Erinnerung an das Lager Sylt

Remembrance of Lager Sylt Concentration Camp


Auf der zur britischen Krone gehörenden Kanalinsel Alderney befinden sich Reste eines ehemaligen Außenlagers des KZ Neuengamme.

Geschichte

Die Kanalinseln sind eine zur britischen Krone gehörende Inselgruppe im südlichen Ärmelkanal, unmittelbar vor der Küste der Normandie gelegen. Als die deutsche Wehrmacht im Mai/Juni 1940 die französische Armee besiegte und die britische Armee zum Rückzug vom Kontinent zwang, evakuierten die Briten einen Teil der Bevölkerung der Inselgruppe, darunter fast alle 1.400 Einwohner der drittgrößten Insel Alderney. Anschließend besetzte die Wehrmacht die Inseln.
Um die erwartete Invasion der Alliierten abzuwehren, begannen die deutschen Besatzer 1942 mit dem Bau des Atlantikwalls, einer gigantischen Verteidigungslinie entlang der Meeresküste. Die als strategisch wichtig angesehenen Kanalinseln sollten ebenfalls stark befestigt werden. Für die Bauarbeiten wurden KZ-Häftlinge, Kriegsgefangene und Bautruppen der Organisation Todt herangezogen.
Im März 1943 kam die SS-Baubrigade I auf der Insel mit 730 Häftlingen des KZ Sachsenhausen und 270 Häftlingen des KZ Neuengamme an. Sie wurden im Lager Sylt untergebracht, das nun offiziell als Außenlager des KZ Neuengamme fungierte. Es gab drei weitere Lager auf der Insel, die aber der Organisation Todt unterstanden und ebenfalls nach deutschen Nordseeinseln benannt wurden. Aus diesen wurden immer wieder Gefangene ins Lager Sylt überstellt, darunter viele sowjetische Kriegsgefangene.
Nach der Landung der Alliierten in der Normandie im Juni 1944 – bei der die Kanalinseln keinerlei militärische Rolle spielten – löste die SS das Lager auf und evakuierte die Häftlinge auf das Festland. Am Ziel in Belgien kamen lediglich 572 Häftlinge an – einigen Häftlingen gelang die Flucht, andere wurden von den Wachen ermordet.

Opfergruppen

Etwa die Hälfte der KZ-Gefangenen im Lager Sylt waren sowjetische Kriegsgefangenen, außerdem gab es noch Polen, Niederländer, Tschechen und Franzosen unter den Gefangenen, dazu kamen noch Kriminelle und sogenannte Arbeitsscheue. Auch einzelne Einwohner der Insel, die 1940 nicht evakuiert worden waren, wurden im Lager inhaftiert und zur Arbeit gezwungen. Es gibt unterschiedliche Angaben darüber, ob sich unter den Häftlingen auch Juden befanden.
Es ist nicht möglich, die genaue Zahl der Häftlinge oder der Todesopfer festzustellen, auch weil die Zahl der Häftlinge durch Überstellungen aus anderen Lagern stark schwankte. Im Juni 1943 schickte die SS 200 nicht mehr arbeitsfähige Häftlinge ins Stammlager Neuengamme zurück; etwa 100 Häftlinge kamen wegen Unterernährung, Krankheiten oder Misshandlungen durch die Wachmannschaften auf der Insel um. Andere Quellen gehen von bis zu 700 Todesopfern aus.

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Das heutige Selbstverständnis der britischen Nation fußt maßgeblich auf der Geschichte des Landes im Zweiten Weltkrieg. Großbritannien war der einzige europäische Gegner des Deutschen Reiches, der – mit Ausnahme der Kanalinseln – nicht durch die Wehrmacht besetzt wurde. Das Vereinigte Königreich prägte als Siegermacht die europäische Nachkriegsordnung entscheidend mit. Im Mittelpunkt der Erinnerung an den Krieg steht bis heute die Besinnung auf die militärische und moralische Selbstbehauptung. Als Symbolfigur gilt dabei der konservative Premierminister Winston Churchill (1874–1965), der 1940 sein Amt antrat. Ihm gelang es, durch seine Reden einen optimistischen Geist zu verbreiten, während die Zivilbevölkerung durch die deutschen Bombenangriffe große Verluste zu beklagen hatte. Die Stadt Coventry steht sinnbildlich für die Zerstörungen, aber auch für die Initiativen einer Aussöhnung mit den Deutschen. Ein Leitmotiv im Umgang mit dem Zweiten Weltkrieg in Großbritannien war der gemeinsame Einsatz verschiedener Bevölkerungsgruppen an der »Heimatfront«, in dessen Rahmen der Adel seine Herrenhäuser für Großstadtkinder zur Verfügung stellte und die königliche Familie Ausgebombte besuchte. An einen Gemeinschaftsgeist appellierte auch die »Labour Party« in ihrem Wahlkampf nach Kriegsende 1945, durch den es ihr gelang, Churchill abzulösen. Labour legte mit neuen Bildungs- und Sozialversicherungsgesetzen die Grundlage für eine Phase des sozialen Friedens nach den Grundsätzen der Chancengleichheit und Gleichberechtigung. Diesem Geist entsprach auch eine wohl in Europa einzigartige Erinnerungskultur der frühen Nachkriegsjahre. Bereits 1944 hatte eine Umfrage ergeben, dass Denkmalprojekte für die Opfer des Zweiten Weltkrieges den Überlebenden »Nutzen bringen oder Freude bereiten« sollten. Daher wurde in Wales ein Schwimmbad offizielles Gedenkzeichen, in Eastbourne sechs Häuser für Kriegsversehrte und deren Familien. Inzwischen haben sich die Formen der Erinnerung in Großbritannien verändert. Nach der dramatischen Wirtschaftskrise der 1970er Jahre leitete die konservative Premierministerin Margaret Thatcher (1925–2013) einen radikalen Politikwandel ein und veränderte auch die Stellung der Briten zu ihrer Vergangenheit. »Effizienz« wurde zum Leitbegriff. Unternehmerisches Denken sollte auch im Kulturbereich Einzug halten, Geschichte zum Konsumprodukt werden. Tatsächlich nahm sich die entstehende »Geschichtsindustrie« auch des Zweiten Weltkriegs an, wovon das Angebot zahlreicher Museumsläden zeugt. In den folgenden Jahren hat die Erinnerung an den Krieg durch die Feiern zum Jahrestag der Landung der Westalliierten in der Normandie 1944 und des Sieges 1945, aber auch durch zahlreiche Spielfilme und Fernsehserien, weiter zugenommen. In diesem Zusammenhang ist die Erinnerung an den Holocaust gestärkt worden, der bis in die späten 1960er Jahre fast völlig ausgeblendet wurde, obwohl sich viele Flüchtlinge der Verfolgung im Land niedergelassen hatten. Im Jahr 2000 eröffnete Königin Elisabeth II (1926–2022) im »Imperial War Museum«, dem zentralen Kriegs- und Militärmuseum des Landes in London, eine Dauerausstellung über den Mord an den europäischen Juden, die einen fundierten Überblick über das Verbrechen bietet. Auf Initiative der Regierung Cameron sollte im Londoner Regierungsviertel bis Mitte der 2020er Jahre ein neues nationales Holocaustdenkmal entstehen.

Erinnerung

Es gibt nur sehr wenig, was am historischen Ort an das ehemalige Lager Sylt erinnert. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die meisten Inselbewohner (die sich zumal zwischen 1940 und 1944 nicht auf der Insel aufhielten) nur ungern an die Zeit der Besatzung erinnert werden. Eine Ausnahme ist ein Denkmal, das Anfang der 1950er Jahre entstand und durch Angehörige der Familie Hammond 1966 erweitert wurde. Das »Hammond Memorial« erinnert mit Gedenktafeln in mehreren Sprachen, darunter Französisch, Polnisch und Hebräisch an die ehemaligen Häftlinge, die auf der Insel ums Leben kamen.
Es gibt zwar reichlich bauliche Spuren des Antlantikwalls auf Alderney, an das Lager selbst erinnert jedoch nur wenig. Das Eingangstor steht noch, es wurde inzwischen von Wildwuchs befreit. An ihm wurde 2008 im Beisein eines der letzten noch lebenden ehemaligen Häftlinge eine kleine Gedenktafel angebracht.

Öffnungszeiten

Das Gelände ist jederzeit zugänglich.

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