Erinnerung an die ermordeten Juden von Iwje

Mемориальный комплекс в память ивьевских евреев — жертв Xолокоста / Мемарыяльны комплекс у памяци іўеўскіх ахвяр Холокоста


In der Nähe der Kleinstadt Iwje (belarussisch: Iŭje, polnisch: Iwie), erinnern zwei Denkmäler an die Juden, die dort 1941 und 1942 bei Massenerschießungen ermordet wurden. In der Stadt stehen am Ort des ehemaligen Ghettos mehrere Gedenksteine, die an die Geschichte des Ortes, einschließlich der Geschichte der jüdischen Gemeinde und an die Vernichtung des Ghettos erinnern.

Geschichte

Iwje, an den Ufern der Iwjanka gelegen, wurde Anfang des 15. Jahrhunderts das erste Mal namentlich erwähnt. Juden siedelten dort ab dem 16. Jahrhundert. Neben Belarussen und Juden lebten in der Stadt auch muslimische Tataren. Ende des 19. Jahrhunderts gab es im Ort zwei Synagogen und drei jüdische Gebetshäuser. In der Zwischenkriegszeit gehörte Iwje zu Polen, bis die Region im Zuge des Hitler-Stalin-Pakts 1939 in die Sowjetunion eingegliedert wurde. Am Vorabend des Zweiten Weltkrieges waren 3.000 der etwa 4.000 Einwohner Juden. Der Ort trug den Charakter eines jüdischen Schtetl.
Die deutsche Wehrmacht besetzte die Stadt am 29. Juni 1941. Wenige Tage später befahlen Mitglieder der SS allen jüdischen Männern mittleren Alters, sich auf dem Marktplatz zu versammeln. 220 Juden, die einen intellektuellen Beruf ausübten, trieben sie in die Richtung des Dorfes Stonewitschi zwei Kilometer westlich von Iwje und erschossen sie dort.
Im September 1941 mussten alle Juden in ein geschlossenes Ghetto im westlichen Teil Iwjes umsiedeln.
Am 12. Mai 1942 drang eine Einheit der Gestapo in das Ghetto ein und befahl allen Juden sich auf dem Marktplatz zu versammeln. Dort überwachte der stellvertretende Gebietskommissar Leopold Windisch die Selektion: Als arbeitsfähig geltende Juden durften zunächst am Leben bleiben. Alle übrigen Juden, etwa 2.500 Kinder, Frauen und Männer, wurden von deutschen und litauischen Einheiten in Richtung Stonewitschi getrieben und dort erschossen. Nach der »Großaktion« wurden etwa 50 Juden aus dem Ghetto zum Verscharren der Leichen abkommandiert.
Einigen Juden gelang die Flucht zu den Partisanen in den Wäldern. Alle, die im Ghetto zurückblieben, wurden Anfang des Jahres 1943 in Zwangsarbeitslager in Borissow verschleppt. Das Ghetto war damit aufgelöst, in Iwje lebten keine Juden mehr.

Opfergruppen

Am 2. August 1941 erschossen Mitglieder der SS etwa 220 jüdische Männer.
Die verbliebenen Juden des Ortes wurden in einem Ghetto zusammengetrieben. Bis April 1942 stieg ihre Zahl durch Juden aus der Umgebung auf etwa 4.000. Sie waren den Schikanen der Deutschen und ihrer Helfer schutzlos ausgeliefert. So starben viele im Frühjahr 1942 beim sinnlosen Auftrag, einen Panzer in das 14 Kilometer entfernte Dorf Juratischki zu schleppen. Wer auf dem Weg zusammenbrach, wurde auf der Stelle erschossen.
Am 12. Mai 1942 erschoss eine Einheit der Gestapo etwa 2.500 Juden aus dem Ghetto in der Nähe des Dorfes Stonewitschi.
Nach Angaben der sowjetischen Außerordentlichen Untersuchungskommission ermordeten deutsche Einheiten 2.621 Juden in Iwje.

Erfahre mehr über Belarus

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 und dem Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen kam der Nordosten des Landes zu Belarus als Teil der Sowjetunion. Im Sommer 1941 wurde dann ganz Belarus von deutschen Truppen erobert. Während der folgenden drei Jahre kam jeder vierte oder gar jeder dritte Einwohner gewaltsam ums Leben. Fast alle Städte des Landes wurden völlig zerstört. Wehrmacht oder SS brannten etwa 620 Dörfer, darunter Chatyn, systematisch samt ihren Einwohnern nieder. Malyj Trostenez, nahe der belarussichen Hauptstadt Minsk, war die größte Vernichtungsstätte auf dem Gebiet der besetzten Sowjetunion. Heute nimmt man an, dass mindestens 60.000 deutsche und einheimische Juden dort ermordet wurden. Für Minsk wird die Zahl der getöteten Juden auf bis zu 85.000 geschätzt, für das gesamte Gebiet auf 230.000. Belarus bildete von 1941 an mit über tausend aktiven Gruppen ein Hauptgebiet des sowjetischen Partisanenkampfes gegen die deutschen Besatzer. Ab Ende 1943 wurde das Land von der Roten Armee zurückerobert und galt im Sommer 1944 als vollständig von der deutschen Besatzung befreit. Das Land war weitestgehend verwüstet, das gesellschaftliche Gefüge erschüttert und die Menschen traumatisiert. Belarus gehörte ab 1944 wieder zur Sowjetunion. Ein großer Teil der 1939 einverleibten polnischen Gebiete blieben Teil des Landes. In der staatlichen Erinnerungs- und Denkmalkultur des Landes dominierten nach Kriegsende der Tag der Befreiung des Landes am 3. Juli 1944 und der Tag des Sieges am 9. Mai 1945 als Ende eines »heldenhaften« Kampfes im Großen Vaterländischen Krieg. Von zentraler Bedeutung war stets auch die Erinnerung an den Partisanenkrieg. Im sowjetischen Staatsverband verzichtete man auf eine eigenständige Nennung des Massenmords an den Juden. Daher stellt ein Obelisk in der Erschießungsgrube am ehemaligen Minsker Ghetto, der »Jama«, eine Besonderheit auf dem Gebiet der damaligen Sowjetunion dar. Er wurde bereits 1946 errichtet und blieb für Jahrzehnte das einzige Denkmal mit einer jiddischen Aufschrift und direkter Nennung der ermordeten Juden. Ungewöhnlich ist auch die Erinnerungsstätte in Chatyn, wo im März 1943 153 Menschen bei lebendigem Leib verbrannt worden waren. 1969 entstanden, zeichnet sie sich durch Schlichtheit aus und verzichtet auf die sonst übliche Monumentalität, es stehen die menschliche Dimension des Grauens und das Leid der Opfer im Vordergrund. Mit der Schaffung eines unabhängigen belarussischen Staates 1991 begann die Suche nach einer eigenen nationalen Identität. Hierbei spielen die Opferzahlen – insbesondere während des Zweiten Weltkrieges – eine entscheidende Rolle. Bewusst wird allerdings eine Unterscheidung zwischen dem Gebietstand vor und nach 1939 vermieden. Die Verbrechen der Stalinzeit, aber auch der Holocaust rückten ebenso in das Blickfeld, wurden aber aufgrund der vorhandenen Regierungsform nicht weitergehend öffentlich gemacht. Das staatliche Gedenken, das seinen Ausdruck auch im 2014 eröffneten, monumentalen Neubau des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges findet, bleibt vom Kampf in den Jahren 1941 bis 1944 geprägt. Zugleich hat jedoch der Verband der jüdischen Gemeinden in Belarus inzwischen eine Reihe von Denkmälern für die Opfer des Massenmordes errichten lassen. Seit Anfang der 1990er Jahre haben mehrere deutsche Städte Stelen im Gedenken an die dorthin deportierten und getöteten Juden in Minsk errichtet; das Berliner Erinnerungszeichen wurde – vom Land Berlin und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas finanziert – am 25. Juni 2009 feierlich eingeweiht. Auch eine würdige Gestaltung des Areals von Malyj Trostenez geht voran: seit 2015 erinnert eine Gedenkanlage an die Opfer. Ein zweiter Bauabschnitt wurde 2018 im Beisein der Staatspräsidenten Deutschlands, Österreichs und von Belarus eröffnet. An der Realisierung beteiligte sich auch die Bundesrepublik finanziell, wie auch an der Renovierung der Geschichtswerkstatt, die sich in einem historischen Gebäude auf dem Gebiet des ehemaligen Minsker Ghettos um die Dokumentation von Opferschicksalen kümmert.

Erinnerung

Die Rote Armee befreite Iwje am 8. Juli 1944. Nur einzelne Juden aus Iwje überlebten den Krieg.
1957 wurde eine Stele in Erinnerung an die Opfer der Massenerschießung in der Nähe des Dorfes Stonewitschi errichtet. Die jüdische Herkunft der Opfer blieb unerwähnt. Jährlich findet dort eine Gedenkfeier in Erinnerung an die ermordeten Juden von Iwje statt.
1989 wurde ein weiteres Denkmal im Dorf Stonewitschi errichtet. Auf ihm sind Zeilen des auf jiddisch schreibenden sowjetischen Dichters Aron Vergelis eingraviert.
Heute existieren in der Stadt katholische, russisch-orthodoxe und muslimische Gotteshäuser, aber keine Synagoge. Drei ehemalige Synagogengebäude sind noch erhalten, sie werden jedoch für andere Zwecke genutzt. An einem der Gebäude, in dem sich heute ein Sportverein befindet, erinnert eine kleine Plakette an die jüdische Geschichte des Gebäudes. Die ehemaligen Synagogen befinden sich auf dem Weg von der orthodoxen Kirche zum Marktplatz. Dort sind auch die Reste des jüdischen Friedhofs, der zum größten Teil überbaut und verfallen ist.
In direkter Nachbarschaft errichtete die Stadt 2013 das Denkmal »Das Rad der Geschichte«, das auf 14 belarussisch beschrifteten Gedenksteinen von 14 Ereignissen der Stadtgeschichte erzählt. Sie erinnern auch an Iwjes jüdische Gemeinde und an das Ghetto, das sich von Oktober 1941 bis Januar 1943 dort befunden hatte.
In der Stadt sind zudem noch viele, früher von jüdischen Familien bewohnte Häuser aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert erhalten.
Eine Ausstellung im »Museum der nationalen Kulturen« behandelt unter anderem die jüdische Geschichte von Iwje.

Öffnungszeiten

Die Denkmäler sind jederzeit zugänglich.

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