Erinnerung an die ermordeten Juden von Glubokoje

Память убитых евреев Глубокого / Памяць забітых яўрэяў Глыбокага


In der belarussischen Stadt Glubokoje erinnern mehrere Denkmäler an die Juden des Ghettos, die dort zwischen 1941 und 1943 von deutschen Einheiten und ihren Helfern ermordet wurden. Eine der Massenerschießungsstätten befindet sich im Wäldchen Borok, wo sich auch eine Gedenkanlage in Erinnerung an sowjetische und italienische Kriegsgefangene befindet, die in nahegelegenen deutschen Lagern umkamen.

Geschichte

Die Kleinstadt Glubokoje (belarussisch: Hlybokaje, polnisch: Głębokie), im nördlichen Teil von Belarus gelegen, gehörte vor dem Ersten Weltkrieg zum Russischen Zarenreich und zwischen den beiden Weltkriegen zu Polen. Gemäß dem Hitler-Stalin-Pakt wurde Glubokoje im September 1939 sowjetisch besetzt. Juden lebten seit dem 18. Jahrhundert in der Stadt und stellten beim Ausbruch des Zweiten Weltkrieges die Mehrheit der etwa 9.000 Einwohner.
Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion besetzte die Wehrmacht Glubokoje am 2. Juli 1941. Zu diesem Zeitpunkt hielten sich etwa 5.000 Juden in der Stadt auf, darunter viele Flüchtlinge.
Am 22. Oktober 1941 richteten die Deutschen ein Ghetto in Glubokoje ein, in dem alle Juden aus Glubokoje und Umgebung auf engstem Raum zusammengepfercht leben mussten. Nur zu Arbeitseinsätzen durften Juden das abgeriegelte Gebiet verlassen. Immer wieder wurden Juden gruppenweise ermordet.
Am 27. Mai 1942 führte das Einsatzkommando 9 der Einsatzgruppe B unter dem Kommando des SS-Untersturmführers Heinz Tangermann die erste von zwei »Großaktionen« gegen Juden durch. Das Kommando erschoss etwa 2.500 Juden, die sie als nicht arbeitsfähig ansahen, in einem etwa ein Kilometer vom Ghetto entfernten Waldstück Borok. Die verbliebenen Juden blieben im Ghetto, das durch die Verlegung von jüdischen Zwangsarbeitern aus anderen Ghettos zunächst weiter anwuchs. Zeitgleich entstand im Ghetto eine Widerstandsbewegung, der es am 17. August 1943 gelang, zusammen mit sowjetischen Partisanen 70 Deutsche zu töten. Daraufhin beschlossen die Besatzungsbehörden, das Ghetto zu liquidieren und die Juden zu ermorden. Während die Häuser im Ghetto angezündet und die Bewohner erschossen wurden, konnten sich etwa einhundert Juden zunächst in den Wald retten. Viele von ihnen wurden später erneut gefangengenommen und anschließend ermordet.

Opfergruppen

Bereits kurz nach Einnahme von Glubokoje ermordeten deutsche EInheiten immer wieder Juden.
Am 25. März 1942 erschoss die deutsche Gendarmerie unterstützt durch lokale Hilfspolizisten etwa 110 Bewohner des Ghettos.
Am 27. Mai 1942 ermordete das Einsatzkommando 9 der Einsatzgruppe B etwa 2.500 Juden im Waldstück Borok. Bei der Liquidierung des Ghettos am 17. August 1943 ermordeten deutsche Einheiten, unterstützt durch lokale Helfer, fast alle der etwa 3.000 noch lebenden Bewohner des Ghettos. Danach lebten keine Juden mehr in Glubokoje.
Insgesamt durchliefen etwa 7.000 Juden das Ghetto in Glubokoje. Nur wenige von ihnen überlebten, indem sie flohen und sich jüdischen oder sowjetischen Partisanen anschlossen.

Zwischen 1941 und 1944 befand sich das Kriegsgefangenenlager Stalag 351, ab 1942 Stalag 342/Z Glebokie in Glubokoje. 1941 wurden Zehntausende sowjetische Kriegsgefangene unter erbärmlichen Bedingungen unter freiem Himmel gefangen gehalten. Die Sterblichkeit war extrem hoch. Nach der Kapitulation Italiens 1943 wurden italienische Soldaten, sogenannte Militärinternierte, hierher verschleppt. Mindestens 27.000 Soldaten kamen in diesen Lagern um, darunter etwa 200 Italiener.

Erfahre mehr über Belarus

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 und dem Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen kam der Nordosten des Landes zu Belarus als Teil der Sowjetunion. Im Sommer 1941 wurde dann ganz Belarus von deutschen Truppen erobert. Während der folgenden drei Jahre kam jeder vierte oder gar jeder dritte Einwohner gewaltsam ums Leben. Fast alle Städte des Landes wurden völlig zerstört. Wehrmacht oder SS brannten etwa 620 Dörfer, darunter Chatyn, systematisch samt ihren Einwohnern nieder. Malyj Trostenez, nahe der belarussichen Hauptstadt Minsk, war die größte Vernichtungsstätte auf dem Gebiet der besetzten Sowjetunion. Heute nimmt man an, dass mindestens 60.000 deutsche und einheimische Juden dort ermordet wurden. Für Minsk wird die Zahl der getöteten Juden auf bis zu 85.000 geschätzt, für das gesamte Gebiet auf 230.000. Belarus bildete von 1941 an mit über tausend aktiven Gruppen ein Hauptgebiet des sowjetischen Partisanenkampfes gegen die deutschen Besatzer. Ab Ende 1943 wurde das Land von der Roten Armee zurückerobert und galt im Sommer 1944 als vollständig von der deutschen Besatzung befreit. Das Land war weitestgehend verwüstet, das gesellschaftliche Gefüge erschüttert und die Menschen traumatisiert. Belarus gehörte ab 1944 wieder zur Sowjetunion. Ein großer Teil der 1939 einverleibten polnischen Gebiete blieben Teil des Landes. In der staatlichen Erinnerungs- und Denkmalkultur des Landes dominierten nach Kriegsende der Tag der Befreiung des Landes am 3. Juli 1944 und der Tag des Sieges am 9. Mai 1945 als Ende eines »heldenhaften« Kampfes im Großen Vaterländischen Krieg. Von zentraler Bedeutung war stets auch die Erinnerung an den Partisanenkrieg. Im sowjetischen Staatsverband verzichtete man auf eine eigenständige Nennung des Massenmords an den Juden. Daher stellt ein Obelisk in der Erschießungsgrube am ehemaligen Minsker Ghetto, der »Jama«, eine Besonderheit auf dem Gebiet der damaligen Sowjetunion dar. Er wurde bereits 1946 errichtet und blieb für Jahrzehnte das einzige Denkmal mit einer jiddischen Aufschrift und direkter Nennung der ermordeten Juden. Ungewöhnlich ist auch die Erinnerungsstätte in Chatyn, wo im März 1943 153 Menschen bei lebendigem Leib verbrannt worden waren. 1969 entstanden, zeichnet sie sich durch Schlichtheit aus und verzichtet auf die sonst übliche Monumentalität, es stehen die menschliche Dimension des Grauens und das Leid der Opfer im Vordergrund. Mit der Schaffung eines unabhängigen belarussischen Staates 1991 begann die Suche nach einer eigenen nationalen Identität. Hierbei spielen die Opferzahlen – insbesondere während des Zweiten Weltkrieges – eine entscheidende Rolle. Bewusst wird allerdings eine Unterscheidung zwischen dem Gebietstand vor und nach 1939 vermieden. Die Verbrechen der Stalinzeit, aber auch der Holocaust rückten ebenso in das Blickfeld, wurden aber aufgrund der vorhandenen Regierungsform nicht weitergehend öffentlich gemacht. Das staatliche Gedenken, das seinen Ausdruck auch im 2014 eröffneten, monumentalen Neubau des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges findet, bleibt vom Kampf in den Jahren 1941 bis 1944 geprägt. Zugleich hat jedoch der Verband der jüdischen Gemeinden in Belarus inzwischen eine Reihe von Denkmälern für die Opfer des Massenmordes errichten lassen. Seit Anfang der 1990er Jahre haben mehrere deutsche Städte Stelen im Gedenken an die dorthin deportierten und getöteten Juden in Minsk errichtet; das Berliner Erinnerungszeichen wurde – vom Land Berlin und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas finanziert – am 25. Juni 2009 feierlich eingeweiht. Auch eine würdige Gestaltung des Areals von Malyj Trostenez geht voran: seit 2015 erinnert eine Gedenkanlage an die Opfer. Ein zweiter Bauabschnitt wurde 2018 im Beisein der Staatspräsidenten Deutschlands, Österreichs und von Belarus eröffnet. An der Realisierung beteiligte sich auch die Bundesrepublik finanziell, wie auch an der Renovierung der Geschichtswerkstatt, die sich in einem historischen Gebäude auf dem Gebiet des ehemaligen Minsker Ghettos um die Dokumentation von Opferschicksalen kümmert.

Erinnerung

Die Rote Armee befreite Glubokoje am 3. Juli 1944. Nur wenige überlebende Juden kehrten danach in die Stadt zurück.
Das erste Denkmal wurde nach dem Krieg an einer der Massenerschießungsstätten in der heutigen Tschkalowa-Straße aufgestellt. Die russische Inschrift auf dem Obelisk erinnert an »4.500 friedliche Bürger jüdischer Nationalität«, die an dieser Stelle begraben liegen sollen.
Im weiter nördlich gelegenen Wäldchen Borok sind nach dem Krieg mehrere Denkmäler und Gedenksteine errichtet worden. Borok befindet sich westlich der Seen Welikoje und Podluschnoje und wird von der Krasnoarmejskaja-Straße durchquert. Zur Linken der Straße befinden sich drei Denkmäler, die an etwa 2.500 Juden aus dem Ghetto erinnern, die an dieser Stelle im Mai 1942 ermordet wurden. Weiter nördlich, neben dem See Podluschnoje, befinden sich eine weitere Massenerschießungsstätte und weitere Denkmäler, die an die etwa 27.000 sowjetische und italienische Kriegsgefangene erinnern, die in der Gegend umkamen. Das Kriegsgefangenenlager selbst befand sich 500 Meter weiter östlich auf dem Gelände eines ehemaligen Klosters, das heute als Gefängnis genutzt wird.
Auf dem nicht mehr benutzten jüdischen Friedhof neben dem Sees Welikoje stehen heute zwei Denkmäler und eine Informationstafel am Eingangstor. Letztere hat die englische und russische Aufschrift: »Alter jüdischer Friedhof. Von Faschisten 1941–1945 zerstört«. Auf dem Friedhof sind nur noch wenige Grabsteine zu sehen.
Heute kümmern sich Angehörige der Opfer gemeinsam mit der Ortsverwaltung um den Erhalt der Denkmäler. Jedes Jahr im August findet eine Gedenkfeier statt, zu der regelmäßig auch Überlebende und ihre Verwandten und Nachkommen aus dem Ausland anreisen.

Öffnungszeiten

Die Denkmäler sind jederzeit zugänglich.

Kontakt

http://www.eilatgordinlevitan.com/glubokoye/glubokoye.html

kotz@k-techav.com

Ulitsa Krasnoarmejskaja
211800 Hlubokoje