Denkmal am Platz der Synagogen

Sinagogų aikštės memorialas


In Jurburg (deutsch auch: Georgenburg, litauisch: Jurbarkas) erinnert seit Juli 2019 ein zentrales Denkmal an die jüdische Vergangenheit der Stadt.

Geschichte

Jurburg gehörte nach 1795 zum Russischen Zarenreich und war zwischen 1843 und 1915 Teil des russischen Gouvernements Kowno. Die Stadt liegt direkt an der Memel, die damals die Grenze zu Ostpreußen bildete. Juden lebten hier seit dem 18. Jahrhundert und prägten die Stadt bis zum Zweiten Weltkrieg entscheidend mit. Zeitweise stellten Juden über ein Drittel der Bevölkerung. Mittelpunkt jüdischen Lebens war die 1790 erbaute berühmte Holzsynagoge. Nach dem Ersten Weltkrieg gehörte Jurburg zum unabhängigen Litauen. Wirtschaftlich brachen schwierige Zeiten an, so dass viele Juden die Stadt verließen, vor allem in Richtung USA. Als in den 1930er Jahren der Antisemitismus auch in Litauen stark zunahm, wandten sich viele Juden dem Zionismus zu und fingen an, ihre Auswanderung nach Palästina vorzubereiten.
1940 besetzte die Sowjetunion Litauen. Durch das neue Regime wurde vielen Juden die Existenzgrundlage entzogen, jüdische Kultur und Religion wurden unterdrückt.
Gleich am ersten Tag ihres Angriffs auf die Sowjetunion besetzte die deutsche Wehrmacht Jurburg. Wie überall in Litauen wurden Juden sowohl von der deutschen Propaganda als auch von litauischen Nationalisten als Handlanger der Sowjets dargestellt. Juden wurden gezwungen, die Synagoge zu zerstören und religiöse Bücher zu verbrennen. Bereits wenige Tage später erteilte der Leiter der SS-Einsatzgruppe A, Dr. Walther Stahlecker, den Befehl, Juden im deutsch-litauischen Grenzgebiet zu erschießen. Auf dieser Grundlage erschossen SS-Angehörige und litauische Freiwillige auf dem jüdischen Friedhof in Jurburg 322 jüdische Männer. Innerhalb kurzer Zeit ermordete die SS in weiteren Massenerschießungen nach und nach so gut wie die gesamte jüdische Bevölkerung von Jurburg und Umgebung.

Opfergruppen

Nach eigenen Angaben ließ die SS bis zum 6. September 1941 sämtliche jüdischen Einwohner von Jurburg ermorden, insgesamt etwa 1.900 Personen. Andere Quellen berichten dagegen von Juden aus Jurburg, denen 1941 die Flucht vor den Massenerschießungen gelang.

Erfahre mehr über Litauen

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges erlangte Litauen 1918 seine Unabhängigkeit vom Russischen Reich. Im Juni 1940 wurde das Land gemäß einem deutsch-sowjetischen Vertrag – dem so genannten Hitler-Stalin-Pakt – von der Roten Armee besetzt. Viele katholische Litauer machten pauschal Juden für den Verlust der Eigenstaatlichkeit und den sowjetischen Terror verantwortlich. Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 überrollte die Wehrmacht das Land binnen kurzem. Bereits zwei Tage später führten deutsche Einheiten im grenznahen Garsden die erste Massenerschießung von Juden in diesem Feldzug durch. Litauische Nationalisten erschlugen in den ersten Kriegstagen hunderte Juden. Anschließend überfiel das deutsch-litauische »Rollkommando Hamann« Tag für Tag Ortschaften in Litauen und erschoss bis Ende 1941 beinahe sämtliche Juden auf dem Land und in Kleinstädten. Litauische SS-Einheiten und Polizeibataillone waren auch an Mordaktionen insbesondere auf belarussischem Gebiet beteiligt. Die Zahl der bis Sommer 1944 ermordeten litauischen Juden liegt zwischen 140.000 und 150.000 – fast 99 Prozent der jüdischen Bevölkerung des Landes in der Zwischenkriegszeit. Hinzu kommen etwa 70.000 jüdische Opfer aus dem Wilna-Gebiet, das nach der Zerschlagung PolensW im Herbst 1939 an Litauen zurückgegeben worden war. Der Terror richtete sich ab Sommer 1941 auch gegen meist kommunistische Kritiker und andere Minderheiten. Verschleppungen von Zwangsarbeitern in das Deutsche Reich setzten ein. Insgesamt etwa 170.000 nichtjüdische litauische Zivilisten fanden den Tod. Mit der Rückeroberung durch die Rote Armee 1944 wurde das Land erneut Teil der Sowjetunion. Tausende Litauer emigrierten, Tausende andere kämpften noch bis Ende der 1950er Jahre als Partisanen (»Waldbrüder«) gegen die sowjetische Besatzung. Insgesamt verschleppte der sowjetische Geheimdienst NKWD etwa 500.000 Litauer in das Innere der Sowjetunion. Das offizielle Litauen der Sowjetzeit gedachte vor allem der Helden des »Großen Vaterländischen Kriegs« und der prosowjetischen litauischen Patrioten, aber auch der ermordeten »friedliebenden Sowjetbürger und Kommunisten«. An einem der wichtigsten Orte des Massenmordes, dem IX. Fort in Kaunas, wurde 1958 ein Museum eingerichtet und 1984 ein monumentales Denkmalensemble aus Beton eröffnet. Seine Unabhängigkeit von Moskau erkämpfte sich das Land 1990/91 auch gegen russische Panzer mit 14 Toten. Anschließend wurden viele Monumente aus sowjetischer Zeit abgebaut, die jahrzehntelange Besatzung und der Widerstand rückten ins Zentrum der nationalen Erinnerung. Die Annexion Litauens durch die Sowjetunion 1940/41 und 1944 bis 1990 sowie die deutsche Besetzung wurden gleichgesetzt; wie in Lettland und Estland Okkupationsmuseen eingerichtet, deren inhaltlicher Schwerpunkt die Jahre des sowjetischen Terrors ist. Erst in den 1990er Jahren kam es zu einer breiten Diskussion über die litauische Beteiligung am Holocaust und 1998 zur Gründung einer Internationalen Kommission zur Bewertung der Verbrechen während des nationalsozialistischen und des sowjetischen Besatzungsregimes. Mittlerweile ist die litauische Erinnerungskultur immer vielfältiger. Eines der wichtigsten Institutionen ist das Jüdische Museum »Gaon von Wilna«. Am ehemaligen Massenerschießungsort Ponary (Paneriai) soll neben den Denkmälern auch ein Museumsbau entstehen. Bereits seit 2014 gibt es eine neue Dauerausstellung im Fort IX, während das Internetprojekt »Holocaust Atlas of Lithuania« detaillierte Informationen über die Orte der Massenerschießungen im ganzen Land anbietet.

Erinnerung

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Jurburg wieder Teil der Sowjetunion. In der Stadt lebten keine Juden mehr. Juden, sie aus Jurburg stammten, lebten nur noch im Ausland, vor allem in den USA und Israel. Sie bildeten Netzwerke, um Fotos und Dokumente zusammenzutragen, die an das jüdische Leben der Stadt und ihre im Holocaust ermordeten Angehörigen erinnerten. Nachdem Litauen 1991 seine Unabhängigkeit wieder erlangte, hatten die Angehörigen zum ersten Mal die Möglichkeit, sich auch vor Ort zu engagieren. Es entstanden erste Denkmäler an ehemaligen Erschießungsstätten. Auch bei den Einwohnern Jurburgs wuchs das Bewusstsein für das jüdische Erbe der Stadt. So werden der jüdische Friedhof und das dort 2006 entstandene Denkmal von der Kommune gepflegt.
Im Juli 2019 wurde dort, wo einst die prächtige Holzsynagoge und eine weitere Synagoge standen, ein neues Denkmal eingeweiht. Die Initiative dazu kam vom Bürgermeister Skirmantas Mockevičius. Er hatte die israelische Botschaft eingeschaltet, um Kontakt zur israelischen Künstlergruppe CAN New Artists Collegium herzustellen, deren drei Mitglieder David, Gregory und Anna Zundelovitch aus Litauen stammen. Das von ihnen entworfene Denkmal bezieht sich symbolisch auf verschiedene Aspekte jüdischer Geschichte. Der Platz ist in Richtung Jerusalem ausgerichtet, die Form des Denkmals folgt dem Verlauf der Memel. Hunderte jüdische Familiennamen sind auf Jiddisch und Englisch in die Steine eingraviert. Berufe, die früher von Juden ausgeübt wurden, erscheinen auf Litauisch. Die Namen von Litauern, die Juden gerettet haben und als »Gerechte unter den Völkern« geehrt werden, sind ebenfalls aufgeführt. Zwei große Informationstafeln erinnern an die einstigen Synagogen und geben Auskunft über die Hintergründe des Denkmals.
Im Ort der Information des Berliner Holocaustmahnmals ist die Familie Krelitz aus Jurburg eine von 15 Familien, deren Leben und Schicksal im Raum der Familien detailliert dargestellt werden.

Öffnungszeiten

Das Denkmal ist jederzeit zugänglich.

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