Gedenkstätte Stalag 326 (VI K) Senne

Gedenkstätte Stalag 326 (VI K) Senne


In der ostwestfälischen Landschaft Senne nahe dem Ort Stukenbrock errichtet die Wehrmacht 1941 das Kriegsgefangenenlager »Stalag 326 (VI K) Senne«, in dem vor allem sowjetische Kriegsgefangene inhaftiert waren. Seit 1996 erinnert die »Dokumentationsstätte Stalag 326 (VI K) Senne« an die etwa 300.000 Häftlinge, die das Lager von 1941 bis 1945 durchliefen.

Geschichte

Anfang Mai 1941, mehrere Wochen vor dem Angriff auf die Sowjetunion, errichtete die Wehrmacht auf dem Truppenübungsplatz in der Senne nahe Stukenbrock ein Kriegsgefangenenlager für sowjetische Kriegsgefangene, ein so genanntes Russenlager. Als die ersten 4.000 sowjetischen Kriegsgefangenen am 10. Juli 1941 im »Stalag (Mannschaftsstammlager) 326 (VI K) Senne« in Stukenbrock-Senne ankamen, gab es im Lager keine Baracken oder Unterbringungen. Die Häftlinge mussten auf einem von Stacheldraht umzäunten Feld unter freiem Himmel oder in Erdhöhlen hausen. Vor Einbruch des Winters wurden die Kriegsgefangenen in Baracken untergebracht. Immer wieder brachen Krankheiten aus, viele Häftlinge starben auch an Unterernährung und Entkräftung. Auf Befehl des Reichssicherheitshauptamtes wurden bis Sommer 1942 so genannte »untragbare« Häftlinge, Juden, Kommissare, Vertreter von Partei und Staat der Sowjetunion und andere gleich nach ihrer Ankunft »ausgesondert« und in das nächstgelegene Konzentrationslager gebracht – tausende sowjetische Häftlinge ermordete die SS daraufhin im Konzentrationslager Buchenwald. Ab Herbst 1941 mussten die Häftlinge Zwangsarbeit in der Landwirtschaft oder in nahe gelegenen Betrieben leisten. Die meisten Häftlinge lebten in der Nähe ihrer Arbeitstellen, im Lager hielten sich nur kranke Gefangene auf oder solche, die in der Nähe arbeiteten. Ab September 1942 kamen auch Kriegsgefangene anderer Nationalität in das »Stalag 326«, vor allem Franzosen, Serben, Polen und Belgier, ab 1943 auch italienische Militärinternierte. Für die sowjetischen Kriegsgefangenen wurde das »Stalag 326« ab Herbst 1942 ein »Ausleselager«, die Lagerleitung stellte sie nach einer oberflächlichen Musterung für den Ruhrbergbau zur Verfügung. Tausende Gefangene kamen bei der harten Arbeit im Bergbau ums Leben. Am 2. April 1945 befreiten amerikanische Truppen etwa 9.000 sowjetische Gefangene aus dem Stalag Senne.

Opfergruppen

Die meisten Häftlinge im »Stalag 326 (VI K) Senne« stammten aus der Sowjetunion. Historiker gehen davon aus, dass etwa 300.000 Kriegsgefangene das Lager in Senne durchlaufen haben, bis sie als Zwangsarbeiter an ihre Arbeitstellen transportiert wurden. Ab September kamen auch Kriegsgefangene aus anderen Ländern nach Senne, mehr als 10.000 Franzosen, dazu Serben, Polen und Belgier, ab 1943 wurden auch etwa 3.000 Italienische Militärinternierte in Senne gefangen gehalten. Wie viele Menschen im Kriegsgefangenenlager Senne starben ist unklar: Schätzungen gehen von mindestens 15.000 Todesopfern aus, einige Quellen geben 65.000 Tote an.

Erfahre mehr über Deutschland

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Nach 1945 lebten im Lager ehemalige sowjetische Kriegsgefangene, die auf die Rückkehr in ihre Heimat warteten. Die überlebenden Kriegsgefangenen errichteten bereits 1945 Gedenksteine an der nahegelegen Gräberanlage, auf der seit 1941 die Opfer des »Stalags 326« in Massengräbern bestattet wurden. Zudem bauten sie einen zehn Meter hohen Obelisken zur Erinnerung an die Opfer. In den 1960er Jahren wurde der Friedhof umgestaltet, eine als Kreuzgruppe gestaltete Skulptur von Josef Rikus wurde 1964 errichtet.
Bis 1948 diente das ehemalige Kriegsgefangenenlager dann als Internierungslager für führende Nationalsozialisten. Ab 1948 wurde das Lager zu einem Flüchtlingslager für Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten. Später entstand das »Sozialwerk Stukenbrock«, das hier eine Schule, ein Krankenhaus und einen Kindergarten errichtete. Auf dem ehemaligen Lagergelände befindet sich seit 1970 die Landespolizeischule »Erich Klausener«. Ein Arbeitskreis mit dem Namen »Blumen für Stukenbrock« bildete sich 1976, mit dem Ziel die Geschichte des Lagers zu dokumentieren. 1996 eröffnete die »Dokumentationsstätte Stalag 326 (VI K) Senne«. 2015 besuchte Bundespräsident Joachim Gauck das Lager anlässlich des 70. Jahrestages des Kriegsendes und betonte die Notwendigkeit auch der sowjetischen Kriegsgefangenen als Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken. Nachdem der Landtag NRW 2016 beschloss u.a. den Ausbau von NS-Gedenkstätten weiterhin zu fördern, sprachen sich verschiedene Initiativen, besonders in Ostwestfalen für einen Ausbau der Gedenkstätte Stalag Senne aus. Die Neukonzeption, die vor allem aus Bundes- und Landesmitteln finanziert wird, ist 2024 noch nicht abgeschlossen und teilweise infrage gestellt worden.

Seit 2023 steht die finanziell nie ganz abgesicherte Gedenkstätte im Konflikt mit dem Kreistag Gütersloh, der ihr eine anteilige Finanzierung der Betriebskosten verwehrte bis ein Kompromiss zur Kostensenkung gefunden werden konnte. Nach wie vor bringen Ehrenamtliche und engagierte Bürger sich sehr stark für den Betrieb und Erhalt der Gedenkstätte ein.

Angebote

Dauerausstellung, Führungen (nach vorheriger Anmeldung), Workshops, Studientage, Gedenkveranstaltungen, archivalische Sammlung, Unterstützung bei Angehörigensuche

Öffnungszeiten

Mittwoch und Donnerstag 10.00-14-00 Uhr
Öffentliche Führungen donnerstags 14.00-16.00 Uhr und jeden letzten Sonntag im Monat von 15.00-17:00 Uhr
An Feiertagen geschlossen.
Für die Führungen sind Anmeldungen notwendig.

Kontakt

http://www.stalag326.de

info@stalag326.de

+49 (0)5257 3033

Gedenkstätte Stalag 326 (VI K) Senne
Lippstädter Weg 26
(Auf dem Gelände des Polizeiausbildungsinstituts Erich Klausener)
33758 Schloß Holte-Stukenbrock