Denkmale für die ermordeten Juden aus Libau

Memoriāls Liepāja


Die Hafenstadt Libau (lettisch: Liepāja) liegt an der lettischen Ostseeküste und gehört zum Landesteil Kurland (lettisch: Kurzeme). Mitglieder der SS-Einsatzgruppe A und lettische Kollaborateure erschossen bis April 1942 beinahe alle jüdischen Einwohner der Stadt. An den Erschießungsstellen in Libau und im nahen Skede (lettisch: Šķēde) befinden sich heute Denkmale zur Erinnerung an die Opfer.

Geschichte

Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten in Libau ungefähr 7.300 Juden. Viele von ihnen waren deutschsprachig. Nach der Besetzung Lettlands durch die Sowjetunion 1940 wurde das jüdische Leben auch in Libau stark eingeschränkt.
Am 29. Juni 1941, wenige Tage nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion, erreichte die deutsche Wehrmacht die Hafenstadt an der Ostsee. Ihr folgte die SS-Einsatzgruppe A, die mit Hilfe örtlicher Nationalisten innerhalb eines Monats in mehreren »Aktionen« etwa tausend Juden, aber auch Roma, erschoss. Zu den Ermordeten gehörten vor allem alte und arbeitsunfähige Juden.
Jüdische Männer zwischen 16 und sechzig Jahren zogen die deutschen Besatzer zur Zwangsarbeit ein. Ein Großteil von ihnen musste für die SS in der Rüstungswirtschaft arbeiten, ein anderer Teil wurde ab 1942 an die Zuckerfabrik in Libau ausgeliehen.
Die Erschießungen vom Juli 1941 wurden vom zuständigen Reichskommissar aufgrund ihrer Unorganisiertheit zunächst gestoppt. Aus diesem Grund gab es von August bis Anfang Dezember 1941 keine weiteren Exekutionen in Libau. Nach dieser Phase relativer Ruhe folgte Mitte Dezember eine drei Tage andauernde Massenerschießung. Vom 15. bis zum 17. Dezember 1941 ermordeten SS-Angehörige mit Hilfe lettischer Polizeikräfte in den Dünen des Fischerdorfes Skede nördlich von Libau 2.700 bis 2.800 Juden, darunter viele Frauen und Kinder. Anfang 1942 folgten weitere Erschießungen. Im April 1942 war bereits neunzig Prozent der jüdischen Vorkriegsbevölkerung Libaus nicht mehr am Leben. Zu diesem Zeitpunkt mussten die wenigen überlebenden Juden, etwa 800, in ein neu eingerichtetes Ghetto umziehen. Am 8. Oktober 1943 löste die SS das Ghetto Libau wieder auf und deportierte seine Bewohner in das Konzentrationslager Kaiserwald bei Riga.

Opfergruppen

Aus Libau und Umgebung wurden schätzungsweise 5.000 Juden ermordet. Zu den Opfern gehörten auch Roma, ihre genaue Anzahl ist jedoch nicht bekannt.

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1940 wurde das seit 1918 unabhängige Lettland gemäß einem deutsch-sowjetischen Vertrag – dem so genannten Hitler-Stalin-Pakt – von der Roten Armee besetzt. Am 22. Juni 1941, als deutsche Truppen die Sowjetunion angriffen, lebten noch etwa 70.000 Juden im Land. Über 23.000 waren – wie Zehntausende andere Letten – kurz zuvor vom sowjetischen Geheimdienst NKWD nach Sibirien verschleppt worden oder hatten in das Landesinnere fliehen können. Der kämpfenden Wehrmacht folgte die SS-Einsatzgruppe A, die unter aktiver Beihilfe von Angehörigen des lettischen »Selbstschutzes« zwischen Juli und Anfang Dezember 1941 etwa 30.000 Juden erschoss. Die Ortskommandanturen der Wehrmacht richteten noch im Spätsommer 1941 zwei Ghettos ein: in der Hauptstadt Riga mit 30.000 und in Dünaburg (Daugavpils) mit 14.000 jüdischen Häftlingen. In zwei großen Massenerschießungen Ende 1941 im Wald von Rumbula bei Riga ermordeten deutsche und lettische Sondereinheiten 25.500 Juden aus dem dortigen Ghetto. Das leergeräumte »Große Ghetto« in Riga war ab Dezember 1941 Ziel von Deportationszügen mit 25.000 deutschen, österreichischen und tschechischen Juden. Anfang 1942 fanden erneut Massenerschießungen im Wald von Bikernieki bei Riga statt, denen Tausende Juden zum Opfer fielen. Bis Kriegsende kamen 95 Prozent der jüdischen Vorkriegsbevölkerung Lettlands und etwa 120.000 nichtjüdische Zivilisten gewaltsam zu Tode. Mit der Rückeroberung Lettlands durch die Rote Armee 1944 wurde das Gebiet erneut Teilrepublik der Sowjetunion. Es entstanden zahlreiche Denkmäler zur Erinnerung an den »Sieg« im »Großen Vaterländischen Krieg«. Erst 1990/91 erkämpfte Lettland seine staatliche Unabhängigkeit von Moskau auch gegen sowjetische Panzer. Anschließend wurden viele sowjetische Monumente abgebaut, die jahrzehntelange Besatzung und der Widerstand rückten ins Zentrum der nationalen Erinnerung. Die Annexion Lettlands durch die Sowjetunion 1940/41 sowie 1944 bis 1990 und die deutsche Besetzung wurden gleichgesetzt; wie in Litauen und Estland Okkupationsmuseen eingerichtet, deren inhaltlicher Schwerpunkt die Jahre des sowjetischen Terrors ist. Während des Krieges hatten um die 160.000 Letten – freiwillig oder gezwungen – in der Lettischen Legion der Waffen-SS gedient und waren bei Massenerschießungen, Brandschatzungen und der Bewachung von Lagern, aber auch im Krieg und gegen Partisanen eingesetzt. Zu sowjetischen Zeiten ausgegrenzt und verfolgt, wurden die früheren »Legionäre« nach 1990/91 von vielen als Freiheitskämpfer gegen die kommunistische Fremdherrschaft angesehen und geehrt. Gegen diese einseitige Sichtweise regte sich Protest im Ausland. Ende 1998 wurde eine internationale Historikerkommission zum Thema »Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der zwei Okkupationen 1940–1956« beim Präsidenten der Republik eingerichtet. Stätten des Gedenkens an den Holocaust gibt es vor allem auf dem Gelände des früheren Konzentrationslagers Salaspils seit 1967 und seit 2001 in Bikernieki. Im Wald von Rumbula stellten jüdische Dissidenten bereits 1962 einen Davidstern zur Erinnerung auf. Das Gedenkzeichen wurde von den sowjetischen Behörden beseitigt und durch ein Ehrenmal für die »Opfer des Faschismus« ersetzt. Im November 2002 konnte ein neues Denkmal eingeweiht werden. In der Hauptstadt Riga gründeten Holocaustüberlebende 1989 ein jüdisches Museum. 2005/06 entstand auf den Fundamenten der ehemaligen Choralsynagoge in Riga eine Gedenkstätte zur Erinnerung an alle Opfer des Holocaust und an alle Juden, die auf lettischem Boden ermordet wurden. Seit 2010 gibt es ein Museum des Rigaer Ghettos.

Erinnerung

Seit 2002 erinnert ein Gedenkstein an die ermordeten Juden Libaus. Am 9. Juni 2004 wurde auf dem jüdischen Friedhof in Libau eine Gedenkwand mit den Namen mehrerer tausend jüdischen Opfern aus der Stadt eingeweiht. Weitere 42 Namen an der Wand erinnern an Deutsche und Letten, die insgesamt 33 Juden das Leben retteten. Die Gedenkwand entstand aufgrund einer Bürgerinitiative und wurde ausschließlich aus privaten Spenden finanziert.
Nach dem Krieg und der abermaligen Besetzung Lettlands durch die Sowjetunion wurde von den Behörden in Skede ein kleiner Gedenkstein errichtet, der »19.000 sowjetischen Patrioten« gewidmet war. Jüdische Opfer wurden auf dem Gedenkstein nicht erwähnt. 2006 stellten aus Libau stammende Juden eine Gedenktafel an dieser Stelle auf, die an alle zwischen 1941 und 1945 in Skede ermordeten Menschen erinnert. Inzwischen ist auch eine künstlerisch anspruchsvolle Gedenkanlage an dieser Stelle errichtet worden.

Öffnungszeiten

Die Gedenkwand in Libau und die Gedenkanlage in Skede sind jederzeit zugänglich.

Kontakt

http://www.liepajajews.org/


Libau