Erinnerung an die ermordeten Juden von Slonim

Память убитых евреям Слонима / Памяць Забітых габрэям Слоніма


In der belarussischen Stadt Slonim erinnern mehrere Denkmäler und die Ruine einer Synagoge an die einst blühende jüdische Gemeinde der Stadt und an die ermordeten Juden des Slonimer Ghettos im Zweiten Weltkrieg.

Geschichte

Slonim, an der Mündung der Schtschara in die Isa gelegen, wurde Anfang der 13. Jahrhunderts gegründet. Bis zum Zweiten Weltkrieg war die Stadt ein wichtiges politisches Zentrum und auch ein wichtiger Ort jüdischen Lebens. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Stadt polnisch, bis sie 1939 als Folge des Hitler-Stalin-Pakts an die Sowjetunion fiel. 1940 folgten Repressionen durch das stalinistische Regime, dem auch Juden zu Opfer fielen: Im April 1940 verschleppte der sowjetische Staatssicherheitsdienst NKWD etwa 1.000 Juden nach Sibirien. Gleichzeitig flohen viele Juden aus den deutsch besetzten Gebieten Polens nach Slonim, so dass am 25. Juni 1941, als die deutsche Wehrmacht Slonim eroberte, etwa 22.000 Juden in der Stadt lebten.
Vom ersten Tag der deutschen Besatzung an waren Juden Gewalt ausgesetzt. Am 17. Juli 1941 trieben Mitglieder einer deutschen Polizeieinheit junge jüdische Männer, die sie von der Straße verhaftet hatten, zum Marktplatz. Von dort fuhren sie die Männer auf LKW zu einer Grube in der Nähe des Dorfes Petralewitschi und erschossen sie dort.
Im August 1941 umzäunten die deutschen Behörden einen Teil der Innenstadt mit Stacheldraht und richteten darin ein Ghetto ein. Alle als arbeitsfähig eingestuften Juden erhielten eine »Kennkarte«. Ein Großteil der übrigen Juden, überwiegend Ältere, Frauen und Kinder, wurde am 14. November 1941 unter dem Vorwand, dass sie umgesiedelt würden, zum sieben Kilometer entfernten Dorf Tschepeljowo getrieben und ermordet.
Im Ghetto entstand eine Widerstandsbewegung, die mit den Partisanen in den Wäldern im Kontakt stand. Als am 29. Juni 1942 die Deutschen erneut eine »Aktion« durchführen wollten, brach im Ghetto ein Aufstand aus. Um den Aufstand niederzuschlagen, setzten die Deutschen das Ghetto in Brand. Einigen wenigen Juden gelang die Flucht zu den Partisanen, doch die überwiegende Mehrheit der geflohenen Juden wurde ermordet. Im Herbst 1943 wurde das Ghetto endgültig aufgelöst.

Opfergruppen

In Slonim waren seit dem Juli 1941 Teile der Einsatzgruppe B stationiert. Im Folgenden waren sie für mehrere Massenerschießungen von Juden verantwortlich.
Während der ersten »Aktion« am 17. Juli 1941 ermordeten sie und Mitglieder der Ordnungspolizei etwa 1.200 junge jüdische Männer, die sie willkürlich in den Straßen aufgegriffen hatten. Belarussische Hilfspolizisten unterstützen sie dabei.
Am 14. November 1941 ermordeten sie gemeinsam mit Mitgliedern der belarussischen Schutzmannschaften und lettischen und litauischen Hilfspolizisten etwa 9.000 Juden, vor allem Kinder, Frauen und ältere Männer. Danach verblieben noch 7.000 Juden im Ghetto, die Zwangsarbeit verrichten mussten.
Im März 1942 liquidierten die deutschen Behörden mehrere Ghettos in umliegenden Ortschaften und trieben die noch am Leben gebliebenen Juden nach Slonim.
Nach dem Aufstand im Ghetto am 29. Juni 1942 ermordeten die deutschen Sicherheitsbehörden und ihre Helfer bis zu 13.000 Juden. Etwa 400 Juden gelang die Flucht in den Wald, wo sie sich Partisaneneinheiten anschließen konnten.
Insgesamt wurden in Slonim während der deutschen Besatzung bis zu 45.000 Juden ermordet.

Erfahre mehr über Belarus

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 und dem Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen kam der Nordosten des Landes zu Belarus als Teil der Sowjetunion. Im Sommer 1941 wurde dann ganz Belarus von deutschen Truppen erobert. Während der folgenden drei Jahre kam jeder vierte oder gar jeder dritte Einwohner gewaltsam ums Leben. Fast alle Städte des Landes wurden völlig zerstört. Wehrmacht oder SS brannten etwa 620 Dörfer, darunter Chatyn, systematisch samt ihren Einwohnern nieder. Malyj Trostenez, nahe der belarussichen Hauptstadt Minsk, war die größte Vernichtungsstätte auf dem Gebiet der besetzten Sowjetunion. Heute nimmt man an, dass mindestens 60.000 deutsche und einheimische Juden dort ermordet wurden. Für Minsk wird die Zahl der getöteten Juden auf bis zu 85.000 geschätzt, für das gesamte Gebiet auf 230.000. Belarus bildete von 1941 an mit über tausend aktiven Gruppen ein Hauptgebiet des sowjetischen Partisanenkampfes gegen die deutschen Besatzer. Ab Ende 1943 wurde das Land von der Roten Armee zurückerobert und galt im Sommer 1944 als vollständig von der deutschen Besatzung befreit. Das Land war weitestgehend verwüstet, das gesellschaftliche Gefüge erschüttert und die Menschen traumatisiert. Belarus gehörte ab 1944 wieder zur Sowjetunion. Ein großer Teil der 1939 einverleibten polnischen Gebiete blieben Teil des Landes. In der staatlichen Erinnerungs- und Denkmalkultur des Landes dominierten nach Kriegsende der Tag der Befreiung des Landes am 3. Juli 1944 und der Tag des Sieges am 9. Mai 1945 als Ende eines »heldenhaften« Kampfes im Großen Vaterländischen Krieg. Von zentraler Bedeutung war stets auch die Erinnerung an den Partisanenkrieg. Im sowjetischen Staatsverband verzichtete man auf eine eigenständige Nennung des Massenmords an den Juden. Daher stellt ein Obelisk in der Erschießungsgrube am ehemaligen Minsker Ghetto, der »Jama«, eine Besonderheit auf dem Gebiet der damaligen Sowjetunion dar. Er wurde bereits 1946 errichtet und blieb für Jahrzehnte das einzige Denkmal mit einer jiddischen Aufschrift und direkter Nennung der ermordeten Juden. Ungewöhnlich ist auch die Erinnerungsstätte in Chatyn, wo im März 1943 153 Menschen bei lebendigem Leib verbrannt worden waren. 1969 entstanden, zeichnet sie sich durch Schlichtheit aus und verzichtet auf die sonst übliche Monumentalität, es stehen die menschliche Dimension des Grauens und das Leid der Opfer im Vordergrund. Mit der Schaffung eines unabhängigen belarussischen Staates 1991 begann die Suche nach einer eigenen nationalen Identität. Hierbei spielen die Opferzahlen – insbesondere während des Zweiten Weltkrieges – eine entscheidende Rolle. Bewusst wird allerdings eine Unterscheidung zwischen dem Gebietstand vor und nach 1939 vermieden. Die Verbrechen der Stalinzeit, aber auch der Holocaust rückten ebenso in das Blickfeld, wurden aber aufgrund der vorhandenen Regierungsform nicht weitergehend öffentlich gemacht. Das staatliche Gedenken, das seinen Ausdruck auch im 2014 eröffneten, monumentalen Neubau des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges findet, bleibt vom Kampf in den Jahren 1941 bis 1944 geprägt. Zugleich hat jedoch der Verband der jüdischen Gemeinden in Belarus inzwischen eine Reihe von Denkmälern für die Opfer des Massenmordes errichten lassen. Seit Anfang der 1990er Jahre haben mehrere deutsche Städte Stelen im Gedenken an die dorthin deportierten und getöteten Juden in Minsk errichtet; das Berliner Erinnerungszeichen wurde – vom Land Berlin und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas finanziert – am 25. Juni 2009 feierlich eingeweiht. Auch eine würdige Gestaltung des Areals von Malyj Trostenez geht voran: seit 2015 erinnert eine Gedenkanlage an die Opfer. Ein zweiter Bauabschnitt wurde 2018 im Beisein der Staatspräsidenten Deutschlands, Österreichs und von Belarus eröffnet. An der Realisierung beteiligte sich auch die Bundesrepublik finanziell, wie auch an der Renovierung der Geschichtswerkstatt, die sich in einem historischen Gebäude auf dem Gebiet des ehemaligen Minsker Ghettos um die Dokumentation von Opferschicksalen kümmert.

Erinnerung

Am 10. Juli 1944 eroberte die Rote Armee Slonim zurück. 1946 wurden in der Stadt nur noch 30 Juden gezählt.
Das erste Denkmal in Erinnerung an die Opfer wurde 1964 in der Nähe des Dorfes Petralewitschi 1 im Norden Slonims aufgestellt. Der 12 Meter hohe Obelisk mit einem Roten Stern an seiner Spitze erinnert an die »sowjetischen Bürger, die während des Großen Vaterländischen Krieges umkamen«. Um das Denkmal herum wurden im Laufe der Jahre weitere Denkmäler errichtet, die an die ermordeten Juden erinnern.
Eine weitere Massenerschießungsstätte befindet sich östlich der Stadt in der Nähe des Dorfes Tschepeljowo. Hier wurde 1967 das erste Denkmal eingeweiht. Die Inschrift ist durch die Witterung verblasst und nur noch schwer lesbar. Vor dem Denkmal wurde in den 1990er Jahren ein Gedenkstein mit einem Davidstern aufgestellt. Auch seine Inschrift ist über die Zeit verblasst.
Eine größere Gedenkanlage entwarf der bekannte belarussische Architekt Leonid Lewin. Sie wurde 1994 am Ort des ehemaligen jüdischen Friedhofs eröffnet und erinnert an die ermordeten Juden des slonimer Ghettos und an die einst blühende jüdische Gemeinde der Stadt. Das Eingangstor der Anlage ist der Arche des früheren Friedhofs nachempfunden. Dahinter befinden sich mehrere Gedenksteine und erhalten gebliebene Grabsteine.
Ansonsten erinnert in Slonim vor allem die Ruine der einst prächtigen Synagoge an die jüdische Gemeinde aus Slonim. Das 1642 erbaute Gotteshaus befindet sich mitten im Stadtzentrum. Ihre Fassade und ihr Interieur im Stile des Barocks sind zum Großteil erhalten, jedoch stark restaurationsdürftig. 2016 wurde gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde beschlossen, dort in absehbarer Zeit ein Museum der jüdischen Kultur zu eröffnen.

Öffnungszeiten

Die Denkmäler sind jederzeit zugänglich.

Kontakt

http://www.eilatgordinlevitan.com/slonim/slonim.html

Wuliza Breszkaja
231800 Slonim