Erinnerung an die ermordeten Juden von Mykolajiw

Пам'ять убитих евреїв Миколаєва


In Mykolajiw (russisch: Nikolajew) erinnert ein Denkmal an die ermordeten Juden von Mykolajiw und Umgebung. Ein weiteres Denkmal befindet sich in der Nähe des Dorfes Woskresenskoje und erinnert an über 5.000 Juden, die die Deutschen im September 1941 dort erschossen.

Geschichte

Mykolajiw, am Delta des Südlichen Bugs am Schwarzen Meer gelegen, wurde 1788 gegründet. Die ersten Juden kamen kurze Zeit später in die Stadt. 1820 weihte die jüdische Gemeinde ihre erste Synagoge ein. Ende des 19. Jahrhunderts waren von 92.000 Einwohnern etwa 20.000 Juden. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg gab es mehrere antijüdische Ausschreitungen in der Stadt. In den 1920er Jahren blühte das jüdische Kulturleben auf, während das religiöse Leben unter der Sowjetherrschaft zum Erliegen kam.
Die deutsche Wehrmacht besetzte die Stadt am 17. August 1941. Ein Großteil der Juden konnte zuvor fliehen, doch über 6.000 Juden verblieben in der Stadt. Die deutsche Militärverwaltung stellte eine ukrainische Schutzpolizeieinheit auf. Ende des Monats erschoss das Sonderkommando 11a, angeführt von SS-Sturmbannführer Paul Zapp 227 Zivilisten, darunter Juden, politische Gefangene und Straftäter. Wenig später wurde ein Ghetto für die Juden eingerichtet, das bereits nach zwei Wochen ausgelöscht wurde: Am 14. September 1941 zwang das Sonderkommando 11a mit Unterstützung des angereisten Einsatzkommandos 12 alle Juden, sich auf dem jüdischen Friedhof zu versammeln. Am 18. September 1941 fuhren die Deutschen alle männlichen Juden in Lastwagen zu einer nahegelegenen Schlucht und erschossen sie. An den beiden darauf folgenden Tagen ermordeten sie an der gleichen Stelle alle Frauen und Kinder. Nach der Massenerschießung sprengten sie die Spitzen der Schlucht, um die Leichen zu bedecken.
Von Ende 1943 bis Anfang 1944 zwangen die Deutschen fünfzig Kriegsgefangene die Leichen auszugraben und zu verbrennen. Danach wurden sie ebenfalls erschossen und verbrannt.
Im April 1942 richteten die Deutschen das Kriegsgefangenenlager Stalag 364 ein, in dem auch viele Juden gefangen gehalten wurden. Die Deutschen ermordeten die Insassen gegen Ende des Jahres 1943.

Opfergruppen

Vom 18. September bis 23. September 1941 erschoss das Sonderkommando 11a und das Einsatzkommando 12 mehrere tausend Juden in einer Schlucht zwischen den Dörfern Kalinowka und Woskresenskoje. Die Ereignismeldung der Einsatzgruppe D vom 26. September 1941 gibt die Zahl der Ermordeten mit 5.000 an. Auf dem Denkmal wird 8.000 als Opferzahl genannt. Weitere Juden und Zivilisten wurden in Gruben neben dem Stalag 364 verscharrt. Wie viele Menschen genau dort ermordet wurden ist unbekannt. Nach Angaben der sowjetischen Behörden ermordeten die Deutschen dort etwa 30.000 Zivilisten und Kriegsgefangene.

Erfahre mehr über Ukraine

Die Ukraine, die zweitgrößte Republik der ehemaligen Sowjetunion, war einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust. Die Zahl der ukrainischen Todesopfer wird auf fünf bis sechs Millionen Menschen geschätzt, darunter Hunderttausende Juden. Mitte September 1939, nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens entsprechend einem deutsch-sowjetischen Geheimabkommen – dem Hitler-Stalin-Pakt –, kamen die südöstlichen Regionen Polens zur Sowjetukraine. Repressionen gegen die einheimische Bevölkerung gehörten fortan zum Alltag. Im Sommer 1941 traf der deutsche Angriff auf die Sowjetunion zunächst genau diese Gebiete. Schon in den ersten Tagen wurde die jüdische Bevölkerung als angebliche Stütze der Sowjetmacht Ziel blutiger Übergriffe. Sie gingen häufig von national gesinnten Ukrainern aus, die den Vormarsch der Wehrmacht zunächst begrüßten. Bald darauf begannen deutsche SS-Einsatzgruppen und verbündete rumänische Einheiten mit Massenerschießungen von Juden. Die Schlucht von Babij Jar (ukrainisch Babyn Jar) nahe Kiew, wo deutsche Einheiten und ukrainische Miliz an zwei Tagen im September 1941 mehr als 33.700 Juden ermordeten, ist heute ein weltweites Symbol für den Völkermord an den Juden. Auch die nichtjüdische Bevölkerung geriet ins Visier der Verfolger. In der nationalsozialistischen Rassenideologie galten Ukrainer wie alle »Slawen« als »Untermenschen«. Die Besatzer plünderten das Land, verschleppten weit über eine Million Zivilisten zur Zwangsarbeit und verübten öffentliche Geiselmorde. Ab 1943 tobte nicht nur ein Partisanenkrieg gegen die Wehrmacht, sondern auch der Kampf der nationalistischen »Ukrajinska Powstanska Armija« (Ukrainische Aufstandsarmee = UPA) gegen die Sowjets und die polnische Bevölkerung der Westukraine. Weit über 100.000 Polen fanden hierbei den Tod. 1944 wurde die Ukraine wieder sowjetisch und umfasst seitdem auch ehemals ostpolnische Regionen. Die UPA setzte ihren Kampf bis Mitte der 1950er Jahre fort. Die sowjetischen Behörden verschleppten rund 300.000 Ukrainer nach Sibirien, um diesen Widerstand zu brechen. Die Gedenkkultur war an der sowjetischen Symbolsprache ausgerichtet. Es entstanden monumentale Gedenkanlagen zur Feier des »Sieges« im Großen Vaterländischen Krieg. Erst in jüngerer Zeit trat neben die Heldenverehrung auch das Opfergedenken. In der Westukraine hat sich zudem eine Erinnerungskultur an den Kampf der UPA entwickelt, der als Unabhängigkeitskampf interpretiert wird. Eine Aufarbeitung der Kollaboration mit den deutschen Besatzern und des Antisemitismus hat erst um 2000 begonnen. Die Massenerschießungen an Juden wurden, mit wenigen Ausnahmen, bis in die 1980er Jahre übergangen. Erst die Regierung der unabhängigen Ukraine erkannte 1991 Babyn Jar als »Symbol jüdischen Märtyrertums« an. Die Ukraine war auch lange nach der Erlangung der Unabhängigkeit auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Die Dokumentation der sowjetischen Verbrechen – wie die staatlich herbeigeführte Hungerkatastrophe 1932/33 mit Millionen Toten (Holodomor) – hat größere Bedeutung als die Aufklärung über den Holocaust. Dennoch entstanden überall im Land neue Gedenkorte in Erinnerung an die ermordeten Juden, wie etwa die Gedenkstätte Drobizkij Jar in Charkiw oder das Holocaustmuseum in Odessa. An zahlreichen Massengräbern entstanden neue Denkmäler, teils mit Unterstützung aus Deutschland. In Kiew sollte bei der ehemaligen Massenerschießungsstätte Babyn Jar eine große Holocaustgedenkstätte mit weltweiter Ausstrahlung entstehen. Diese Pläne wurden mit dem großangelegten russischen Angriff auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 auf Eis gelegt. Welche Auswirkungen der Verteidigungskrieg in Zukunft auf die Holocausterinnerung haben wird, bleibt abzuwarten.

Erinnerung

Mykolajiw wurde am 28. März 1944 von der Roten Armee befreit. Nach dem Krieg zogen viele überlebende Juden aus der Umgebung in die Stadt. 1959 stellten sie sieben Prozent der Einwohner.
In den 1960er Jahren errichtete die Stadtverwaltung ein Denkmal auf dem jüdischen Friedhof. Die jüdische Identität der Opfer wurde dabei nicht erwähnt. 2008 wurde in der Nähe des Dorfes Woskresenskoje ein Denkmal errichtet. Auf der Gedenktafel sind eine Menorah und ein Davidstern eingraviert. Die russische Inschrift erinnert an 8.000 Juden, die an dieser Stelle ermordet worden seien.
2011 errichtete die jüdische Gemeinde ein Denkmal, das der ermordeten Juden in Mykolajiw gedenkt. Die ukrainische Inschrift erinnert an 10.000 Juden, die während der Besatzungszeit ermordet wurden. Das Denkmal steht neben dem früheren jüdischen Friedhof, auf dem sich im September 1941 alle Juden der Stadt vor ihrer Ermordung versammeln mussten. Im Bezirk Temwod ist das Tor des Stalags 364 erhalten geblieben. Davor steht eine Gedenktafel, die die Zahl der umgekommenen Zivilisten und Kriegsgefangenen mit 30.000 angibt. Das Stalag wurde nach 1944 als sowjetisches Kriegsgefangenenlager bis 1949 weiter benutzt.
Nachdem die Ukraine 1991 unabhängig wurde, wanderten viele Juden aus Mykolajiw aus, die meisten von ihnen nach Israel. 2001 zählte die Stadt nur noch etwa 3.200 jüdische Einwohner. Die jüdische Gemeinde unterhält weiterhin drei Synagogen. Die älteste, die bereits 1820 erbaut wurde, wird heute nicht mehr genutzt. Die jüdische Gemeinde eröffnete mehrere jüdische Bildungseinrichtungen und kümmert sich aktiv um den Erhalt der historischen Spuren.

Öffnungszeiten

Das Denkmal ist jederzeit zugänglich.

Kontakt

jewish.mk.ua

noekjcc2017@gmail.com

+38(0) 512 470 395

Khersons'ke Hwy
54000 Mykolajiw