inschrift und einen Davidstern ergänzt.
Der jüdische Friedhof wurde 1990 von Freiwilligen aus dem In- und Ausland instand gesetzt. 2000 wurden menschliche Überreste ermordeter Juden exhumiert und hier in einem Massengrab wieder bestattet. An sie erinnert ein Grabstein.

Öffnungszeiten

Die Denkmäler sind jederzeit zugänglich.

Kontakt

http://myshtetl.org/khmelnitskaja/slavuta.html

velvl770@gmail.com

Memorialnyj kompleks Pole Pam`jati, an der Hauptstraße T-18-04
30000 Slawuta