Erinnerung an die ermordeten Juden von Rohatyn

Меморіали на місцях Масових Поховань у Рогатині


In der Stadt Rohatyn (ukrainisch: Rohatin, russisch: Rogatin) erinnern zwei Denkmäler und eine Gedenktafel an die ermordeten Juden von Rohatyn und Umgebung. Die Denkmäler befinden sich aller Wahrscheinlichkeit nach an den Massenerschießungsstätten.

Geschichte

Rohatyn, in der historischen Region Galizien gelegen, gehörte vor dem Ersten Weltkrieg zu Österreich-Ungarn, bevor es 1919 polnisch wurde und 1939 infolge des Hitler-Stalin-Paktes sowjetisch. Juden lebten dort ab Mitte des 16. Jahrhunderts. 1939 zählte die jüdische Gemeinde etwa 3.250 Mitglieder und machte etwa 40 Prozent der Einwohner aus.
Vor dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion stieg die Zahl der Juden durch Flüchtlinge aus dem deutsch besetzten Teil Polens auf etwa 4.000. Einige Juden flohen ins Innere der Sowjetunion oder wurden bereits zuvor von den sowjetischen Behörden umgesiedelt. Anfang Juli 1941 besetzte die deutsche Wehrmacht Rohatyn. Schon bald darauf misshandelten ukrainische Schutzpolizisten ihre jüdischen Nachbarn. Erste Todesopfer waren orthodoxe Juden und ihr Rabbiner. Auch in den umliegenden Dörfern gab es es antijüdische Ausschreitungen mit Todesopfern.
Gegen Ende des Jahres 1941 wurden die Juden aus Rohatyn und den umliegenden Orten von den deutschen Besatzern in ein überfülltes Ghetto im Westen der Stadt gesperrt. Viele starben an Typhus und anderen Krankheiten, die sich aufgrund der miserablen Bedingungen rasch ausbreiteten.
Am 20. März 1942 ermordeten Einheiten des Einsatzkommandos C und Mitglieder der Stanislauer Gestapo, unterstützt durch lokale Hilfskräfte, jüdische Kinder, Frauen und Männer in der Nähe des Bahnhofs. Am 2. September 1942 führten die Deutschen eine weitere »Aktion« durch, bei der sie etwa 1.000 Juden in das Vernichtungslager Belzec deportierten. Anfang Dezember 1942 ermordeten sie etwa 300 Juden, unter ihnen alle Patienten und Mitarbeiter des Krankenhauses im Ghetto. Am Ende der Aktion wurden über Tausend Juden nach Belzec deportiert. Im Ghetto lebten danach noch 2.700 – 3.000 Juden.
Anfang Mai 1943 fingen die Juden im Ghetto an, Widerstand zu organisieren. Dieser wurde am 6.Juni 1943 von den deutschen Besatzern und ihren Helfern zerschlagen und das Ghetto angezündet. Während der nächsten drei Tage erschossen sie alle Überlebenden des Ghettos und verscharrten ihre Leichen in der Nähe des neuen Jüdischen Friedhof nördlich des Stadtzentrums.

Opfergruppen

Nach Angaben der offiziellen sowjetischen Untersuchungskommission wurden in Rohatyn 9.846 Juden ermordet. An die 3000 weitere Juden wurden in das Vernichtungslager Belzec deportiert. Unter den Opfern befand sich fast die gesamte jüdische Gemeinde Rohatyns. Es befinden sich mindestens zwei Massenerschießungsstätten in Rohatyn.

Erfahre mehr über Ukraine

Die Ukraine, die zweitgrößte Republik der ehemaligen Sowjetunion, war einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust. Die Zahl der ukrainischen Todesopfer wird auf fünf bis sechs Millionen Menschen geschätzt, darunter Hunderttausende Juden. Mitte September 1939, nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens entsprechend einem deutsch-sowjetischen Geheimabkommen – dem Hitler-Stalin-Pakt –, kamen die südöstlichen Regionen Polens zur Sowjetukraine. Repressionen gegen die einheimische Bevölkerung gehörten fortan zum Alltag. Im Sommer 1941 traf der deutsche Angriff auf die Sowjetunion zunächst genau diese Gebiete. Schon in den ersten Tagen wurde die jüdische Bevölkerung als angebliche Stütze der Sowjetmacht Ziel blutiger Übergriffe. Sie gingen häufig von national gesinnten Ukrainern aus, die den Vormarsch der Wehrmacht zunächst begrüßten. Bald darauf begannen deutsche SS-Einsatzgruppen und verbündete rumänische Einheiten mit Massenerschießungen von Juden. Die Schlucht von Babij Jar (ukrainisch Babyn Jar) nahe Kiew, wo deutsche Einheiten und ukrainische Miliz an zwei Tagen im September 1941 mehr als 33.700 Juden ermordeten, ist heute ein weltweites Symbol für den Völkermord an den Juden. Auch die nichtjüdische Bevölkerung geriet ins Visier der Verfolger. In der nationalsozialistischen Rassenideologie galten Ukrainer wie alle »Slawen« als »Untermenschen«. Die Besatzer plünderten das Land, verschleppten weit über eine Million Zivilisten zur Zwangsarbeit und verübten öffentliche Geiselmorde. Ab 1943 tobte nicht nur ein Partisanenkrieg gegen die Wehrmacht, sondern auch der Kampf der nationalistischen »Ukrajinska Powstanska Armija« (Ukrainische Aufstandsarmee = UPA) gegen die Sowjets und die polnische Bevölkerung der Westukraine. Weit über 100.000 Polen fanden hierbei den Tod. 1944 wurde die Ukraine wieder sowjetisch und umfasst seitdem auch ehemals ostpolnische Regionen. Die UPA setzte ihren Kampf bis Mitte der 1950er Jahre fort. Die sowjetischen Behörden verschleppten rund 300.000 Ukrainer nach Sibirien, um diesen Widerstand zu brechen. Die Gedenkkultur war an der sowjetischen Symbolsprache ausgerichtet. Es entstanden monumentale Gedenkanlagen zur Feier des »Sieges« im Großen Vaterländischen Krieg. Erst in jüngerer Zeit trat neben die Heldenverehrung auch das Opfergedenken. In der Westukraine hat sich zudem eine Erinnerungskultur an den Kampf der UPA entwickelt, der als Unabhängigkeitskampf interpretiert wird. Eine Aufarbeitung der Kollaboration mit den deutschen Besatzern und des Antisemitismus hat erst um 2000 begonnen. Die Massenerschießungen an Juden wurden, mit wenigen Ausnahmen, bis in die 1980er Jahre übergangen. Erst die Regierung der unabhängigen Ukraine erkannte 1991 Babyn Jar als »Symbol jüdischen Märtyrertums« an. Die Ukraine war auch lange nach der Erlangung der Unabhängigkeit auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Die Dokumentation der sowjetischen Verbrechen – wie die staatlich herbeigeführte Hungerkatastrophe 1932/33 mit Millionen Toten (Holodomor) – hat größere Bedeutung als die Aufklärung über den Holocaust. Dennoch entstanden überall im Land neue Gedenkorte in Erinnerung an die ermordeten Juden, wie etwa die Gedenkstätte Drobizkij Jar in Charkiw oder das Holocaustmuseum in Odessa. An zahlreichen Massengräbern entstanden neue Denkmäler, teils mit Unterstützung aus Deutschland. In Kiew sollte bei der ehemaligen Massenerschießungsstätte Babyn Jar eine große Holocaustgedenkstätte mit weltweiter Ausstrahlung entstehen. Diese Pläne wurden mit dem großangelegten russischen Angriff auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 auf Eis gelegt. Welche Auswirkungen der Verteidigungskrieg in Zukunft auf die Holocausterinnerung haben wird, bleibt abzuwarten.

Erinnerung

Am 24. Juli 1944 befreite die Rote Armee Rohatyn. Etwa 30 Juden überlebten den Zweiten Weltkrieg. Die meisten von ihnen verließen die Stadt. Heute existiert keine jüdische Gemeinde mehr dort, die Nachkommen leben im Ausland. Nur noch wenig erinnert an das einst vielfältige jüdische Leben in Rohatyn. Der alte Jüdische Friedhof aus dem 17. Jahrhundert und der neue Jüdische Friedhof, zu Beginn des 20. Jahrhunderts eröffnet, sind beinahe in Vergessenheit geraten.
In den 1990er Jahren errichteten Nachkommen der jüdischen Überlebenden ein Denkmal auf dem Neuen Friedhof um der ermordeten Juden zu gedenken. 2015 wurde ein weiteres Denkmal aufgestellt. Die Organisation »Rohatyn Jewish Heritage« bemüht sich, mithilfe privater Spenden die Friedhöfe zu restaurieren.
An die Vernichtung der jüdischen Gemeinde erinnern jeweils zwei Denkmäler an den Orten der Massenerschießungen. Diese befinden sich jeweils 1,5 Kilometer südlich und ein Kilometer nördlich vom Stadtzentrum. 1987 wurden die ersten beiden Denkmäler, die den Opfern des Faschismus gewidmet sind, von der sowjetischen Verwaltung errichtet. Hier liegen die Opfer der ersten »Großaktion« vom 20. März 1942. Zwei weitere Denkmäler wurden an denselben Orten 1998 von Nachkommen der jüdischen Überlebenden aus Rohatyn errichtet. Die Inschrift erinnert in drei Sprachen an die jüdischen Opfer, die im Gebiet Rohatyns zwischen 1942/43 ermordet wurden. Die Gräber sind bis heute nicht umfriedet, da ihr genauer Standort bis heute nicht genau geklärt ist. Die Organisation »Rohatyn Jewish Heritage« beginnt im Frühjahr 2017 mithilfe forensischer Untersuchungen ihre genaue Position zu ermitteln. Eine weitere Gedenktafel befindet sich am ehemaligen Gebäude des Judenrates, in der heutigen Michail-Kozobinskow-Straße. Heute befindet sich in dem Gebäude eine Schule.

Öffnungszeiten

Die Denkmäler sind jederzeit zugänglich.

Kontakt

http://rohatynjewishheritage.org

marla.r.osborn@gmail.com