Denkmal »Wir vergessen nicht, wir vergeben nicht«

Не забудемо, не пробачимо (Не забудем, не простим)


In dem Ort Widnyj, in der Nähe der Stadt Luhansk, erinnert seit 1945 ein Denkmal an die Juden der Stadt und Umgebung, die während der deutschen Besatzung ermordet wurden.

Geschichte

Luhansk (russisch: Lugansk) ist die Hauptstadt der gleichnamigen Verwaltungseinheit im Osten der Ukraine. Sie wurde Ende des 18. Jahrhunderts gegründet und hieß von 1935 bis 1958 und von 1970 bis 1992 zu Ehren des sowjetischen Verteidigungsministers zur Stalinzeit Woroschilowgrad. Die Stadt entwickelte sich zu einem wichtigen Zentrum der Schwerindustrie.
Juden lebten seit Ende des 19. Jahrhunderts in Luhansk. 1926 machten sie etwa 10 Prozent der Bevölkerung aus. In den 1930er Jahren waren die meisten Juden in der Industrie und im Eisenbahngewerbe tätig und die Zahl der jüdischen Einwohner stieg auf bis zu 11.000 an.
Die deutsche Wehrmacht eroberte die Stadt erst ein Jahr nach ihrem Angriff auf die Sowjetunion am 17. Juli 1942. Zuvor floh bereits der Großteil der jüdischen Bevölkerung ins Innere der Sowjetunion. Die deutschen Behörden zählten im September 1942 1.038 Juden.
Am 1. November 1942 trieben die deutschen Besatzer die Juden auf dem Hauptplatz zusammen und fuhren sie zum Ort Ostraja Mogila (ukrainisch: Hostra Mohyla) südöstlich der Stadt (heute: Ortschaft Widnyj). Die Männer der Einsatzgruppe C erschossen die jüdischen Kinder, Frauen und Männer und verscharrten sie in Panzergräben. Einige wurden in Gaswägen erstickt. Unter den Opfern waren auch etwa 100 Juden aus Altschewsk und weiteren nahe gelegenen Orten. Die letzten noch in Luhansk lebenden Juden wurden am 21. Januar 1943 am selben Ort ermordet.
Etwa drei Wochen später wurde Luhansk durch die Rote Armee zurückerobert.

Opfergruppen

Nach Angaben der der sowjetischen Außerordentlichen Staatlichen Kommission wurden insgesamt über 1.900 Juden im Ort Hostra Mohyla ermordet. Eine weitere Massenerschießungsstätte befindet sich östlich der Stadt, im Ort Ivanyshchiv Yar. Dort wurden nach Angaben der Kommission ebenfalls an die 1.900 Menschen ermordet.
58% der ermordeten Zivilisten in Luhansk waren Juden.

Erfahre mehr über Ukraine

Die Ukraine, die zweitgrößte Republik der ehemaligen Sowjetunion, war einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust. Die Zahl der ukrainischen Todesopfer wird auf fünf bis sechs Millionen Menschen geschätzt, darunter Hunderttausende Juden. Mitte September 1939, nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens entsprechend einem deutsch-sowjetischen Geheimabkommen – dem Hitler-Stalin-Pakt –, kamen die südöstlichen Regionen Polens zur Sowjetukraine. Repressionen gegen die einheimische Bevölkerung gehörten fortan zum Alltag. Im Sommer 1941 traf der deutsche Angriff auf die Sowjetunion zunächst genau diese Gebiete. Schon in den ersten Tagen wurde die jüdische Bevölkerung als angebliche Stütze der Sowjetmacht Ziel blutiger Übergriffe. Sie gingen häufig von national gesinnten Ukrainern aus, die den Vormarsch der Wehrmacht zunächst begrüßten. Bald darauf begannen deutsche SS-Einsatzgruppen und verbündete rumänische Einheiten mit Massenerschießungen von Juden. Die Schlucht von Babij Jar (ukrainisch Babyn Jar) nahe Kiew, wo deutsche Einheiten und ukrainische Miliz an zwei Tagen im September 1941 mehr als 33.700 Juden ermordeten, ist heute ein weltweites Symbol für den Völkermord an den Juden. Auch die nichtjüdische Bevölkerung geriet ins Visier der Verfolger. In der nationalsozialistischen Rassenideologie galten Ukrainer wie alle »Slawen« als »Untermenschen«. Die Besatzer plünderten das Land, verschleppten weit über eine Million Zivilisten zur Zwangsarbeit und verübten öffentliche Geiselmorde. Ab 1943 tobte nicht nur ein Partisanenkrieg gegen die Wehrmacht, sondern auch der Kampf der nationalistischen »Ukrajinska Powstanska Armija« (Ukrainische Aufstandsarmee = UPA) gegen die Sowjets und die polnische Bevölkerung der Westukraine. Weit über 100.000 Polen fanden hierbei den Tod. 1944 wurde die Ukraine wieder sowjetisch und umfasst seitdem auch ehemals ostpolnische Regionen. Die UPA setzte ihren Kampf bis Mitte der 1950er Jahre fort. Die sowjetischen Behörden verschleppten rund 300.000 Ukrainer nach Sibirien, um diesen Widerstand zu brechen. Die Gedenkkultur war an der sowjetischen Symbolsprache ausgerichtet. Es entstanden monumentale Gedenkanlagen zur Feier des »Sieges« im Großen Vaterländischen Krieg. Erst in jüngerer Zeit trat neben die Heldenverehrung auch das Opfergedenken. In der Westukraine hat sich zudem eine Erinnerungskultur an den Kampf der UPA entwickelt, der als Unabhängigkeitskampf interpretiert wird. Eine Aufarbeitung der Kollaboration mit den deutschen Besatzern und des Antisemitismus hat erst um 2000 begonnen. Die Massenerschießungen an Juden wurden, mit wenigen Ausnahmen, bis in die 1980er Jahre übergangen. Erst die Regierung der unabhängigen Ukraine erkannte 1991 Babyn Jar als »Symbol jüdischen Märtyrertums« an. Die Ukraine war auch lange nach der Erlangung der Unabhängigkeit auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Die Dokumentation der sowjetischen Verbrechen – wie die staatlich herbeigeführte Hungerkatastrophe 1932/33 mit Millionen Toten (Holodomor) – hat größere Bedeutung als die Aufklärung über den Holocaust. Dennoch entstanden überall im Land neue Gedenkorte in Erinnerung an die ermordeten Juden, wie etwa die Gedenkstätte Drobizkij Jar in Charkiw oder das Holocaustmuseum in Odessa. An zahlreichen Massengräbern entstanden neue Denkmäler, teils mit Unterstützung aus Deutschland. In Kiew sollte bei der ehemaligen Massenerschießungsstätte Babyn Jar eine große Holocaustgedenkstätte mit weltweiter Ausstrahlung entstehen. Diese Pläne wurden mit dem großangelegten russischen Angriff auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 auf Eis gelegt. Welche Auswirkungen der Verteidigungskrieg in Zukunft auf die Holocausterinnerung haben wird, bleibt abzuwarten.

Erinnerung

1959 zählte die Stadt 5.500 jüdische Einwohner. Die meisten wanderten in den 1990er Jahren aus der Ukraine aus, viele zogen nach Deutschland.
Nach dem Krieg konnten nur wenige Opfer identifiziert werden. 1945 wurde an der Erschießungsstätte ein Denkmal errichtet. In Anlehnung auf das Massaker vom September 1941 in Kiew wird es auch »Babij Jar von Luhansk« genannt. Das Grab ist bis heute nicht vollständig umfriedet, teilweise befinden sich dort Grundstücke und Häuser. Das Denkmal besteht aus einem Betonbogen mit der Inschrift »Wir vergessen nicht, wir vergeben nicht«, der Einlass zu einem mit Steinplatten ausgelegten Platz gewährt. Auf dem Sockel des Denkmals in Form eines Soldaten, der ein totes Kind auf dem Arm hält, steht die Inschrift: »An diesem Ort im November 1942 haben deutsche faschistische Eindringlinge an die 3.000 Kinder, Frauen und Zivilisten aus Luhansk vernichtet«. Im Laufe der Zeit wurde das Denkmal mehrmals beschädigt, einige der Platten mit den eingravierten Namen der Opfer wurden gestohlen, die Übriggebliebenen sind witterungsbedingt verblasst.
Das Denkmal befindet sich 200 Meter von der Hauptstraße zum Flughafen entfernt im Ort Widnyj. 2015 wurde das Denkmal restauriert. In der Nähe wurde im September 2016 ein gleichnamiges Denkmal auf Initiative der Führung der international nicht anerkannten »Volksrepublik Lugansk« und der Organisation »Mir Luganschine« errichtet. Nach Angaben lokaler Medien soll es an 500 Personen erinnern, die durch den Konflikt in Luhansk umgekommen sind und beim Denkmal in einem Massengrab beerdigt wurden.

Öffnungszeiten

Das Denkmal ist jederzeit zugänglich.

Kontakt

ul. Sadalnikowa
91000 Luhansk