Dokumentationsstätte KZ Hersbruck

Dokumentationsstätte KZ Hersbruck


Der Verein »Dokumentationsstätte KZ Hersbruck e.V.« erinnert im mittelfränkischen Hersbruck seit 1999 an das Außenlager des Konzentrationslagers Flossenbürg, das von Mai 1944 bis April 1945 dort bestand. Die SS zwang die Häftlinge des Lagers, eine unterirdische Flugzeugmotorenfabrik im Berg Houbirg zu bauen.

Geschichte

Am 17. Mai 1944 trafen die ersten 147 Häftlinge aus dem Konzentrationslager Flossenbürg im Ort Happurg in der Nähe von Hersbruck ein. Die SS brachte die Häftlinge in einer Scheune in Happurg unter, ihre Zahl stieg bald auf 400 bis 500 an. Das Außenlager in Happurg blieb dem Konzentrationslager Flossenbürg unterstellt. Die Häftlinge mussten als Zwangsarbeiter im nahe gelegenen Bergstock der Houbirg bei Happurg eine Stollenanlage ausschachten, in der eine unterirdische Rüstungsfabrik zur Produktion von BMW-Flugzeugmotoren mit dem Namen »Doggerwerk« entstehen sollte. Zudem bauten sie im Ort Happurg die Infrastruktur für die Großbaustelle aus. Im August 1944 verlegte die SS das Lager in Happurg mit etwa 1.900 Häftlingen in das neu errichtete Außenlager Hersbruck, das in unmittelbarer Nähe des Hersbrucker Freibads »Strudelbad« lag. Das Lager in Happurg nutzte die SS fortan als Zwangsarbeiterlager. In der Umgebung entstand ein weiteres Lager für SS- und Polizeiinhaftierte, das Lager Förrenbach. Danach stieg die Zahl der in Hersbruck festgehaltenen KZ-Häftlinge auf über 2.000 im Dezember 1944 und schließlich auf bis zu fast 6.000 Menschen im Februar 1945 an. Im Winter 1944/45 errichtete die SS in der Nähe von Förrenbach ein eigenes Krematorium für die vielen Toten des Außenlagers Hersbruck. Infolge der harten Arbeit, den unzureichenden Lebensbedingungen im Lager und brutaler Strafen der SS-Wachen starben zeitweise bis zu dreißig Menschen täglich. In zwei verschiedenen Waldstücken bei Hersbruck ließ die SS zusätzlich Leichen unter freiem Himmel verbrennen. Am 7. und 8. April 1945 räumte die SS das Lager und schickte etwa 3.000 Häftlinge auf einen Todesmarsch in Richtung Süden. Die unterirdische Fabrik wurde nie fertig gestellt. Am 17. April 1945 eroberten amerikanische Einheiten Hersbruck und befreiten das Lager.

Opfergruppen

Insgesamt waren während seines elfmonatigen Bestehens etwa 9.000 Menschen aus 21 Nationen im Außenlagers Hersbruck gefangen. Die größten Gruppen bildeten ungarische Juden, Russen und Polen. Etwa 4.000 Häftlinge starben an den Lebens- und Arbeitsbedingungen, aber auch an Misshandlungen und Hinrichtungen. Damit war Hersbruck eines der größten Außenlager vom KZ Flossenbürg, zudem eines mit einer besonders hohen Todesrate.

Erfahre mehr über Deutschland

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Nach dem Zweiten Weltkrieg benutzte die US-Armee das ehemalige Lagergelände zunächst als Internierungs-, dann als Flüchtlingslager. Bereits 1945 errichteten Überlebende ein Holzkreuz und legten einen kleinen Friedhof auf dem ehemaligen Lagergelände an. Später wurde das Gelände zum Teil mit Wohnhäusern bebaut. In das ehemalige Kommandanturgebäude zog 1972 das Finanzamt von Hersbruck; 2007 wurde das Gebäude abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Neben dem Gebäude errichtete die DGB-Jugend Bayern (Deutscher Gewerkschaftsbund) 1983 einen Gedenkstein zur Erinnerung an die Opfer des Außenlagers. Die Eingänge zu den teilweise einsturzgefährdeten Stollen in Happurg wurden 2002 verschlossen. Das ehemalige Lagergelände wurde 2003 von der Stadt Hersbruck weiter überbaut: Neben dem »Strudelbad« entstand ein Thermalbad.
Das Lager Förrenbach wurde nach dem Krieg ebenfalls als Flüchtlingslager genutzt, 1955 ging das Gelände zusammen mit dem ehemaligen Krematorium in einem neu gebauten Stausee unter. Ein Denkmal wurde am Ufer des Stausees errichtet.
2007 weihte der ehemalige Häftling und Kunstprofessor Vittore Bocchetta ein Mahnmal zur Erinnerung an seine Mithäftlinge in Hersbruck ein. Die von ihm geschaffene Skulptur trägt den Titel »Ohne Namen«. Am Denkmal finden regelmäßig Veranstaltungen statt. Im Herbst 2009 wurden von der Stiftung Bayerische Gedenkstätten Informationstafeln auf dem ehemaligen Lagergelände und vor dem Zugang zum Doggerstollen errichtet. Seit 1999 setzt sich der Verein »Dokumentationsstätte KZ Hersbruck e.V.« für die Erinnerung an das Außenlager Hersbruck und die Errichtung eines Dokumentationszentrums ein. In der Innenstadt von Hersbruck unterhält der Verein eine Geschäftsstelle mit einer kleinen Ausstellung.

Angebote

Führungen zum ehemaligen Lagergelände und zu den Doggerstollen, Handbibliothek, Wanderausstellung »Das KZ-Außenlager Hersbruck und das Doggerwerk«

Öffnungszeiten

Mittwoch, Donnerstag, Freitag: 10.00 bis 12.00

Kontakt

http://www.kz-hersbruck-info.de

info@kz-hersbruck-info.de

+49 (0)9151 822 920

Mauerweg 17
91217 Hersbruck