Erinnerung an die ermordeten Juden von Alytus

Žydų memorialas


In der litauischen Stadt Alytus erinnert eine Gedenkanlage im Vidzgiris-Wald an die jüdischen Einwohner der Stadt und ihrer Umgebung, die dort zwischen 1941 von deutschen und litauischen Einheiten ermordet wurden.

Geschichte

Alytus (deutsch: Aliten, russisch und polnisch: Olita), an den Ufern der Memel gelegen, wurde Anfang des 14. Jahrhunderts gegründet. Juden lebten dort ab dem 16. Jahrhundert. Damit hatte die Stadt eine der ältesten jüdischen Gemeinden in Litauen. 1940 besetzte die Sowjetunion das Land. Um diese Zeit hatte Alytus 1.730 jüdische Einwohner, was knapp einem Fünftel der Bevölkerung entsprach.
Die deutsche Wehrmacht besetzte die Stadt am 22. Juni 1941, dem ersten Tag des Überfalls auf die Sowjetunion. Bei den Kämpfen wurden viele Häuser zerstört. Die Deutschen stellten eine Miliz von litauischen Einheimischen auf, der sie viele Aufgaben übertrugen. Kurze Zeit später sperrten die Deutschen und ihre litauischen Helfer hunderte Einwohner von Alytus im Gefängnis ein, denen sie unterstellten, Kollaborateure der Sowjetmacht gewesen zu sein. Viele von ihnen wurden in den nächsten Tagen erschossen, unter ihnen auch Juden.
Ende Juli oder Anfang August mussten alle Juden aus Alytus und aus den benachbarten Städten Varėna, Butrimonys und Merkinė in ein Ghetto im ärmsten Teil der Stadt umsiedeln. Die Zustände im Ghetto waren katastrophal, die bis zu 1.500 Juden waren ständiger Gewalt bis hin zum Mord ausgesetzt.
Am 13. August wurden 617 jüdische Männer und 100 jüdische Frauen in der Nähe der Stadt erschossen. Weitere »Aktionen« folgten. Die größte Massenerschießung in Alytus war am 9. September 1941, als deutsche und litauische Einheiten nach deutschen Angaben 352 jüdische Kinder, 640 jüdische Frauen und 233 jüdische Männer in zuvor ausgehobenen Gruben im Vidzgiris-Wald ermordeten. Die jüdische Gemeinde von Alytus und Umgebung war ausgelöscht.

Opfergruppen

Am 13. August ermordete das Einsatzkommando 3a der Einsatzgruppe A nach eigenen Angaben 600 jüdische Männer und 100 jüdische Frauen. Im September 1941, bei der Auflösung des Ghettos wurden weitere 1.270 jüdische Kinder, Frauen und Männer ermordet. Es gab aber noch weitere Erschießungen, so dass vermutlich insgesamt mehr als 2.500 Juden aus dem Kreis Alytus bis Ende 1941 ermordet wurden.
Vom Frühherbst 1941 bis November 1942 existierte ein Kriegsgefangenenlager in Alytus. Bis zu 20.000 sowjetische Kriegsgefangene fielen dort Hunger, Durst, Krankheiten oder gezieltem Mord zum Opfer.

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Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges erlangte Litauen 1918 seine Unabhängigkeit vom Russischen Reich. Im Juni 1940 wurde das Land gemäß einem deutsch-sowjetischen Vertrag – dem so genannten Hitler-Stalin-Pakt – von der Roten Armee besetzt. Viele katholische Litauer machten pauschal Juden für den Verlust der Eigenstaatlichkeit und den sowjetischen Terror verantwortlich. Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 überrollte die Wehrmacht das Land binnen kurzem. Bereits zwei Tage später führten deutsche Einheiten im grenznahen Garsden die erste Massenerschießung von Juden in diesem Feldzug durch. Litauische Nationalisten erschlugen in den ersten Kriegstagen hunderte Juden. Anschließend überfiel das deutsch-litauische »Rollkommando Hamann« Tag für Tag Ortschaften in Litauen und erschoss bis Ende 1941 beinahe sämtliche Juden auf dem Land und in Kleinstädten. Litauische SS-Einheiten und Polizeibataillone waren auch an Mordaktionen insbesondere auf belarussischem Gebiet beteiligt. Die Zahl der bis Sommer 1944 ermordeten litauischen Juden liegt zwischen 140.000 und 150.000 – fast 99 Prozent der jüdischen Bevölkerung des Landes in der Zwischenkriegszeit. Hinzu kommen etwa 70.000 jüdische Opfer aus dem Wilna-Gebiet, das nach der Zerschlagung PolensW im Herbst 1939 an Litauen zurückgegeben worden war. Der Terror richtete sich ab Sommer 1941 auch gegen meist kommunistische Kritiker und andere Minderheiten. Verschleppungen von Zwangsarbeitern in das Deutsche Reich setzten ein. Insgesamt etwa 170.000 nichtjüdische litauische Zivilisten fanden den Tod. Mit der Rückeroberung durch die Rote Armee 1944 wurde das Land erneut Teil der Sowjetunion. Tausende Litauer emigrierten, Tausende andere kämpften noch bis Ende der 1950er Jahre als Partisanen (»Waldbrüder«) gegen die sowjetische Besatzung. Insgesamt verschleppte der sowjetische Geheimdienst NKWD etwa 500.000 Litauer in das Innere der Sowjetunion. Das offizielle Litauen der Sowjetzeit gedachte vor allem der Helden des »Großen Vaterländischen Kriegs« und der prosowjetischen litauischen Patrioten, aber auch der ermordeten »friedliebenden Sowjetbürger und Kommunisten«. An einem der wichtigsten Orte des Massenmordes, dem IX. Fort in Kaunas, wurde 1958 ein Museum eingerichtet und 1984 ein monumentales Denkmalensemble aus Beton eröffnet. Seine Unabhängigkeit von Moskau erkämpfte sich das Land 1990/91 auch gegen russische Panzer mit 14 Toten. Anschließend wurden viele Monumente aus sowjetischer Zeit abgebaut, die jahrzehntelange Besatzung und der Widerstand rückten ins Zentrum der nationalen Erinnerung. Die Annexion Litauens durch die Sowjetunion 1940/41 und 1944 bis 1990 sowie die deutsche Besetzung wurden gleichgesetzt; wie in Lettland und Estland Okkupationsmuseen eingerichtet, deren inhaltlicher Schwerpunkt die Jahre des sowjetischen Terrors ist. Erst in den 1990er Jahren kam es zu einer breiten Diskussion über die litauische Beteiligung am Holocaust und 1998 zur Gründung einer Internationalen Kommission zur Bewertung der Verbrechen während des nationalsozialistischen und des sowjetischen Besatzungsregimes. Mittlerweile ist die litauische Erinnerungskultur immer vielfältiger. Eines der wichtigsten Institutionen ist das Jüdische Museum »Gaon von Wilna«. Am ehemaligen Massenerschießungsort Ponary (Paneriai) soll neben den Denkmälern auch ein Museumsbau entstehen. Bereits seit 2014 gibt es eine neue Dauerausstellung im Fort IX, während das Internetprojekt »Holocaust Atlas of Lithuania« detaillierte Informationen über die Orte der Massenerschießungen im ganzen Land anbietet.

Erinnerung

Die Rote Armee eroberte Alytus am 14. Juli 1944. Litauen wurde wieder Teil der Sowjetunion. Nur wenige Juden aus Alytus hatten den Krieg woanders überlebt.
In den 1950er Jahren bemühten sich Angehörige der jüdischen Opfer um die Errichtung eines Denkmals am Ort der Massenerschießungen im Vidzgiris-Wald. 1959 wurde ein Denkmal genehmigt und anschließend errichtet. Die Inschrift auf dem Denkmal in Form eines Obelisks nannte weder die jüdische Herkunft der Opfer noch die Beteiligung von einheimischen Litauern an den Morden, sie lautete stattdessen lediglich: » Hier liegen sowjetische Bürger und Kriegsgefangene begraben, Opfer der Hitler-Mörder«.
1993 wurde eine neue Gedenkanlage mit mehreren Denkmälern und Gedenksteinen im Vidzgiris-Wald errichtet. Der sowjetische Obelisk blieb weiterhin stehen. Neun weiße pyramidenförmige Steine markieren dort die Massengräber. Das zentrale Denkmal stellt einen zerbrochenen Davidstern aus Metall dar. Die Pläne für die Gedenkanlage hatte die Architektin Aloyzas Smilingis erarbeitet, die Skulptur des Davidsterns stammt vom Bildhauer Aloyzas Smilingis.
2016 wurde mit Restaurationsarbeiten an der 1911 erbauten ehemaligen Synagoge begonnen. Während der sowjetischen Zeit wurde im Gebäude Salz gelagert. In Zukunft soll das Haus ein Museum und die jüdische Gemeinde von Alytus beherbergen.

Öffnungszeiten

Die Denkmalanlage im Wald ist jederzeit zugänglich.

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