Denkmal der jüdischen Märtyrer

Zsidó mártírok emlékműve


In der südungarischen Bergbau- und Universitätsstadt Fünfkirchen erinnern mehrere Gedenktafeln und Denkmäler an die ermordeten Juden der Stadt. Im Sommer 2010 wurde ein Denkmal am Hauptbahnhof eingeweiht.

Geschichte

Fünfkirchen (ungarisch: Pécs) ist eine der ältesten Städte Ungarns und befindet sich im Südwesten des Landes unweit der kroatischen Grenze. Juden lebten seit dem späten 18. Jahrhundert hier, nach 1840 stieg ihre Zahl sprunghaft an. Das Gebäude der zwischen 1865 und 1869 erbauten Synagoge zeugte vom wachsenden Selbstbewusstsein der eher reformorientierten Gemeinde. Wie schon die Große Synagoge in Budapest bekam auch das jüdische Gotteshaus in Fünfkirchen eine Orgel.
1941 lebten 3.486 Angehörige der jüdischen Religion in der Stadt sowie weitere 534, die nach den damals in Ungarn geltenden Gesetzen als Juden galten. Viele jüdische Männer wurden nach Ausbruch des Krieges zum Arbeitsdienst bei der ungarischen Armee einberufen.
Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Ungarn am 19. März 1944 bezog auch die Gestapo in Fünfkirchen Quartier. Die darauf folgenden antijüdischen Maßnahmen wurden eng mit den ungarischen Behörden abgestimmt. Bereits im März wurde ein Judenrat gebildet. Einige reiche Juden verschleppte die SS gleich in dieser Anfangsphase ins Konzentrationslager Mauthausen in Österreich. Im Mai wurde ein Ghetto eingerichtet, in das neben den Juden aus Fünfkirchen auch etwa 2.200 Juden aus der Umgebung eingewiesen wurden. Mehrere Wochen mussten die Menschen auf engstem Raum ausharren, ohne zu wissen, was mit ihnen geschehen würde. Ende Juni wurde das Ghetto evakuiert und die Juden auf ein Kasernengelände überführt, dabei nahmen ihnen ungarische Sicherheitskräfte die Wertsachen ab. Die Lebensbedingungen in der Kaserne waren katastrophal, viele starben an Krankheiten, die sich schnell verbreiteten.
In insgesamt zwei Schüben, am 4. und am 6. Juli 1944, trieben ungarische Gendarmen die Juden aus der Kaserne zum Hauptbahnhof, wo sie in Viehwaggons geladen und in Richtung Auschwitz-Birkenau deportiert wurden.

Opfergruppen

Die genaue Zahl der aus Fünfkirchen deportierten Juden ist nicht mehr genau zu ermitteln. Sie lag schätzungsweise bei 5.000, wobei etwa 2.700 aus der Stadt und 2.300 aus der Umgebung stammten. Von den Deportierten überlebten fast ausschließlich junge Frauen, die in Auschwitz zur Zwangsarbeit selektiert wurden. Einige Hundert junge Männer entgingen der Deportation, weil sie bereits vor der deutschen Besatzung zum Arbeitsdienst einberufen worden waren. Insgesamt etwa 70 Prozent der Fünfkirchener Juden wurden ermordet.

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Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und dem Zerfall der Österreichisch-Ungarischen Doppelmonarchie musste Ungarn 1920 zwei Drittel seines Staatsgebietes und sechzig Prozent seiner Bevölkerung an seine Nachbarstaaten abtreten. Diese Verluste traumatisierten das Land und führten dazu, dass sich Ungarn unter seinem Staatschef Nikolaus von (Miklós) Horthy (1868–1957) ab 1937 allmählich dem nationalsozialistischen Deutschen Reich annäherte. Es gelang Ungarn in mehreren Schritten, sein Staatsgebiet zwischen 1938 und 1941 fast zu verdoppeln. Im März 1944 war das Land angesichts der vorrückenden Roten Armee kurz davor, sich von Deutschland abzuwenden und wurde deshalb von der Wehrmacht besetzt. Horthy blieb zunächst Staatsoberhaupt. Unter Mithilfe der ungarischen Verwaltung begann die SS beinahe sofort mit Deportationen von Juden in das Vernichtungslager Auschwitz, die Ungarn trotz antijüdischer Gesetze zuvor noch verweigert hatte. Von den etwa 825.000 Juden aus »Groß-Ungarn« wurden weit über eine halbe Million Menschen dort ermordet, allein bis zu 300.000 kamen aus den Regionen des heutigen Ungarn. Darüber hinaus fanden um die 140.000 Soldaten sowie etwa 170.000 nichtjüdische Zivilisten den Tod. Nach 1945 war Ungarn Teil der sowjetischen Einflusssphäre. Bis 1989 erinnerte das offizielle Ungarn nicht an den Krieg, sondern an sein Ende – als »Befreiung vom Faschismus«. Die Mehrheit der Bevölkerung dagegen empfand das Jahr 1945 als Beginn einer langen Unterdrückung. Der niedergeschlagene Volksaufstand von 1956 hat die Erinnerungen vieler Ungarn an den Zweiten Weltkrieg überdeckt. Der Krieg galt fortan als unrühmliche Vorgeschichte zum Leiden unter kommunistischer Herrschaft. Unterdessen zelebrierten zahlreiche staatliche Denkmäler die »ungarisch-sowjetische Freundschaft«. Zu kommunistischer Zeit wurde offiziell kaum an die Menschen erinnert, die während des Krieges an der Front, in der Heimat und während des Völkermordes umgekommen waren. Orte des Gedenkens an den Holocaust existierten außerhalb von jüdischen Institutionen nicht; allein das 1932 eingeweihte Jüdische Museum Budapest wurde bereits 1947 wiedereröffnet. 1985 richtete die jüdische Gemeinde Budapest neben der großen, am Rande des ehemaligen Ghettos stehenden Synagoge einen »Raoul-Wallenberg-Gedenkpark« ein. 1987, in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Reise des kommunistischen Staatschefs János Kádár (1912–1989) nach Schweden, entstand schließlich ein staatliches Denkmal für Wallenberg (*1912–?), der als schwedischer Gesandter Tausenden Budapester Juden das Leben rettete, 1945 von der sowjetischen Besatzungsmacht verschleppt wurde und seither verschollen ist. Dieses Denkmal markierte einen Wendepunkt nach einem jahrzehntelangen Verschweigen des Holocaust. Erst zur Jahrtausendwende entstanden in ganz Ungarn zahlreiche Holocaustdenkmäler und -gedenkstätten. Hierzu gehört das Denkmal »Schuhe am Donauufer« in Budapest, das am 16. April 2005 – dem 2000 eingeführten ungarischen Holocaustgedenktag – eingeweiht wurde. Es erinnert an die Ermordung von bis zu 20.000 Juden aus dem Budapester Ghetto im Januar 1945 durch »Pfeilkreuzler«, Angehörige einer rechtsradikalen Partei, die am 15. Oktober 1944 die Macht in Ungarn übernommen hatte. Ein nationales Holocaustmuseum wurde 2004 in der Hauptstadt eröffnet. Erinnerungszeichen für andere Opfer gibt es bislang allerdings kaum. Sinnbildhaft für den Umgang des postkommunistischen Ungarn mit seiner Vergangenheit im 20. Jahrhundert ist das viel diskutierte »Haus des Terrors«, das – 2002 im Zentrum Budapests eröffnet – die Geschichte »beider totalitärer Diktaturen« behandelt. Die Mitwirkung von Ungarn bei der Deportation ihrer jüdischen Mitbürger tritt dabei oft in den Hintergrund.

Erinnerung

In den unmittelbaren Nachkriegsjahren hatte die neu gegründete jüdische Gemeinde 700 bis 950 Mitglieder. Die Synagoge blieb erhalten, die Gemeinde bezog ihre Räumlichkeiten in ihrer direkten Nachbarschaft. Die kommunistische Diktatur machte es jedoch auch den Juden in Fünfkirchen schwer, ihre Traditionen aufrecht zu erhalten. Viele Juden verließen das Land, während andere ihre jüdischen Wurzeln vernachlässigten oder verdrängten.
Über die Jahrzehnte entstanden mehrere Erinnerungszeichen, die an die ermordeten Juden der Stadt erinnern. Auf dem jüdischen Friedhof steht eine Gedenkmauer mit der Aufschrift: »Das übriggebliebene Judentum der Stadt Fünfkirchen beweint ihre 4.000 verschleppten Brüder und Schwestern«. 1988 wurde auf einem zentralen Gebäude im ehemaligen Ghetto eine Gedenktafel angebracht. Seit 1999 erinnert am Gebäude der jüdischen Gemeinde ein Relief an die ermordeten Kinder. Schließlich, im Jahr 2010, als Fünfkirchen den Titel Kulturhauptstadt Europas trug, wurde am Bahnhof ein »Denkmal der jüdischen Märtyrer« eingeweiht. Das von Gábor Illa entworfene Denkmal deutet die Silhouetten von fünf Figuren an, symbolisiert aber gleichzeitig die Leere, die durch den Holocaust entstanden ist. Hinter dem Denkmal steht eine 2009 gegründete Bürgerinitiative mit dem Namen »Stiftung der Erinnerung Fünfkirchens« (ungarisch: Pécs Emlékezete Alapítvány). Die christlich geprägte Organisation wollte mit der Aufstellung des Denkmals die Ehrerbietung der Nichtjuden Fünfkirchens für die Opfer des Holocaust manifestieren. Das Kunstwerk wurde vollständig aus Spenden finanziert.

Öffnungszeiten

Das Denkmal ist jederzeit zugänglich

Kontakt

Am Hauptbahnhof
7623 Pécs