Die Lager Jamlitz

Die Lager Jamlitz


Der kleine Ort Jamlitz befindet sich im südlichen Teil Brandenburgs. Hier befand sich das zweitgrößte Außenlager des KZ Sachsenhausen. Ein Mahnmal und eine Ausstellung im fünf Kilometer entfernten Lieberose und eine Dokumentationsstätte am historischen Ort erinnern hier an die Opfer des »Arbeitslagers Lieberose«. Eine weitere Ausstellung in Jamlitz informiert über das 1945 auf dem Areal des KZ-Außenlagers eingerichtete sowjetische »Speziallager Nr. 6«.

Geschichte

1943 mussten auf Befehl der SS Häftlinge des KZ-Sachsenhausen in Jamlitz das Außenlager Lieberose errichten. Hier benötigte die Waffen-SS Zwangsarbeiter für den geplanten Bau eines großen Truppenübungsplatzes namens »Kurmark«. Möglicherweise ging es dem Reichsführer SS Heinrich Himmler bei der Errichtung des Truppenübungsplatzes darum, im Falle eines Staatsstreichs mit Einheiten der Waffen-SS schnell ins Geschehen in Berlin eingreifen zu können.
Erste Häftlingstransporte aus dem KZ Groß-Rosen trafen im Frühjahr 1944 in Jamlitz ein. Im Laufe des Jahres 1944 entwickelte sich das »Arbeitslager Lieberose« zu einem Lager für tausende Juden, die die SS im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau für Zwangsarbeit eingeteilt hatte. Viele von ihnen waren ungarischer Abstammung.
In Jamlitz mussten die jüdischen Zwangsarbeiter Schienen verlegen sowie Kasernen, Straßen und militärische Anlagen errichten. Die hohe Todesrate unter den Häftlingen ist auf die besonders schlechten Bedingungen im »Arbeitslager Lieberose« zurückzuführen. Für die Ausführung der schweren Arbeiten standen ihnen nur wenige Hilfsmittel und Geräte zur Verfügung. Sanitäre Anlagen in den notdürftig errichteten Baracken fehlten. Die Häftlinge erhielten geringe Nahrungsrationen und kaum Kleidung. Viele der Insassen wurden krank. Nicht mehr arbeitsfähige Häftlinge schickte die SS bis Oktober 1944 in Transporten regelmäßig nach Auschwitz zur Vernichtung zurück. Nach dieser Zeit krank gewordene und nicht mehr arbeitsfähige Zwangsarbeiter kamen in zwei im Lager errichtete »Schonungsblocks«. Im Februar 1945 erschoss die SS mehr als 1.200 kranke Häftlinge, hauptsächlich Juden aus Ungarn.
Von September 1945 bis April 1947 betrieb der sowjetische Geheimdienst NKWD das »Speziallager Nr. 6« auf dem Gelände des vormaligen »Arbeitslagers Lieberose«. Insgesamt etwa 10.000 Menschen waren hier ohne Verfahren und Verurteilung inhaftiert, von denen über 3.000 aufgrund der schlechten Bedingungen starben.

Opfergruppen

Von November 1943 bis März 1945 durchliefen etwa 11.000 Häftlinge das »Arbeitslager Lieberose«. Bei etwa 10.000 von ihnen handelte es sich um jüdische Zwangsarbeiter, die zu einem großen Teil aus Ungarn und Polen stammten. Insgesamt befanden sich in Jamlitz Häftlinge aus zwölf verschiedenen Nationen.
Mehr als 1.200 kranke und nicht mehr gehfähige jüdische Zwangsarbeiter erschoss die SS in Jamlitz bei der Räumung des Lagers im Februar 1945. Ihre Leichen ließ die SS in mindestens zwei Massengräbern verscharren.
Neuere Forschungen zum »Arbeitslager Lieberose« gehen von insgesamt etwa 3.500 Gefangenen aus, die in Jamlitz aufgrund von Krankheit und Erschöpfung starben oder von Angehörigen der SS ermordet wurden. Vermutet wird, dass weitere 4.000 Häftlinge bis Oktober 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau zurückgeschickt und dort ermordet wurden. Etwa 1.600 weitere Gefangene mussten sich bei der Auflösung des Lagers im Februar 1945 auf einen Fußmarsch begeben, der das KZ Sachsenhausen zum Ziel hatte. Ungefähr 140 der Männer überlebten die Strapazen des Marsches nicht.
Im sowjetischen Speziallager, das nach 1945 auf demselben Gelände untergebracht war, wurden laut sowjetischen Quellen ungefähr 10.200 Gefangene festgehalten, von denen über 3.000 im Lager starben.

Erfahre mehr über Deutschland

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Als 1971 eines der Massengräber mit den sterblichen Überresten von 577 ermordeten Juden bei Staakow entdeckt wurde, veranlassten die DDR-Behörden ihre Exhumierung. Eine Urne, angeblich mit der Asche der gefundenen Gebeine, wurde daraufhin in Lieberose beigesetzt. In der Folgezeit entstand an diesem Ort eine Gedenkwand für die Opfer des Faschismus sowie ein kleines Museum. Die jüdischen Opfer des Arbeitslagers blieben jedoch unerwähnt. Erst in den neunziger Jahren begann eine Initiativgruppe mit der Aufarbeitung der Geschichte des »Arbeitslagers Lieberose« und seiner Opfer. Die Ergebnisse dieser Arbeit können in der Ausstellung der Gedenkstätte zum »KZ-Nebenlager Lieberose« besichtigt werden. Sie befindet sich in dem kleinen Museumsgebäude beim Urnengrab der jüdischen Zwangsarbeiter. Seit 2009 befindet sich zudem ein jüdischer Friedhof an der Stelle des 1971 gefundenen Massengrabs.
Bis zum Ende der DDR erinnerte an der eigentlichen Stelle des ehemaligen Arbeitslagers in Jamlitz nichts an das KZ-Außenlager oder das sowjetische Speziallager. In Trägerschaft der evangelischen Kirchengemeinde Lieberose und mit der finanziellen Unterstützung des Landes Brandenburg und der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten wurde im Juni 2003 auf dem ehemaligen Lagergelände eine Dokumentation eingeweiht. Räumlich voneinander getrennt informieren lichtdurchlässige Tafeln über die Geschichte und die Opfer beider Lager.
Bereits seit 1995 existiert an einem der gefundenen Massengräber des sowjetischen Speziallagers ein Friedhof zum Gedenken an die Opfer.

Öffnungszeiten

Die Ausstellungen stehen im Freien und sind jederzeit zugänglich.

Kontakt

http://www.die-lager-jamlitz.de

info@die-lager-jamlitz.de

+49 (0)33671 280 032

Kiefernweg
15868 Jamlitz